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Die neue Weltordnung 3.0 – Wer gewinnt Afrika?

Von Peter Orzechowski

Washingtons verdeckter Krieg gegen Peking findet nicht im Südchinesischen Meer statt, sondern in Afrika. Seit zehn Jahren sickern immer mehr US-Spezialkommandos in den Kontinent ein – vornehmlich im Kampf gegen den Terrorismus. Der wachsende militärische Einfluss der USA im Schwarzen Kontinent dient jedoch in Wirklichkeit zwei ganz anderen Zielen: Rohstoffquellen sichern und China zurückdrängen. Aus diesem Kampf um Einflusssphären wird auch der neue US-Präsident nicht herauskommen – es sei denn, er entscheidet sich für Kooperation statt Konfrontation.

In den Kelley Barracks im Stuttgarter Stadtteil Möhringen befindet sich eine der weltweit wichtigsten Befehls-Zentralen der USA: Das 2007 errichtete US-Einsatzführungskommando für den afrikanischen Kontinent (Africom). Von Stuttgart aus werden alle militärischen und strategischen Operationen in Afrika geführt. Die 1500-Mann-starke Kommandozentrale ist Teil der langfristigen Afrika-Strategie der Vereinigten Staaten, die auf Rohstoffsicherung und das Zurückdrängen Chinas zielt.

In den zehn Jahren seit der Gründung von Africom ist das Ausmaß der Entsendung von US-Spezialeinheiten auf den afrikanischen Kontinent ständig gestiegen. Zum Vergleich: Im Jahr 2006 – ein Jahr vor Gründung von Africom – wurde nur ein Prozent der weltweit eingesetzten US-Kommandotruppen in den Operationsbereich des US Africa Command entsandt. Im Jahr 2016 waren es hingegen bereits 17,26 Prozent aller ins Ausland entsandten US-amerikanischen Spezialeinheiten – unter ihnen auch Navy Seals und die so genannten Green Berets.

Die Zahlen basieren auf Informationen, die das „US Special Operations Command“ (USSOCOM) Ende Dezember 2016 an das Portal The Intercept übermittelt hatte. Damit rangiert Afrika global an zweiter Stelle, übertroffen nur vom Mittleren Osten.

Allein zwischen 2014 und 2016 – so Intercept – stieg die Zahl der US-Kommandos auf afrikanischem Boden von 700 auf 1700. Diese Spezialeinheiten seien in 33 afrikanischen Staaten im Einsatz gewesen – das entspricht 60 Prozent der insgesamt 54 diplomatisch anerkannten Staaten des Kontinents.

Wenige, aber wirkmächtige Groß-Stützpunkte

Bei der hohen Zahl dieser Einsätze ist es verwunderlich, dass die USA über nur wenige große Stützpunkte in Afrika verfügen. Da ist einmal Djibouti: Nach dem 11. September 2001 setzten sich die USA mit rund 2000 (heute vermutlich 5000) Soldaten in Djibouti in Nordostafrika fest, wo Frankreich schon seit der Kolonialzeit einen Stützpunkt besitzt. Der kleine Staat ist, geographisch gesehen, eine ideale Ausgangsbasis für Interventionsdrohungen sowohl gegen Jemen im Norden als auch Somalia im Süden.

In Djibouti wurde das Hauptquartier der US-amerikanischen Combined Joint Task Force – Horn of Africa errichtet, das unter dem Vorwand der Terroristenbekämpfung für die Überwachung der gesamten Region zuständig ist und dabei von Einheiten mehrerer NATO-Mitgliedsländer, unter anderem auch der Bundeswehr, unterstützt wird. Die Special Forces unterhalten den Stützpunkt Camp Lemonier, und ein Landungsschiff mit 600 Marines an Bord wurde dauerhaft vor der Küste stationiert. Auch die CIA operiert von Djibouti aus.

Bereits seit sechs Jahren setzen die US-Streitkräfte von Djibouti aus Aufklärungs-Drohnen im Kampf gegen die in Somalia operierenden Gotteskrieger ein. Nach Recherchen des US-Magazins Wire legten die unbemannten Flugkörper dort innerhalb von fünf Jahren 25.000 Flugstunden zurück. Nachdem im Jahr 2011 auch mit Raketen bestückte Drohnen, die sogenannten Reapers (Sensenmänner), nach Djibouti verlegt wurden, schlugen sie nach Angaben des Londoner Büros für investigativen Journalismus in Somalia mindestens neunmal zu. Dabei sollen insgesamt 170 Menschen getötet worden sein, unter ihnen auch 50 Zivilisten.

Der Schutz der Ölinteressen hat für die USA Vorrang

Neben Djibouti verfügen die USA seit 2007 auch über drei permanente Operations-Standorte, so genannte „Permanent Contingency Operating Locations“. Zwei davon befinden sich in Äthiopien, nämlich Bilate und Hurso, und eine in Manda Bay, Kenia.

Ferner richteten die US-Streitkräfte Anfang 2014 auch einen Drohnen-Stützpunkt in der Wüstenstadt Agadaz im Niger ein. Ein strategisch geschickt gewählter Ort, denn der Niger wird gleich von vier Operationsgebieten der angeblichen islamistischen Extremisten umgeben: Libyen und Algerien im Norden, Mali im Westen und Nigeria im Süden. Selbst der östlich angrenzende Tschad gilt als labil. Derzeit heben von dem US-amerikanischen Stützpunkt noch lediglich Aufklärungs-Drohnen ab. Das könnte sich allerdings bald ändern, verlautet aus dem US-Verteidigungsministerium.

Nach Angaben der BBC ließ die US-Regierung im Jahr 2007 zudem auf den Inseln São Tomé und Príncipe einen Militärhafen errichten, um ihre Ölinteressen zu schützen. Er soll auch Heimathafen eines neu zu schaffenden eigenen Flottenverbandes werden, der den Golf von Guinea und damit die Erdölausfuhr aus Nigeria kontrollieren würde. Der Vorschlag kam vom israelisch-amerikanischen Institute for Advanced Strategic & Political Studies, einer Einrichtung der Neokonservativen.

Ähnlich wie in den Gewässern um Nordostafrika und um die arabische Halbinsel sowie im südlichen Mittelmeer könnten amerikanische Kriegsschiffe einschließlich mindestens eines Flugzeugträger-Kampfverbandes („Carrier Strike Group“) – vielleicht wiederum unterstützt von anderen NATO-Partnern – hier dauerhaft vor den nordwestafrikanischen Küsten stationiert werden. Was das Gebiet um den Golf von Guinea – von Liberia bis Angola – so interessant macht, ist vor allem sein Reichtum an Erdöl, der überwiegend erst in den letzten zehn Jahren entdeckt wurde. Nirgendwo auf der Welt werden derzeit so schnell so viele neue Vorkommen gefunden wie hier. Fast 20 Prozent des von den USA eingeführten Erdöls kommt aus dem Raum rund um den Golf von Guinea.

Die Lily-Pad-Strategie

Bei diesen – im Vergleich mit Europa wenigen – US-Stützpunkten soll es bleiben. Das haben führende Militärs mehrfach gesagt. Der ehemalige Africom-Oberbefehlshaber General Carter Ham sagte zum Beispiel im September 2011: „Große Militärbasen sind nicht Teil unseres Plans.“ Sie sind strategisch gesehen in den heutigen Kriegen nicht mehr relevant und müssten durch viele kleine Operationsbasen ersetzt werden.

Diese „Lily Pads“ hat US-Generalstabchef Martin Dempsey im September 2015 Journalisten auf einem Flug nach Europa mit blumigen Worten beschrieben – und damit gleichzeitig die neue Militärstrategie der Vereinigten Staaten. Der Vier-Sterne-General sprach im Flieger unter anderem über Teichrosen und Amphibien – allerdings mit einer tieferen Bedeutung. Wie Frösche auf dem Gartenteich könnten US-Soldaten von einem Seerosenblatt zum nächsten hüpfen. Auf diese Weise könnten Spezialeinsatzkräfte flexibel und schnell auf die Lage an den Brennpunkten reagieren – zum Beispiel durch die Entsendung von Militärberatern, die Abordnung von Kommandoeinheiten oder durch den Start von Aufklärungs- oder Kampfdrohnen.

Anstatt riesiger Kasernenstädte in Europa sollen diese sogenannten Seerosenblätter (englisch: „Lily Pads“) näher an die Konfliktregionen heranrücken. Im Gegensatz zu den bisher genutzten Einrichtungen sind die neuen Basen unauffällige, kleine Militärstützpunkte. Sie sind nur mit dem Nötigsten ausgestattet und müssen weitgehend auf sich allein gestellt agieren. Diese spartanisch eingerichteten Basen sind im Aufbau und Unterhalt deutlich billiger als die früheren Großanlagen. Zudem bleiben die neuen Stützpunkte für die breite Öffentlichkeit unter dem Radar. Damit entgeht die US-Armee nicht nur Protesten von Anwohnern. Weil anonyme Basen nur wenig symbolisches Gewicht ausstrahlen, dürfte auch die Anschlagsgefahr vor Ort deutlich sinken.

Militärstrategen verweisen darauf, dass sich die US-Army in eine Art Expeditionskorps wandelt, flexibel aufgestellt und mit vielen Stützpunkten in allen Winkeln der Welt.

Afrika ist inzwischen „Front und Zentrum“

Zurück zu Afrika. Operationell sei eigentlich der gesamte Kontinent abgedeckt, sagte der bereits zitierte Africom- Chef Carter Ham kurz vor seiner Pensionierung Anfang 2014 vor dem US-Kongress. „Für das Pentagon ist Afrika inzwischen Front und Zentrum“, sagt Rudolph Atallah, ehemaliger Pentagon-Direktor für die Terrorbekämpfung in Afrika: „Der kleine Fußabdruck, den wir einst auf dem afrikanischen Kontinent hatten, hat sich gewaltig ausgedehnt.“

Und Trump? Wie will der neue US-Präsident das Engagement seines Militärs in Afrika zurückfahren, wo es doch um die Sicherung von Ressourcen geht? Kann er Truppen zurückholen und Stützpunkte auflösen, wenn dadurch sein größter globaler Konkurrent noch mehr Einfluss auf den schwarzen Kontinent gewinnt? Ich glaube, solange die USA in China ihren Widersacher sehen, der ihnen ihre Weltmachtstellung streitig macht, solange wird es Aufrüstung – besonders auch in Afrika – geben. Und nur davon träumt die Rüstungsindustrie.

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