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Wie ehrlich ist Obamas Charme-Offensive in Kuba?

Von Peter Haisenko

Seit mehr als 50 Jahren wird Kuba von US-Embargos stranguliert. Daran hat sich auch mit dem Besuch des amerikanischen Präsidenten kaum etwas geändert. Hätten fairerweise nicht alle Embargos aufgehoben werden müssen, wenn man es mit der „Normalisierung der Beziehungen“ wirklich ernst meint? Wäre das nicht ein erstes wichtiges Signal gewesen für die Bereitschaft der USA, Kuba in naher Zukunft als souveränen Staat anzuerkennen? – Das ist nicht geschehen. Was also kann man erwarten von Obamas Charme-Offensive und welche Ziele verfolgt die US-Administration damit wirklich?

Eine eigenständige Entwicklung fand in Kuba nur während der letzten 50 Jahre statt. Allerdings war es dem Inselstaat in der Karibik nicht gegönnt, am allgemeinen Fortschritt teilzuhaben. Die umfassenden Embargos der USA haben verhindert, dass technische Fortschritte im selben Ausmaß wie anderswo ihren Weg auf die Insel finden durften. Umso größer muss die Bewunderung für dieses Land sein, weil es immerhin Spitzenplätze einnimmt, was die geringe Kindersterblichkeitsrate und die hohe Lebenserwartung betrifft. Auch der „regime-change“, der durch die US-Embargos erreicht werden sollte, hat nicht stattgefunden. Man könnte Kuba mit dem „kleinen gallischen Dorf“ vergleichen, das dem mächtigen römischen Imperium die Stirn bietet.

Kasino und Billigbordell reicher Amerikaner

Im 16. Jahrhundert wurde Kuba spanische Kolonie. Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es diverse Unabhängigkeitskriege, die dann im Zuge der Spanisch-Amerikanischen Kriege 1898 zum Verzicht Spaniens auf seine Ansprüche führte. Allerdings kam man vom Regen in die Traufe, denn jetzt hatten die USA Kuba besetzt. Erst 1902 erteilte Washington die formale Unabhängigkeit. Diese war jedoch keineswegs die volle Souveränität, denn sie war bis 1934 durch das Platt Amendment eingeschränkt, das den USA bei Beeinträchtigung US-amerikanischer Interessen ein jederzeitiges Interventionsrecht in Kuba gab. Ein Überrest dieser US-amerikanischen Sonderrechte ist der gegen den erklärten kubanischen Willen noch heute von den USA aufrechterhaltene Marinestützpunkt Bahía de Guantánamo (Guantánamo Bay), dessen Militärgefängnis infolge der Terroranschläge am 11. September 2001 internationale Bekanntheit erlangte. (Man vergleiche den Status der BRD. Auch die US-Militärbasen in Deutschland sind exterritoriales Gebiet.)

Keineswegs haben die USA 1902 Kuba die Unabhängigkeit aus uneigennützigen Motiven gewährt. Vielmehr lief schon damals das allgemeine Denken in Richtung Ablehnung jeden Kolonialstatus´ und das Platt Amendment war eigentlich nichts anderes als eine koloniale Herrschaft. Aber die Herren in Washington hatten erkannt, dass sie ein formal eigenständiges Kuba brutaler ausbeuten können. Daran änderte auch die Beendigung des Platt Amendments nichts, denn bis 1934 war Kuba in den Zustand der nahezu vollständigen Abhängigkeit – vor allem wirtschaftlich – geführt worden. Kuba und insbesondere die Hauptstadt Havanna war dann auch bis zur Revolution 1959 das Kasino und Billigbordell der reichen Amerikaner. (Man vergleiche den heutigen Status von Costa Rica.)

Die erhofften Effekte durch das Embargo blieben aus

Der Diktator Batista herrschte über Kuba mit Billigung und Unterstützung der Amerikaner und sorgte dafür, dass die Interessen der USA maximal gewährleistet waren. Folge: Die sozialen Unterschiede erreichten ein kaum mehr erträgliches Maß. So hatten Fidel Castro und Ché Guevara wenig Probleme, die Massen in Kuba von den Vorteilen eines nichtkapitalistischen Systems zu überzeugen, und errichteten 1961 mit der Deklaration von Havanna einen kommunistischen Staat. Damit gingen Enteignungen von US-Firmen und US-Bürgern einher, was den Amerikanern natürlich nicht schmeckte. Als „disziplinarische Maßnahme“ verhängte Washington ein nahezu vollständiges Embargo gegen Kuba – und das dauert bis heute an. Aufgrund ihrer Vormachtstellung in der westlichen Welt konnten die USA bis heute durchsetzen, dass sich weitgehend alle westlichen Staaten an dieses von den USA allein verhängte Embargo halten, obwohl es den eigentlichen Interessen anderer Staaten widerspricht. (Man vergleiche die Sanktionen gegen Russland oder Iran.)

Das Embargo hat seine Ziele nicht erreicht. Kuba ist nach wie vor kommunistisch und der Ausbeutung durch die USA entzogen. Allerdings könnte man sagen, dass der Armutsstatus Kubas durch die Isolierung eine gelungene Rache der USA ist für die Enteignungen und die Demütigung in der Schweinebucht. Am 17. August 1961 hatte die CIA den Versuch unternommen, die neue Regierung gewaltsam zu stürzen und war gescheitert. Wie üblich stritt die US-Regierung zunächst jegliche Beteiligung an diesem völkerrechtswidrigen Akt vor der UN ab, musste dann aber vier Tage später doch die volle Verantwortung zugeben.

Es geht um das System von Öl, Geld und Macht

Die USA versuchten wirklich alles, Castro zu vernichten. So stellten sie umgehend alle Öllieferungen ein und das hätte die Revolution beinahe zum Scheitern gebracht, denn die Stromversorgung auf der Insel war zu fast 100 Prozent auf Öl angewiesen. Die kubanische Revolutionsregierung gewann schließlich die UdSSR als neuen Erdöllieferanten. Nun wiesen die USA die US-amerikanischen Erdölraffinerien auf Kuba an, kein sowjetisches Erdöl zu verarbeiten. Diese Raffinerien verdankten ihre Monopolstellung einem Vertrag, der sie aber auch dazu verpflichtete, Erdöl unabhängig von dessen Herkunft zu verarbeiten. Die kubanische Regierung sah sich angesichts des Vertragsbruchs der Betreiberunternehmen dazu gezwungen, die Raffinerien unter staatliche Zwangsverwaltung zu stellen. Wir können an diesem Vorgehen der USA erkennen, dass sie routinemäßig die Ölwaffe einsetzen und – wo sie es können–, die Finanzwaffe. Diese ist nach wie vor das wesentliche Element des Embargos, denn der Zahlungsverkehr mit Kuba muss (bislang) wiederum auf Befehl der USA über den US-Dollar und US-Banken abgewickelt werden.

Gehen wir der Frage nach, warum die USA derart langfristig und rachsüchtig gegen Kuba handeln. Gut, man kann schon verärgert sein, wenn einem der Zugang zu Kasino und Billigbordell verweigert wird, aber das allein kann es nicht sein. Kuba kann keine ernste Bedrohung für die USA sein mit damals kaum 10 Millionen Einwohnern, denen immerhin mehr als 200 Millionen Amerikaner gegenüber standen – mit der gewaltigsten Militärmaschine der Welt im Rücken. Es muss um mehr gehen und das tut es auch, wie in anderen Teilen der Welt. Es geht ums System.

Die Angst vor einem menschenfreundlichen System

Die Herren des Geldes – und sie sind faktisch die Herren der USA und der westlichen Welt – können nicht zulassen, dass ein alternatives Modell dem Wohl der Menschen besser dienen könnte, als der reine Kapitalismus. Folglich muss jeder Versuch in diese Richtung zerstört werden. Auch die überaus erfolgreiche Soziale Marktwirtschaft der BRD wird seit 1990 Stück für Stück abgeschafft. Libyen, Irak, Iran und Syrien fallen in eine ähnliche Kategorie. Die Kapitalisten haben eine Heidenangst, dass ein menschenfreundlicheres System ihr System der Geldmacht und Ausbeutung überzeugend ablösen könnte. Was treibt also Obama an, gerade jetzt ein scheinbar freundliches Gesicht gegenüber Kuba zu zeigen?

Da haben wir natürlich den Wahlkampf. Die Stimmen der Exilkubaner können wahlentscheidend sein. Aber ich denke, das ist maximal die halbe Wahrheit. Spätestens mit dem Zweiten Weltkrieg haben die USA ein System entwickelt, Länder mit der Finanzwaffe unter ihre Kontrolle zu stellen. Sie drucken einfach Dollar und kaufen die Welt auf. So gehört beispielsweise etwa achtzig Prozent der deutschen DAX-Unternehmen dem angelsächsischen Kapital. Im postsowjetischen Russland unter Jelzin war der Aufkauf der russischen Nationalökonomie bereits weit fortgeschritten, bis Putin diesen aggressiven Finanzakt unterbunden hat. Auch Iran, Irak, Libyen und Syrien waren in der Lage, amerikanischen Finanzattacken zu widerstehen. Ebenso wie Kuba, das allerdings den Preis der Armut für diese Freiheit bezahlen muss, weil es kaum eigenes Öl hat.

Kubas Gefahr, in die Schuldenfalle zu laufen

Kuba konnte also auch nach 50 Jahren nicht bezwungen werden, aber der scheinbare Nachweis ist geführt worden, dass nur der Kapitalismus der Quell für Freiheit und Wohlstand sein kann. Ich sage scheinbar, denn Kuba musste unter irregulären Bedingungen wirtschaften, eben weil es keinen Zugang zu Technologien hatte, die den Rest der (kapitalistischen) Welt vorangebracht haben. Das gilt im Übrigen für alle Länder, besonders die kommunistischen, die mit Embargos an der Teilhabe zur Moderne gehindert wurden – auch die Staaten des Ostblocks, die mit wohldosierten Embargos stets an der Schwelle zur offenen Rebellion durch Armut kleingehalten worden sind. Was aber geschieht, wenn ein solches Land plötzlich Zugang zum freien Welthandel bekommt, kann an Russland beobachtet werden. Putin hat sein Land immerhin innerhalb von zehn Jahren soweit vorangebracht, dass sich der Wohlstand verzehnfacht hat, im Vergleich mit den Zuständen unter dem Westvasall Jelzin.

Die aktuelle Berichterstattung zur Entwicklung um Kuba verdreht wieder einmal die Tatsachen. Da wird von einer Öffnung Kubas gesprochen. Kuba war nie verschlossen, außer gegenüber Übergriffen des westlichen Kapitals. Es sind die USA, die sich gegenüber Kuba öffnen. Jetzt müssen die Kubaner genau aufpassen, dass sie in ihrer Euphorie über Westgüter nicht in die übliche Schuldenfalle laufen und damit doch noch ihre Souveränität verlieren. Ich vermute, hierin liegt der Plan Obamas. Er will Kuba einfach aufkaufen und so ebenso korrumpieren wie sein eigenes Land. Die Gefahr, in die Schuldenfalle zu laufen, ist außerordentlich groß, wenn sich Märkte schlagartig öffnen und Konsumenten Zugang zu Krediten erhalten, mit denen sie die lange vermissten und ersehnten Güter des Westens sofort erwerben können, ohne vorab Leistungen dafür erbracht zu haben. Die Kubaner müssen höllisch aufpassen, sonst werden auch sie in kürzester Frist unter der Kontrolle des angelsächsischen Kapitals stehen.

Wenn Obamas Charme-offensive ehrlich gemeint wäre, hätte er vorab alle Embargos aufheben müssen. Erst dann könnte man von einer ernstgemeinten Normalisierung der Beziehungen reden. So aber wird das alte Muster, das wir bereits aus den Versailler Verträgen nach dem Ersten Weltkrieg kennen, wiederholt. Es werden Vorleistungen gefordert, die den „Partner“ in eine aussichtslose Position bringen und letztlich den Untergang als eigenständigen Staat unausweichlich machen. Der Plan, in Kuba einen Regierungswechsel mit Embargos zu erreichen, ist gescheitert. Jetzt geht Obama zu Plan B über, der nichts anderes vorsieht, als Kuba mit Geld und guten Worten doch noch zu einem willigen Vasallen des US-Kapitals zu machen.

Nachsatz

Um das unmissverständlich klarzustellen: Ich bin und war niemals ein Freund jeglicher kommunistischer Systeme, insbesondere nicht der „real existierenden“. Dennoch plädiere ich für Fairness und Respekt gegenüber Andersdenkenden und das schließt ein, gesellschaftliche „Experimente“ nicht von vorn herein durch Embargos oder schlimmere Interventionen zum Scheitern zu verurteilen, nur weil jemandem die Richtung nicht passt oder er nicht in der Lage ist, mögliche positive Aspekte zu erkennen. Das System des Raubtierkapitalismus ist ebenso gescheitert wie das des Kommunismus. In diesem Sinn sollten die Entwicklungen abseits des angelsächsischen Modells mit Interesse aber auch Skepsis positiv begleitet werden. Jeder dieser Wege könnte zu einer friedlicheren und gerechteren Welt führen, auch wenn das nicht sofort für jeden erkennbar ist. Es dürfte unstreitig sein, dass eine Rückkehr zu humanistischem Denken besser für die Welt ist und so gebe ich eine letzte Bemerkung zur Weltwirtschaft allgemein und Kuba im speziellen:

Kuba, die Insel mit ihren jetzt gut 11 Millionen Einwohnern ist und war noch nie für irgendjemanden eine Bedrohung. Aber es eignet sich gerade deswegen bestens als Versuchslabor für alternative Gesellschafts- und Wirtschaftsformen. Wer folglich ehrlich gute Absichten hegt, im humanistischen Sinn, der sollte fast jeden Versuch unterstützen, Systeme abseits des gescheiterten Kapitalismus zu testen. Wir weisen hier auf unser Modell der Humanen Marktwirtschaft hin, das nicht nur in Kuba ein Weg in eine bessere Zukunft sein kann. Gerade in den reichen Ländern des Westens kann der Zusammenbruch des Kapitalismus mit allen seinen (wahrscheinlich) schrecklichen Folgen vermieden werden, wenn gerade noch rechtzeitig der Übergang zur Humanen Marktwirtschaft beschritten wird. Wie das gehen kann und wie schmerzlos das sein wird, lesen Sie bitte nach im Buch von Peter Haisenko und Hubert von Brunn: Die Humane Marktwirtschaft, Im Buchhandel oder direkt beim Verlag bestellen hier.

Das britisch-amerikanische (Welt-)Machtstreben hat im 20. Jahrhundert Millionen Leichen produziert. Auch Deutschland war nicht nur Täter, sondern auch Opfer. Das kann aber nur mit einer differenzierten Geschichtsbetrachtung erkannt werden und die finden sie im Werk von Peter Haisenko:  England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jahrhundert. Im Buchhandel oder direkt bestellen beim Verlag hier.

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