Flughafen Tegel: Unseriöse Wählerbeeinflussung mit Steuergeldern
Von Hubert von Brunn
Die Hauptstädter sind am heutigen Sonntag aufgerufen, in der Wahlkabine noch ein drittes Kreuzchen zu machen. Dabei geht es um den Volksentscheid zur Offenhaltung des Flughafens Tegel, auch nachdem der unsägliche BER irgendwann einmal in Betrieb gegangen sein wird. Hier fordert die von der Berliner FDP initiierte Kampagne den Senat dazu auf, „sofort die Schließungsabsichten aufzugeben und alle Maßnahmen einzuleiten, die erforderlich sind, um den unbefristeten Fortbetrieb des Flughafens Tegel als Verkehrsflughafen zu sichern“: JA; NEIN.
Nachdem das von FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja gestartete Volksbegehren deutlich mehr als 240.000 Unterschriften eingesammelt hatte und damit die Legitimation für einen Volksentscheid gegeben war, reagierte der Rot-Rot-Grüne Senat postwendend in der im linken Lager weit verbreiteten Manier: Wir sind natürlich für direkte Demokratie, für mehr Bürgerbeteiligung und damit natürlich auch für mehr Volksentscheide – aber nur, wenn das Ergebnis uns in den Kram passt. Sollte das blöde Volk mehrheitlich anderer Meinung sein, werden wir das ignorieren. So sinngemäß die spontanen Stellungnahmen des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller und seiner R2G-Truppe auf den aus ihrer Sicht total unerfreulichen Ausgang des Volksbegehrens. Nach heftiger Medienschelte von allen Seiten ruderte man dann zurück und räumte ein, man wolle den Willen des Volkes selbstverständlich respektieren. Immerhin haben sich wenige Tage vor der Wahl in einer Umfrage 55 Prozent der Berliner für die Offenhaltung Tegels, 39 Prozent dagegen ausgesprochen.
430.000 Euro für zweifelhafte bis falsche Behauptungen
Um den Volksentscheid aber doch noch in die „richtige Richtung“ zu beeinflussen, zeigte sich der Senat entschlossen, alle Register zu ziehen – koste es, was es wolle. Und es hat gekostet, schlappe 430.000 € aus dem Landeshaushalt für die Herstellung und den Versand eines Briefes an „Liebe Berlinerinnen und Berliner“. Dieses in seiner Diktion höchst manipulative und mit zweifelhaften bis falschen Behauptungen gespickte Schreiben an rund zwei Millionen Haushalte hätte eigentlich schon im August unters Volk gebracht werden sollen, und zwar durch ein privates Unternehmen. Das hätte „nur“ 180.000 € gekostet, doch der Senat hatte die erforderliche Ausschreibung verschlafen und musste schließlich auf den letzten Drücker den Brief in Eigenregie produzieren und verschicken. Dass die ganze Aktion damit um eine Viertelmillion Euro teurer wurde: So what! Es sind ja nur Steuergelder.
Die Initiative „Berlin braucht Tegel“ hält die Werbeaktion des Senats wegen Verwendung staatlicher Mittel für rechtswidrig und wollte deshalb mit einem Eilantrag am Verwaltungsgericht Berlin den Versand des Briefes stoppen. Das Gericht hat den Antrag abgeschmettert und damit den strategischen Vorteil derer, die – im Gegensatz zu der Antragstellerin – zur Durchsetzung ihrer Interessen ungefragt Steuergelder verballern dürfen, untermauert. Die Begründung für diesen Gerichtsentscheid ist einmal mehr juristische Rabulistik und für den gesunden Menschenverstand nicht nachvollziehbar.
Wo aber bleibt die Justiz, muss man sich fragen, wenn in einem Brief des Senats, in dem die Bevölkerung dazu aufgerufen wird, beim Volksentscheid Tegel mit NEIN zu stimmen, fadenscheinige bis nachweislich falsche „Argumente“ vorgetragen werden? – Sanierungskosten von über 1 Milliarde Euro. Wer sagt das, worauf bezieht sich diese Zahl? Unabhängige Gutachter kommen zu ganz anderen Ergebnissen. Abgesehen davon: Wenn der BER voraussichtlich 2020 in Betrieb geht, wird er bereits zu klein sein. Berlin wächst rasant, dementsprechend steigen die Passagierzahlen und bis 2040 werden 58 Millionen Passagiere erwartet. Der dafür notwendige Ausbau des neuen Flughafens würde nach heutiger Schätzung 2,3 Milliarden Euro kosten. Dass es dabei nicht bleiben würde, wissen wir aus der bisherigen Geschichte des Pleiten-Pech-und Pannen-Airports. Ganz zu schweigen davon, dass zur Bewältigung dieses Passagieraufkommens eine dritte Start- und Landebahn erforderlich wäre. Eine Genehmigung dafür wird aber kaum zu bekommen sein, weil sie viel zu nah an die vorhandene Wohnbebauung heranrücken würde. – Über diese Fakten werden die Berliner, die mit NEIN stimmen sollen, nicht aufgeklärt.
Viele Behauptungen des Senats halten einem „Faktencheck“ nicht Stand
Ebenso wenig wie über die Tatsache, dass die Verkehrsanbindung nach Schönefeld schon heute unzureichend ist. Zwar führt eine S-Bahnlinie dorthin, aber der geplante Bau einer U-Bahnlinie wurde gestoppt, und auch den Weiterbau einer zweiten Autobahn, der A 100, wollen die Grünen verhindern. Na bravo. Dann bleibt wohl nichts anderes übrig, als einen Helikopter-Shuttle in die City einzurichten. Wer es sich leisten kann?!
Die hanebüchenste Behauptung in dem Senatsbrief ist, dass die Offenhaltung Tegels „ein erhebliches Risiko für den Flughafen BER“ sei und im schlimmsten Fall „Berlin gar keinen genehmigten Flughafen mehr“ hätte. Ein solches Szenario ist absolut undenkbar und wie der frühere Präsident des Berliner Verwaltungsgerichtshofs, Helge Sodan, auf eine Podiumsdiskussion vor wenigen Tagen konstatierte, „schlichtweg unrichtig“.
Für beide Positionen – Offenhaltung oder Schließung – von Tegel Airport gibt es gute Gründe, die sorgfältig gegeneinander abgewogen werden müssen, um das bestmögliche Ergebnis für die Berliner und die Zukunft der Stadt zu erreichen. Darüber wurde in allen großen Medien ausführlich berichtet, so dass wir an dieser Stelle darauf verzichten können. Auch die rechtliche Situation ist gewiss nicht unkompliziert. Doch im Gegensatz zum Berliner Senat sehen viele Juristen die grundsätzliche Möglichkeit eines Weiterbetriebs als durchaus gegeben. Wer sich darüber eingehend informieren möchte, kann das nachlesen in einer Ausarbeitung (WD 7 – 3000 – 066/13) der Wirtschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zum Thema: „Voraussetzungen für die Weiterführung des Flughafens Berlin-Tegel“ www.bundestag.de/blob/405502/.../wd-7-066-13-pdf-data.pdf
Bleibt festzuhalten: Der teure Senatsbrief ist ausgesprochen manipulativ und viele der darin vorgetragenen Behauptungen können einem objektiven „Faktencheck“ nicht standhalten. Wieder einmal offenbart sich hier ein sehr merkwürdiges, um nicht zu sagen bizarres Demokratieverständnis der Regierenden. Wenn sich die Umfrageergebnisse bestätigen und die Berliner mehrheitlich für die Offenhaltung von Tegel Airport votieren – wovon ich persönlich ausgehe – wird sich zeigen, wie ernst die rot-rot-grünen Weltverbesserer Volkes Stimme wirklich nehmen. Dann müssen sie Bekenntnis ablegen zur Kardinalfrage: Was zählt mehr – Ideologie oder Demokratie? Man darf gespannt sein.
Hier können Sie sich ein eigenes Bild machen: Senatsbrief als PDF hochladen, hier klicken.