Syrien und der vergessene Krieg der USA gegen Assad
Von Peter Haisenko
Ukraine, Griechenland, Finanzkrise und Mittelmeerflüchtlinge. Das sind die aktuellen Themen. Syrien? Ja, wir hören etwas über IS und dass Bomben dort geworfen werden. Das Thema Syrien hat aber gerade in den letzten Tagen großes Gewicht bekommen durch die Ansage der US-Regierung, US-trainierte und bewaffnete Anti-Assad-Kämpfer vor Angriffen der regulären syrischen Truppen schützen zu wollen. Die US-Regierung bestätigt damit, dass es sich keineswegs um Verschwörungstheorien gehandelt hat, dass die USA Kämpfer in einen Krieg gegen Assad geschickt haben.
2013 ist Syrien einem Bombardement der US-Luftwaffe durch die Intervention Russlands und Chinas entgangen. Der Preis war die Vernichtung aller Chemiewaffen, die mittlerweile abgeschlossen ist. Dann kam der IS und hat einen Vorwand geliefert, Angriffe auf syrischem Territorium zu fliegen, ohne UN-Mandat, um das sich auch niemand bemüht hat. Seit nunmehr fast einem Jahr werfen Kampfflugzeuge verschiedenster Nationen Bomben in einem Staat, der immer noch Mitglied in der Gemeinschaft der UN ist. Wie wird so vehement im Fall der Ukraine darauf bestanden, dass die Grenzen eines Staats unverletzlich sind? Für Syrien gilt das offensichtlich nicht, genauso wenig wie für den Jemen, wo Saudi-Arabien mit US-Unterstützung Menschen umbringt und uralte Kulturgüter zerbombt.
US-trainierte Anti-Assad-Kämpfer: Es gibt sie also doch
Nachdem die „rote Linie“ Obamas mit dem Giftgas als Querschläger im Sande verlaufen ist, versuchen die USA nun einen neuen Grund zu konstruieren, Assad doch noch in die Steinzeit bomben zu können. Das Wallstreet Journal berichtet, dass bereits am 31. Juli die ersten Angriffe geflogen worden sind, um „US-trainierte Anti-Assad-Kämpfer“ zu schützen. Jahrelang haben die USA hartnäckig abgeleugnet, dass es solche Kämpfer gibt. Nun müssen die, die es gar nicht gibt, beschützt werden. Da sollten wir uns an „Moses Brown“ erinnern, die CIA-Einmann-Show, der die Lügen über Assads Giftgas verbreitet hat und jetzt als Elliot Higgins mit „Bellingcat“ seine Lügen zu MH 17 verbreitet. Wir sollten auch nicht vergessen, dass Obamas rote Linie davon sprach, diejenigen zu „bestrafen“, die Giftgas eingesetzt haben. Nachdem jetzt klar ist, dass es die Anti-Assad-Kämpfer selbst waren, müssen diese nicht bestraft werden, sondern beschützt.
Betrachten wir das Syrien-Drama chronologisch. Der laizistische Staat Syrien, unter Vorherrschaft der Alawiten, ist per se als potentiell instabil zu sehen. Zu viele unterschiedliche (Religions-) Gruppen leben auf engem Raum zusammen und die sozialen Unterschiede sind auch kein Garant für Stabilität. Aber die Assad-Regierung war auf einem guten Weg, ein Bildungsbürgertum zu schaffen, das das Land hätte voran bringen und dauerhaft stabilisieren können. Das durfte nicht sein – aus Sicht der USA. Es ist ein Leichtes, Unfrieden in einen solchen Staat zu tragen und genau das haben die USA getan, nach bewährtem Muster: Siehe Jugoslawien, Georgien, Libyen, Ukraine, Ägypten....
Ober-Denunziant „Moses Brown“
Aufkommende friedliche Demonstrationen wurden benutzt, um mithilfe US-trainierter und ausgerüsteter Kämpfer Gewalt zu erzeugen. Damit war Assad bereits in einer ausweglosen Situation. Er musste Gegengewalt anwenden, wenn er nicht vor der US-Aggression kapitulieren wollte. Schon konnte er als Gewaltherrscher denunziert werden. „Moses Brown“ hat das seinige dazu geleistet, indem er Falschmeldungen über die US-kontrollierten Medien verbreitet hat. Die Welt hätte bei einem US oder NATO-geführten Angriff mit einem ähnlich fatalen Achselzucken reagiert, wie im Fall Libyen. Damals hat die UN eine Flugverbotszone genehmigt und die USA (mit Frankreich und Großbritannien) haben das als Genehmigung für eine umfassende Bombardierung fehlinterpretiert. Wir wissen, dass das der Auslöser für die Flüchtlingsdramen im Mittelmeer war, ebenso wie für die Flüchtlinge aus Syrien. Russland und China haben in Syrien Schlimmeres verhindert. Dafür sollten wir dankbar sein.
Dann war es ruhig um Syrien. Assad bekam die Situation stückweise in den Griff, konnte Gebiete befrieden. Plötzlich tauchte der IS auf. Absolut verabscheuenswürdig ist er, und das wurde auch breit kommuniziert. So geschahen die merkwürdigsten Dinge. Deutschland liefert Waffen an Kurden und niemand hat sich um das Völkerecht geschert, als es darum ging, einfach fremdes Territorium zu bombardieren. Es ist ja ein „gerechter Krieg“, der hier gegen Barbaren geführt wird. So sehr auch ich den IS verabscheue, so sehe ich doch auch, dass es ein Völkerrecht gibt und zumindest ein UN-Mandat vonnöten wäre, wenn in fremdem Hoheitsgebiet fremde Armeen eingreifen. Nur wenn es den USA in den Kram passt, dann ist das Völkerrecht selbstverständlich das Maß der Dinge, auch wenn es falsch ausgelegt wird. Siehe Krim.
„Legitimation“, um Assad den Rest zu geben
Wie im Fall Kobane sichtbar wurde, haben die USA keineswegs nur IS-Stellungen zerstört, sondern Infrastruktur und Ölanlagen auf syrischem Territorium. Hier haben die USA bereits völkerrechtswidrige Angriffe direkt auf Syrien geflogen, allerdings ohne die reguläre syrische Armee direkt anzugreifen. Das soll sich jetzt ändern. Obama selbst hat bestätigt, dass die US-Führung Angriffe auf US-trainierte Anti-Assad-Kämpfer als Kriegserklärung Syriens gegen die USA auslegen wird. Das soll jetzt die Legitimation werden, Assad den Rest zu geben und Syrien restlos zu zerstören. Die ganze Perfidie dieses Vorgehens muss man nochmals ausführen.
Die USA haben Kämpfer ausgebildet und bewaffnet, die in Syrien gegen eine gewählte Regierung eingesetzt worden sind. Dann haben diese Kämpfer Giftgas eingesetzt, um einen direkten Angriff der USA auf Syrien zu rechtfertigen. Das hat so nicht funktioniert, trotz der Arbeit von Moses Brown. Dann kam der IS und jeder, der eigenständig denken kann, hat sich gewundert, wie der IS finanziert wird. Aber er hat seinen Zweck erfüllt, nämlich dass im Gebiet des IS bombardiert werden durfte, auf dem Territorium Syriens. Direkte Angriffe auf Syriens Armee oder Damaskus direkt konnte man sich aber noch nicht erlauben. Um das zu bewerkstelligen, stellen die USA jetzt Kämpfer unter ihren Schutz, deren Existenz bislang vehement verleugnet worden ist. Geht’s noch perfider?
Völkerrecht wird zitiert – wenn’s gerade genehm ist
Die Türkei mit Erdogan tut ihr Übriges. Auch hier war zu beobachten, dass Erdogan den IS eher gefördert hat, als ihn ernsthaft zu bekämpfen. Jetzt, plötzlich, nach kleinen Zwischenfällen, entdeckt Erdogan, dass er den IS bekämpfen muss. Das ist aber eher ein Vorwand, um den Friedensprozess mit den Kurden zu beenden. Erdogan lässt weit mehr Angriffe auf Kurden als gegen den IS fliegen, auch im Irak. Die nächste Völkerrechtsverletzung gegenüber einem Staat mit „unverletzlichen Grenzen“. Man könnte hier natürlich anführen, dass der Irak gar kein richtiger Staat mehr ist. Aber dann muss man auch sehen, dass diese türkischen Angriffe von den USA genehmigt worden sein müssen. Der Preis dafür war offensichtlich die Erlaubnis Erdogans, dass die USA fortan türkische Flughäfen für ihre Angriffe in der Region nutzen dürfen. Ich will nicht weiter auf den augenblicklichen Zustand eingehen, dass sich Kurden mit Waffen gegen Erdogans Angriffe wehren, die von Deutschland geliefert worden sind.
So, wie die Ansage der USA, von ihnen ausgebildete Kämpfer beschützen zu wollen, von unseren Qualitätsmedien ignoriert wird, erfährt man nur in Nebensätzen, dass britische Soldaten bereits auf dem Staatsgebiet Syriens operieren. Die tz-München berichtet am 11. August 2015, dass ein britischer Scharfschütze einen „Ungläubigen“ vor der Enthauptung gerettet hat, indem er den IS-Schergen aus einem Kilometer Entfernung erschossen hat. Die kurze Meldung lobt die Tat, wohl zu recht, aber man muss diese Meldung genau lesen. Es wird hier nämlich ganz nebenbei festgestellt, dass mindestens eine ganze britische Einheit innerhalb der syrischen Grenzen operiert. Völkerrecht? Kriegsrecht? UN-Mandat? Offensichtlich sind das nur noch leere Hülsen – solange sie nicht gegen Russland oder andere missliebige Staaten instrumentalisiert werden.
Die Weltherrschaft ist das Ziel der USA
Im Schatten der Ukraine-Krise, der Mittelmeerflüchtlinge und des Griechenland-Problems kann leicht verborgen werden, dass UK und USA nach wie vor massiv daran arbeiten, die Regierung Assad endgültig zu stürzen und so den Rest Syriens in dasselbe Chaos zu stürzen, wie das aufsässige Libyen. Obwohl es offensichtlich ist, dass das jenseits jeglichen Rechts ist, geben die USA ihren Hörigen ein Argument, das eigentlich nach hinten losgehen müsste: Wir werden von uns ausgebildete und bewaffnete Anti-Assad-Kämpfer gegen Angriffe der syrischen Armee schützen. Damit haben die USA faktisch zugegeben, dass sie fortlaufend lügen und sich einen Dreck um das Völkerrecht scheren, ebenso wenig wie die Briten.
Das Ziel der USA heißt Weltherrschaft und wehe dem, der sich widersetzt. Alle Staaten, die sich nicht „freiwillig“ den USA unterwerfen, werden zerstört. Besonders dann, wenn sie wegen geringfügiger Schulden auch nicht mit der Finanzwaffe kontrolliert werden können und ein Bildungsbürgertum schaffen wollen. Die bewusst herbeigeführten Zerstörungen von Infrastruktur und Wohnraum stellen sicher, dass diese geschundenen Länder auf unabsehbare Zeit nicht mehr aus ihrem Elend entkommen und so keine Konkurrenz für die USA werden können – politisch und wirtschaftlich.
All das kann jeder nachlesen, in den Publikationen von US-Berater Brzeziński oder im „Seidenstraßenstrategiegesetz“, das seit Jahrzehnten von allen US-Regierungen verfolgt und weiterentwickelt wird. Man muss kein „Verschwörungstheoretiker“ sein, man muss nur lesen, was die US-Regierung selbst publiziert. Und man muss es glauben, auch wenn sich ein gesundes Gehirn weigert anzunehmen, dass irgendjemand ernsthaft die ganze Welt beherrschen und ausbeuten will und sich mit diesem Ziel jenseits aller internationaler Vereinbarungen stellt. „Freiheit ohne Regeln ist die Tyrannei des Stärkeren.“ Die vermeintlich stärkeren USA ignorieren Regeln nach Belieben und so tyrannisieren sie alle, die sich nicht „freiwillig“ ihrer Form der „Freiheit“ unterwerfen.
Zum Thema: Syrien, Giftgas und Obamas „Rote Linie“
Die Frage ist zu stellen: Warum wird gerade in Deutschland nicht kritisiert, wenn die USA gegen Völkerrecht verstoßen? Weil zu viele in Deutschland Opfer der Geschichtsschreibung geworden sind, die auf Anordnung der USA in Deutschland gelehrt werden muss. Sie glauben immer noch, dass die Angelsachsen völlig selbstlos Deutschland von sich selbst befreit haben. Die Wahrheit ist, dass bereits der erste Weltkrieg von den Briten orchestriert worden ist, um einen unüberwindlichen wirtschaftlichen Konkurrenten auszuschalten. Auch hier gilt: Man muss nur lesen – und glauben – was die Briten selbst geschrieben haben. Die London Times, 1919: „Wenn Deutschland in den nächsten 50 Jahren wieder anfängt Handel zu treiben, dann haben wir diesen Krieg umsonst geführt“. Wer mein Buch „England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jahrhundert“ gelesen hat wird erkennen, wie wichtig es wäre, gerade in Deutschland auf einer wahrheitsgemäßen Aufarbeitung unserer Geschichte zu bestehen. Im Buchhandel oder direkt hier zu bestellen.