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SPD-Spitzen-Genossinnen betätigen sich als aktive Wahlhelfer für die AfD

Von Hubert von Brunn 

Jüngsten Meinungsumfragen (INSA/25. 01. 2016) zufolge hat die AfD mit 13 Prozent der Wählergunst inzwischen Platz 3 im bundesdeutschen Parteien-Ranking erobert: Vor den Grünen (10 %) und den Linken (9 %) und nur noch 10 Prozentpunkte hinter der SPD. Wen wundert’s angesichts des nicht enden wollenden Gezänks innerhalb der GroKo und einer Regierung, bei der „Hilflosigkeit“ zum Markenzeichen geworden ist. Als die aktivsten Wahlhelfer für die AfD betätigen sich derzeit zwei Spitzen-Genossinnen der SPD: Malu Dreyer und Hannelore Kraft.

Beide Damen haben offensichtlich ein Problem mit der Meinungsfreiheit und weisen sich diesbezüglich nicht wirklich als vorbildliche Demokratinnen aus. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer verweigert bockbeinig die Teilnahme an TV-Debatten, an denen sich auch Vertreter der AfD beteiligen, einer Partei, die sie „als eine große Gefahr für unsere Gesellschaft“ sieht. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), in dessen Bundesland ebenso wie in Rheinland-Pfalz und in Sachsen-Anhalt am 13. März gewählt wird, stößt ins gleiche Horn – und schon entscheidet der Südwestrundfunk (SWR) die Spitzenkandidaten der AfD nicht zu den vorgesehenen Diskussionsrunden einzuladen. Da wollte der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) nicht außen vor bleiben und schloss sich dieser zutiefst undemokratischen Entscheidung an.

Angst vor den besseren Argumenten des politischen Gegners

CDU-Landeschefin Julia Klöckner, die gegen Malu Dreyer antritt, um neue Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz zu werden, hat daraufhin ihrerseits eine Teilnahme an TV-Debatten im SWR abgesagt. Wahltaktisch nicht ungeschickt setzt CDU-Vize Klöckner damit ein klares Zeichen für die konsequente Ausübung der Pressefreiheit – auch wenn es unbequem sein könnte – und spricht aus, was partei-unabhängige Beobachter auch denken: „Erpressung“. Diesen Vorwurf weist Frau Dreyer – pikanter Weise auch Chefin der Rundfunkkommission der Länder – natürlich weit von sich und argumentiert stattdessen: „Viele Mitglieder der AfD sind nicht nur rechtspopulistisch, sie verkünden Botschaften, die rassistisch und rechtsextremistisch sind“.

Das mag durchaus sein, aber gehört es nicht zu den demokratischen Grundregeln, sich konstruktiv mit dem politischen Gegner auseinanderzusetzen? Wäre es nicht die beste Gelegenheit, vor laufender Kamera und von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen, rassistische oder rechtsextremistische Statements – so sie denn vorgetragen werden –, auseinanderzunehmen und als populistische Parolen zu entlarven? Ganz sicher wäre das eine hervorragende Gelegenheit, sich zu profilieren, vorausgesetzt allerdings, man verfügt inhaltlich und rhetorisch über das erforderliche Rüstzeug. Beide Qualitäten scheinen bei Frau Dreyer indes nicht übermäßig ausgeprägt. Das Movens für ihren TV-Boykott ist die schiere Angst. Die Angst mit Argumenten konfrontiert zu werden, die sie nicht widerlegen kann, die sie nach offizieller Lesart ihrer Partei aber auch nicht einfach stehen lassen darf.

Kritische Genossen an der SPD-Basis werden zurückgepfiffen

Wenden wir uns der NRW-Ministerpräsidentin und dortigen SPD-Chefin Hannelore Kraft zu. Auch sie tut sich – wenn es ihr in den Kram passt – gern hervor als glühende Verfechterin der Meinungsfreiheit. Nun haben aber ein paar renitente Genossen an der Basis – präzise gesagt die Mitglieder von drei SPD-Ortsverbänden in Essen-Nord – es gewagt, zu einem „Solidaritätsmarsch“ aufzurufen. Motto der Veranstaltung, die sich gegen die Aufnahme von noch mehr Migranten im traditionell ärmeren Nordteil der Ruhrmetropole richtete: „Genug ist genug. Integration hat Grenzen. Der Norden ist voll.“ Immerhin beträgt der Anteil der Einwohner mit Migrationshintergrund dort bereits jetzt mehr als 40 Prozent, weitere Flüchtlingsunterkünfte sollen eingerichtet werden. Die Genossen an der Basis bekommen hautnah mit, wie der Alltag in diesen Stadtteilen aussieht, verstehen, dass die Menschen vor Ort mit dem Zuzug weiterer Migranten heillos überfordert sind und weitere Integrationsleistungen nicht mehr erbringen können.

Weiter weg in der noblen Landeshauptstadt Düsseldorf sieht man das natürlich ganz anders. Als dort das unerhörte Ansinnen des Essener Genossen ruchbar wurde, gab es harsche Kritik. Ja, es wurde ihnen sogar nahe gelegt, ihr Parteibuch zurückzugeben, andere forderten ein Parteiausschlussverfahren. Als dann die Landesmutter Wind von der Sache bekommt, gibt sie ein Statement mit den üblichen wachsweichen Phrasen ab und stellt klar: „Die NRW-SPD steht für eine offene und vielfältige Gesellschaft und eine Willkommenskultur für Flüchtlinge. Protestaktionen, die das infrage stellen, lehnen wir entschieden ab.“ Wen genau sie mit „wir“ meinte, lässt sich nicht sagen. Vielleicht war es auch ein schlichter pluralis majestatis. Wie dem auch sei: Die Essener Renegaten wurden von der Chefin zurückgepfiffen und die Begründung, weshalb sie ihre Demo schließlich absagen sollten, wurde den Organisatoren gleich mitgeliefert: Man wolle nicht, dass AfD und NPD die Demonstration als Plattform benutzen – mussten sie sagen. Die Demonstration kann nun von niemand mehr als Plattform, wofür auch immer, benutzt werden. Ganz sicher aber wird die AfD das seltsame Demokratieverständnis innerhalb der SPD bei passender Gelegenheit thematisieren.

Die Karten im Politpoker könnten neu gemischt werden

Das Demokratieverständnis, das die SPD-Oberen in beiden Fällen zum Besten geben, ist in der Tat bemerkenswert. So mancher SPD-Stammwähler mag darüber ins Grübeln kommen und sich kritisch hinterfragen, ob er denn auch bei den nächsten Wahlen sein Kreuzchen wieder dort machen wird, wo er es immer gemacht hat. Vielleicht hat er jetzt aber auch die Faxen dicke und beschließt, aus Protest die AfD zu wählen. Mit dieser Entscheidung wäre er nicht alleine, denn abgesehen von dem gut gefüllten Reservoir der Nichtwähler, aus dem die AfD schöpfen kann, sind es die etablierten Parteien – allen voran die SPD –, die mit ihrer abgehobenen und alles andere als bürgernahen Politik der neuen Partei reihenweise Wähler zuführen. Die AfD-Führung kann sich darüber ins Fäustchen lachen, denn eigentlich hat sie es gar nicht nötig, selbst Wahlkampf zu betreiben – das besorgen schon die Anderen für sie. Zusätzlich werden mitunter vage und verallgemeinernd vorgetragene Positionen der AfD wie „Lügenpresse“ durch die erpresserische Vorgehensweise von Frau Dreyer gegenüber dem SWR konkretisiert und entsprechend untermauert. „Die Absage an die AfD“, so der Mainzer Politologe Karl Arzheimer, ermöglicht es dieser, sich als Opfer einer ganz großen Koalition von ‚Altparteien’ und Medien zu präsentieren.“

Um dieser Einschätzung des Politologen zu folgen, muss man kein AfD-Anhänger sein, es genügt der gesunde Menschenverstand. Und natürlich werden die Parteispitzen solche wie die von Frau Dreyer/SWR/MDR gelieferte Steilvorlagen nutzen, um ihren Unmut am herrschenden Politik-/Medienbetrieb zu bekräftigen. Bis zum 13. März ist noch Zeit. Wenn die Etablierten jedoch nicht schnellstens von ihrem hohen Ross der Selbstherrlichkeit herabsteigen, wenn sie mit medialer Unterstützung weiterhin ihren Schummelkurs fahren und meinen, das Volk trotz der Fülle drängender Probleme mit hohlen Phrasen abspeisen zu können – dann wird sich so mancher am Wahlabend erstaunt oder erschüttert die Augen reiben. Dann könnte es sein, dass im Politpoker in den drei Bundesländern die Karten völlig neu gemischt werden müssen. Dann könnte es sein, dass man nicht mehr umhin kommt, sich mit Vertretern der AfD an einen Tisch zu setzen. Nicht zu vergessen die Signalwirkung, die von diesen drei Landtagswahlen in Richtung Berlin ausgeht.

Nachtrag: Zurückrudern mit Lückenbüßer

Nachdem die Kungeleien zwischen Altparteien und öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten vor allem im Netz heftig kritisiert wurden, bekam man sowohl beim SWR als auch bei der SPD kalte Füße und ruderte zurück. So erklärte der SWR am Dienstagnachmittag (26. 01.), dass die „Elefantenrunde“ im Vorfeld der rheinland-pfälzischen Landtagswahlen wie geplant am 10. März mit Vertretern von CDU, SPD, Grüne, Linke, FDP und AfD stattfinden werde. Ein Sieg der Vernunft, sollte man meinen. – Keineswegs! Es ist der klägliche Versuch, noch einen Rest von politischem Anstand zu wahren, wenn SWR-Intendant Peter Boudgoust verkündet, wie froh er sei, dass die TV-Debatte „nach unserem Appell nun doch stattfinden kann“ und vollmundig hinzufügt. „Damit wird auch klar: Der SWR macht das Programm, und niemand anders“.

Sieh an, sehr interessant! Warum hat dann der Sender seine journalistische Unabhängigkeit und seine Oberhoheit über die Programmgestaltung nicht von Anfang an unmissverständlich deutlich gemacht? Warum hat man sich dem Erpressungsversuch von Frau Dreyer nicht gleich entschieden entgegengestellt? – Da die starrköpfige Noch-Landesmutter an ihrem Boykott festhält, richtete der Sender einen Appell an die SPD, sich der Diskussion nicht gänzlich zu entziehen und Ersatz zu schicken. Als Gesichtswahrer und Lückenbüßer zur Schadensbegrenzung darf jetzt SPD-Landeschef Roger Lewentz für Frau Dreyer in die Bresche springen. Ein Mann, den außerhalb des kleinen Bundeslandes im Südwesten kaum jemand kennt, darf jetzt als „Parteisoldat“ (eine in der SPD durchaus gängige Bezeichnung für jemand, der für die Partei etwas tut, was er eigentlich gar nicht tun will) seinen Kopf hinhalten. Fazit: Diese unschöne Affäre hat der SPD großen Schaden zugefügt. Lachende Dritte sind Julia Klöckner und – die AfD.

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