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Willkommene Partnerschaft mit Vera Lengsfeld

Seit den 1970-er Jahren war Vera Lengsfeld in der ehemaligen DDR aktiv in der Opposition gegen das SED-Regime. Sie engagierte sich in der Friedens- und Umweltbewegung, was ihr zwei Parteiverfahren wegen Mitarbeit in der Bürgerrechtsbewegung einbrachte; Ausschluss aus der SED, Berufsverbot, Reiseverbot, einen Monat Haft und schließlich Abschiebung in den Westen. 1990 gehörte Lengsfeld der letzten frei gewählten Volkskammer der DDR an, von 1990 bis 2005 dem Deutschen Bundestag.

Heute betätigt sie sich als streitbare Kolumnistin in verschiedenen Medien und betreibt einen eigenen Blog im Netz. Mit ihren klugen Beiträgen steht sie für kritischen, unabhängigen Journalismus jenseits des Mainstreams. Auf der Basis dieses übereinstimmenden Selbstverständnis’ werden wir künftig Beiträge von Vera Lengsfeld bei anderweltonline übernehmen – und umgekehrt. Damit wollen wir vice versa noch mehr Leser auf unsere journalistische Arbeit aufmerksam machen.   vera-lengsfeld.de

Eine Farce namens Jamaika

Von Vera Lengsfeld 

Erstveröffentlichung auf:   vera-lengsfeld.de/2017/10/11/eine-farce-namens-jamaika/

Soll man es als schlechten Scherz oder als bezeichnend empfinden, dass die angedrohte neue Regierungskoalition nach einem karibischen Inselstaat genannt wird, einer parlamentarischen Monarchie, die vor allem für ihre sozialen und wirtschaftlichen Probleme bekannt ist?

Jamaika hat eine der höchsten Kriminalitätsraten der Welt, eine zerfallende Infrastruktur und Banden, die von Drogenhandel und Schutzgelderpressung leben, beherrschen die zahlreichen No-Go-Areas des Landes. Als Ausgleich dafür ist der Gebrauch von Marihuana entkriminalisiert, damit sich das Leben leichter ertragen lässt. Wer es trotzdem unerträglich findet, wandert aus. Ist dies der Zustand, in den Deutschland endgültig gebracht werden soll? Jamaika ist voll multikulti, was Deutschland ganz offensichtlich jetzt auch werden soll.

Von den Medien wird diese Koalition sehnsüchtig herbeigeschrieben, wobei die Autoren, wenn ihre Wünsche in Erfüllung gehen sollten, sich in streng bewachte Wohlstandsinseln zurückziehen oder auswandern werden.

Meines Wissens hat es das in der bundesdeutschen Geschichte noch nie gegeben: Die Verhandlungen haben noch nicht begonnen, da sind laut Medienberichten unter den kleinen Partnern schon informelle Vereinbarungen über die Ressort-Aufteilung getroffen worden. Für die Grünen das Außenministerium und ein Superministerium für Umwelt, Verbraucherschutz und Energie, für die FDP das Finanzministerium mit erweiterten Kompetenzen. Damit wird für alle, die sehen wollen und denken können, deutlich, worum es geht: Das schwarz-gelb-grüne „Zukunftsprojekt“ dient vor allem der Verteilung der staatlichen Pfründe. Allzu lange waren die Grünen und die FDP von den Regierungsprivilegien abgeschnitten. Jetzt können sie es kaum erwarten, endlich dran zu kommen. Besonders ungeduldig scheint Cem Özdemir zu sein, der immer wieder öffentlich auf den Beginn der Verhandlungen drängt.

Kanzlerin Merkel hat die Gespräche allerdings verzögert, bis es nicht mehr ging. Eigentlich war Schweigen vorgesehen, bis das Ergebnis der Niedersachenwahl feststeht. So handelt nur, wer vor den Wählern etwas zu verbergen hat.

Als sich in den Umfragen abzeichnete, dass die CDU keineswegs als strahlende Siegerin hervorgehen würde, sondern sich vielleicht sogar mit Platz zwei hinter der SPD begnügen muss, wurde der politische Druck zu groß. Um nicht geschwächt in die Verhandlungen mit der CSU gehen zu müssen, wurde der Obergrenzen-Kompromiss noch vor der Niedersachsen-Wahl gezimmert. Damit begann eine Diskussion, die eigentlich vermieden werden sollte.

Ausgerechnet Jean-Claude Juncker demaskierte das Unions-Verhandlungsergebnis, indem er seine Sprecherin in Brüssel den Kompromiss von CDU und CSU zur Flüchtlingspolitik ausdrücklich begrüßen ließ: „Wir sehen es als extrem positiv an, dass ein Land, das bereits mehr als eine Million Flüchtlinge aufgenommen hat, sich jetzt bereit zeigt, weitere 200.000 Personen pro Jahr willkommen zu heißen.“

Die CSU fühlte sich getroffen (oder am Ende gar der Wählertäuschung überführt?) und ließ ihren Generalsekretär Scheuer bellen: „Erst mischt sich der Kommissionspräsident mit „Mehr Europa“-Träumereien in den Bundestagswahlkampf ein. Jetzt kommt wieder eine böswillige Falschinterpretation des CDU/CSU-Regelwerks durch die EU-Kommission.“ Böswillig? Nein, Juncker hat nur ausgesprochen, was wirklich geplant ist. Wobei er unerwähnt gelassen hat, dass es laut Vereinbarung jederzeit auch mehr als 200 000 Einwanderer werden können.

Den Grünen ist dieses weit offene Einwanderungstor allerdings noch nicht genug. Sie wollen millionenfache Einwanderung, sofort. Der Hebel dafür ist der so genannte Familiennachzug. Nur mit Familien könne die Integration gelingen. Wahrscheinlicher als eine Integration ist allerdings eine beschleunigte Subkultur-Bildung, deren verheerende Folgen heute schon in Frankreich oder Schweden zu begutachten sind.

Selbst Boris Palmer hält die fiktive 200 000-Obergrenze für zu niedrig. Seit die Union ihren Scheinkompromiss der Öffentlichkeit präsentiert hat, machen die Grünen dagegen Front auf allen Kanälen. Sie sind zwar von 91% der Wähler nicht gewählt worden, gebärden sich aber, als müssten sie die Richtlinien der zukünftigen Koalitionspolitik festlegen.

Unterstützt wird das von Kanzlerin Merkel, die schon vor den Sondierungsgesprächen die Bildung einer Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen vorwegnimmt: „Wir haben einen Wählerauftrag, mit dem wir umgehen müssen“, sagte Merkel den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Es sei die „gemeinsame Verantwortung, ja unsere Pflicht, daraus eine Regierung zu bilden“.

Das ist einfach nur grotesk: Eine Partei, die als letzte in den Bundestag einzog, hat alles andere, als einen Regierungsauftrag. Auch die FDP ist von 89% der Wähler nicht gewählt worden. Sie kann aus ihrem Wiedereinzug in den Bundestag einen klaren Wählerauftrag ableiten. Der lautet aber ganz bestimmt nicht, alle Wahlversprechen fallen zu lassen und koste, was es wolle, in die Regierung einzutreten und damit Merkels Kanzlerschaft zu verlängern.

Ein Neuanfang sieht anders aus. Christian Lindner sollte sich klar machen, dass die Wähler gerade bei der FDP sehr genau hinschauen werden, was die Partei, der sie noch einmal eine Chance gegeben haben, umsetzt.

Lindner hat einen Untersuchungssausschuss wegen der ungesetzlichen Grenzöffnung 2015 versprochen. Der Eintritt in eine Regierung Merkel ist damit nicht vereinbar. Außerdem hat er für eine zügige Abschiebung von Kriminellen plädiert und von allen, die keine Bleibeperspektive haben. Das wäre in einer schwarz-gelben Regierung schon kaum durchzusetzen gewesen, mit den Grünen ist das ganz unmöglich. Wenn aber mit den Grünen, wenn man den einschlägigen Medienberichten trauen darf, in Hinterzimmern bereits die Ressort-Verteilung ausgekungelt wurde, scheinen diese Grundsätze bereits über Bord geworfen worden zu sein. Hat Lindner aus dem Scheitern von Guido Westerwelle wirklich nichts gelernt?

Außer der „Flüchtlings“frage gibt es noch andere Unvereinbarkeiten zwischen den künftigen Regierungspartnern. Davon wird im nächsten Beitrag die Rede sein.

Eine Farce namens Jamaika (2)

Von Vera Lengsfeld

Erstveröffentlichung auf: vera-lengsfeld.de/2017/10/12/eine-farce-namens-jamaika-2/

Seit Tagen trommeln die Medien für eine Regierungskoalition, die undenkbar sein müsste, wenn es den Altparteien um Inhalte und Positionen ginge. Aber es geht nur noch um Posten.

Nicht nur in der „Flüchtlings“frage liegen die zukünftigen Koalitionäre verbal konträr zueinander, auch in der Umwelt- und Energiepolitik wären ihre Positionen nicht vereinbar, wenn sie sich selbst ernst nehmen würden. Aber gehandelt wird längst nach dem Motto: „Was stört mich mein Geschwätz von gestern?“

Was hat Christian Lindner, der offenbar bereit ist, mit den Grünen „Regierungsverantwortung“ zu übernehmen, gestern noch gesagt? Da hielt er die „Energiewende“, konkret das EEG, für komplett gescheitert: „Von wegen Reform – das EEG muss weg.“

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist aber nicht nur ein Lieblingskind der „Klimakanzlerin“, als die sich Merkel unter anderem profilieren wollte, sondern absolut unverhandelbar mit den Grünen. Die wollen auf dem Irrweg noch schneller voranschreiten, mit Verbot des Verbrennungsmotors und der staatlich geplanten Durchsetzung von E-Mobilität, ungeachtet der Umweltschädlichkeit dieser Vorhaben.

Lindner hat 2014 richtig das Ende dieser staatlichen Planwirtschaft gefordert. Das Jahrhundertprojekt „Energiewende“ hätte nicht zu den gewünschten Zielen geführt, sondern lediglich bewirkt, dass Deutschland neben Italien die höchsten Industriestrompreise der EU hat. Arbeitsplätze und Investitionen würden zunehmend ins Ausland verlagert. Konventionelle Kraftwerke könnten nicht mehr rentabel betrieben werden, Stromanbieter zögen sich vom Markt zurück. Kohle- und Gaskraftwerke müssten staatliche Zuschüsse erhalten. Statt auf Wirksamkeit, bezahlbare Preise und Versorgungssicherheit zu achten, orientiere sich Deutschland einseitig und geradezu religiös überhöht auf den Klimaschutz.

Mit den Grünen, die sich in den letzten Jahren so radikalisiert haben, dass selbst Gewerkschaftsfunktionäre sie inzwischen als eine ernste Gefahr für den Industriestandort Deutschland ansehen, kann eine ernsthafte FDP keine gemeinsame Politik anstreben.

Kürzlich brachte es der mächtige Chef der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Michael Vassiliadis, in einem Interview mit der Rheinischen Post auf den Punkt: „Die Grünen haben sich in der Opposition radikalisiert und sind zu einer Ausstiegspartei geworden – nach Atomkraft wurde die Braunkohle zum Feind Nummer eins erklärt und neuerdings auch noch der Verbrennungsmotor.“

Auf die Frage nach der Forderung der Grünen, die zwanzig „dreckigsten“ Kohlekraftwerke abzuschalten, um beim Diesel Zugeständnisse zu erreichen, antwortete der Gewerkschaftschef:

„Ich kann nur davor warnen, es zu solchen Deals kommen zu lassen. Ein derart profanes Geschachere wäre ein fatales Signal für die Jamaika-Konstellation. Würde man 20 Braunkohlekraftwerke auf einmal aus dem System nehmen, wären alle Gruben sofort unwirtschaftlich. Die wegfallenden Kapazitäten müsste man durch das Hochfahren deutlich teurerer Gaskraftwerke kompensieren. Für einige energieintensive Industrien wären diese höheren Kosten aber durchaus existenzbedrohend. Hinzu kommt, dass man größere Netzschwankungen in Kauf nehmen müsste.“

Bei den Jamaika-Verhandlungen wird eine andere Obergrenze, als die für „Flüchtlinge“ eine Rolle spielen. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat eine Obergrenze für den Ausstoß an Treibhausgasen, den Kohlekraftwerke in Deutschland überhaupt noch produzieren dürfen, gefordert.

Für Vassiliadis kein guter Plan, denn „ er folgt dem bekannten Muster deutscher Klimapolitik: Haarklein vorgegebene Abschaltziele durchsetzen zu wollen. Wer weitere Kraftwerke vom Netz nehmen und Ausstoßobergrenzen festlegen will, der muss gleichzeitig Alternativen präsentieren, wenn das System nicht kollabieren soll. Und da höre ich seit Jahren herzlich wenig. Klar ist: Die Erneuerbaren werden uns noch über Jahrzehnte nicht allein versorgen können.“

So viel Realitätssicht ist bei den Koalitionsverhandlungen nicht zu erwarten, schließlich sollen sich FDP und Grüne schon vor den eigentlichen Verhandlungen auf die zu besetzenden Ministerposten geeinigt haben.

Allerdings wird es nicht mehr möglich sein, wie bei den Verhandlungen zur GroKo 2013, einfach alle Forderung der Partner in die Vereinbarung zu schreiben. Man darf also gespannt sein, welche rhetorischen Verrenkungen gefunden werden, um die unüberbrückbaren Gegensätze zu vertuschen.

Es sei noch einmal daran erinnert, dass von 91% der Wähler die Grünen nicht gewählt worden sind. Also dürften sich ihre Forderungen nur sehr spärlich im Koalitionsvertrag wiederfinden.

Da Jamaika aber lediglich das Weiterregieren von Kanzlerin Merkel sichern soll, die selbst keinerlei Überzeugungen hat, die sie über Bord werfen könnte, wird es von der Union weitreichende Zugeständnisse an die Grünen geben. Das heißt, die zerstörerische Geisterfahrt „Energiewende“ wird fortgesetzt, bis zum Blackout, von dem man weiß, dass er kommen wird, nur noch nicht wann.

Ähnliches ist von der aus dem allgemeinen Blickfeld geratenen „Eurorettung“ zu erwarten, deren Auswirkungen sich hinter dem Rücken der Öffentlichkeit zu einem Problemberg aufgetürmt haben, der nur mit einer energischen Umsteuerung bewältigt werden könnte. Von Lindner weiß man, dass er den Eurorettungs-Skeptikern in seiner Partei ablehnend gegenübersteht und nicht daran denkt, ihre Konzepte auch nur in Erwägung zu ziehen.

Nein, das „Zukunftsprojekt“ Jamaika wird nicht darauf angelegt sein, unsere Zukunft zu sichern, sondern die Merkelsche „Alternativlosigkeit“ bis zum bitteren Ende fortzusetzen.

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