Lebensleistungsrente – die Bankrotterklärung der sozialen Marktwirtschaft
Von Peter Haisenko
Ein Staat, der sich im Sinne eines fairen Sozialpakts die Fürsorge für seine Bürger auf die Fahne geschrieben hat, muss dafür sorgen, dass jeder Arbeitsfähige mit seiner Arbeitsleistung so viel Geld verdient, dass er ein auskömmliches Leben führen und darüber hinaus Vorsorge fürs Alter treffen kann. Dieser Zustand war in Deutschland gegeben, bis das „Dreamteam“ Schröder/Fischer die Agenda 2010 durchgesetzt hatte. Die Grundformel dieses Machwerks ist ganz einfach: Nur wer im Überfluss lebt und aus dem Vollen schöpft, kann für sein Alter vorsorgen. Das gilt universell. Der Umkehrschluss liegt auf der Hand: Wer am Existenzminimum entlang schrammt, hat keine Chance, irgendwelche Rücklagen für die Zukunft zu bilden.
Der heutige Zustand in unserem Land ist dergestalt, dass Millionen Arbeitnehmer nicht mehr von ihrem Arbeitslohn leben können und eine staatliche Aufbesserung ihres Einkommens in Anspruch nehmen müssen. Folglich werden diese Ausgebeuteten immer auf ein staatliches Gnadenbrot angewiesen sein – bis zu ihrem Tod, der doch bitte nicht zu spät eintreten möge. Wie konnten es unsere politischen Häuptlinge nur so weit kommen lassen?
Dazu sagt Joseph „Joschka“ Fischer (Die Grünen), Ex-Außenminister und Ex-Vizekanzler: „Deutschland ist ein Problem, weil die Deutschen fleißiger, disziplinierter und begabter als der Rest Europas sind. Das wird immer wieder zu Ungleichgewichten führen. Dem kann aber gegengesteuert werden, indem so viel Geld wie nur möglich aus Deutschland heraus geleitet wird. Es ist vollkommen egal wofür, es kann auch radikal verschwendet werden – Hauptsache, die Deutschen haben es nicht. Schon ist die Welt gerettet.“ In einem Satz:
Die Ausplünderung Deutschlands ist Staatsräson.
Ich bin nun wirklich kein Fan von Herrn Fischer, doch ich muss konstatieren, dass er in diesem Falle fast die Wahrheit sagt. Fast, weil er seine Aussage lediglich auf Europa bezieht. Europa ist aber nicht das Problem. Das wirkliche Problem ist das Außenhandelsdefizit der USA und Großbritanniens. Beide Länder leben zu etwa 40 Prozent auf Kosten des Rests der Welt und hier insbesondere auf Kosten der Kriegsverlierer Deutschland und Japan. Wäre es womöglich denkbar, dass die Weltkriege des 20. Jahrhunderts mit diesem Ziel orchestriert worden sind? Vorsätzlich und perfide geplant – inklusive des Geldsystems von Bretton Woods, ohne das es nicht funktionieren würde? (Eine ausführliche Erörterung dieser Fragestellung finden Sie in meinem Buch „England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jahrhundert“.)
Zurück zum Hier und Heute: Deutschland hat im Jahr 2012 einen neuen Rekord beim Außenhandelsüberschuss eingefahren – mehr als 200 Milliarden Euro. Gut so, könnte man meinen, weil es uns von den Wirtschaftsweisen so vorgegaukelt wird. Die Wahrheit sieht ganz anders aus! Ebenso wie ein dauerhaftes Außenhandelsdefizit – siehe USA und Großbritannien – wirkt sich ein dauerhafter Außenhandelsüberschuss – siehe Deutschland – negativ auf die Weltwirtschaft aus. Das Ziel müsste sein, dass alle Länder auf lange Sicht eine ausgeglichene Handelsbilanz aufweisen. So lange das nicht der Fall ist, leben die Defizitländer auf Kosten und von der Arbeit der Überschussländer – und zwar auf Dauer.
Meine Anfrage bei der Bundesbank im Sommer 2012 hat Erschreckendes zu Tage gebracht. Man wollte mir nicht nur nicht sagen, wo und wie die akkumulierten Außenhandelsüberschüsse Deutschlands verbucht sind, die mittlerweile in etwa die Höhe der deutschen Staatsverschuldung erreicht haben, sondern erstaunte mich mit der Feststellung, dass diese nicht auf mögliche zukünftige Außenhandelsdefizite Deutschlands verrechnet werden können. Mit anderen Worten heißt das, dass die Arbeit, die in Deutschland geleistet, hier aber nicht konsumiert worden ist, einfach verschenkt wird. Der deutsche Arbeitnehmer hat rein gar nichts vom Außenhandelsüberschuss und wird auch niemals etwas davon haben. Er leistet unbezahlte Sklavenarbeit, vielleicht sogar andauernde (aber geschickt versteckte) Reparationen für die verlorenen Kriege. Vergessen Sie nicht:
Deutschland hat keinen Friedensvertrag mit USA oder Großbritannien. Wir leben im Zustand des Waffenstillstands.
Grundsätzlich gilt: In einem Land mit dauerhaftem Außenhandelsüberschuss sind die Löhne zu niedrig. Würde die Marktwirtschaft ungestört wirken, würden die Löhne so lange steigen, bis die Außenhandelsbilanz ausgeglichen ist. Auf der anderen Seite müssten in den Defizitländern die Löhne sinken, und damit das allgemeine Wohlstandsniveau. Stellt sich die Frage wie es möglich ist, dass einige Länder ein dauerhaftes Außenhandelsdefizit aufrechterhalten können, ohne Pleite zu gehen. Tatsächlich ist es so, dass nur zwei Länder dieses Privileg genießen: USA und Großbritannien. (Warum das so ist und wie genau es funktioniert, können Sie in einigen meiner Publikationen nachlesen: Die verschwiegenen Ursachen der Finanzkrise (Peter Haisenko, 2008); Bankraub globalisiert (Peter Haisenko, 2006); England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jahrhundert (Peter Haisenko, 2010).
200 Milliarden Euro Außenhandelsüberschuss – was bedeutet das konkret für den einzelnen Arbeitnehmer? In Deutschland wird Arbeit geleistet im Wert von 200 Milliarden Euro, die dem deutschen Arbeitnehmer nicht für den Konsum zur Verfügung stehen, weil sein Lohn zu niedrig ist. Statistisch gesehen heißt das, dass jeder deutsche Arbeitnehmer jeden Monat ein Plus von etwa 420,- Euro erwirtschaftet. Dieses Geld darf er jedoch nicht zu seinen Gunsten verbrauchen, weil er schlicht und ergreifend nicht den Lohn erhält, der ihm für seine Arbeit zusteht. Tatsächlich ist der Überschuss-Betrag noch viel höher, weil in der Statistik die unanständig üppigen Einkommen des oberen einen Prozents der Bevölkerung mit eingerechnet sind.
Die Folgen sind weitreichend. Nicht nur, dass die Steuereinnahmen in der Bundesrepublik zu niedrig ausfallen, sondern es müssen auch noch Steuergelder eingesetzt werden, um die zu niedrigen Löhne aufzubessern. Wer profitiert? Die Großkonzerne, und hier vor allem das angelsächsische Kapital. In den letzten zehn Jahren haben angelsächsische Investoren, die korrekter Weise Raubritter genannt werden sollten, ihren Besitz an den deutschen DAX-Unternehmen von 20 Prozent auf annähernd 90 Prozent ausgeweitet. Wie haben sie das erreicht? – Indem sie virtuelles Geld in unvorstellbaren Größenordnungen aus dem Nichts kreierten und damit ganz legal in Deutschland auf Einkaufstour gegangen sind. Im Klartext heißt das: Deutschland wurde und wird weiterhin mit Geld aufgekauft, das ungehemmt von amerikanischen und britischen Druckpressen produziert wird.
Die deutschen Regierungen tun nichts dagegen.
Man sollte meinen, die deutsche Politik müsste alles in ihrer Macht Stehende tun, um dem perfiden Ausverkauf unserer Wirtschaftskraft einen Riegel vorzuschieben. Das glatte Gegenteil ist der Fall. Die Regierung Schröder/Fischer hat sogar etliche Gesetze so verändert, dass auf diese betrügerischen Transfers kaum noch Steuern anfallen, ja sogar Steuerrückzahlungen in Milliardenhöhe zu leisten sind.
Durchaus verständlich, dass ein ausländischer Eigentümer deutscher Produktionsstätten kein Interesse an deutschen Sozialstandards hat. Er wird alles tun, um aus seinen Besitztümern in Deutschland den maximalen Profit zu pressen. Das ist nachvollziehbar. Nicht mehr nachzuvollziehen ist aber, dass die deutsche Regierung das auch noch mit geeigneter Gesetzgebung unterstützt. Nicht zuletzt auch mit den Hartz-Gesetzen. Besonders schlimm daran ist, dass sogar die Gewerkschaften mitmachen, indem sie seit gut zehn Jahren Tarifabschlüsse anstreben, die nicht einmal die Inflationsrate ausgleichen können.
Langsam dämmert es unseren Vordenkern, dass mit dem Niedriglohnniveau in Deutschland auch das Rentensystem nicht mehr funktionieren wird. Anstatt die Wurzel des Problems anzugehen, nämlich die zu niedrigen Löhne, soll das gesamte System seiner Grundlage beraubt werden. Die Arbeiter sollen für einen Lohn arbeiten, der gerade mal das Existenzminimum sichert, oder, wenn das nicht reicht, entsprechend mit Steuergeldern alimentiert werden. Mit staatlich aufgebesserter Rente dürfen sie dann mehr schlecht als recht ihr Leben fristen – aber nur, wenn sie brav mindestens 40 Jahre lang für minimalen Lohn geschuftet haben.
Frau von der Leyen setzt dem noch eins drauf. Die Minimumrente soll nur derjenige erhalten, der von seinem Minimaleinkommen auch noch etwas an die private Versicherungswirtschaft abgegeben hat. Wir wissen, wem das zugute kommt: Den Eigentümern der Versicherungswirtschaft, und die sind mehrheitlich im angelsächsischen Kapital zu finden.
Die Diskussion über die Renten in Deutschland geht völlig in die falsche Richtung. Bei genauerem Hinsehen drängt sich sogar der Verdacht auf, dass die so geführte Diskussion absichtlich für Verwirrung sorgen soll, und die Ausplünderung Deutschlands womöglich tatsächlich deutscher Staatsräson entspricht. Auf jeden Fall ist die Lebensleistungsrente die Bankrotterklärung der Sozialen Marktwirtschaft, und ich erachte es als dreiste Frechheit, in diesem Kontext das Wort „Leistung“ überhaupt in den Mund zu nehmen.
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Wie Deutschland seit Jahrzehnten ausgebeutet wird können Sie in diesem Artikel lesen. Nehmen Sie sich etwas Zeit - es lohnt sich. http://www.dewion24.de/?p=6061 #comment-4144
Und dieser lohnt sich auch: http://sklaven-ohne-ketten.blogspot.de/2009/03/2-5-kulturelle-dominanz-dieses-kapitel.html