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In der Hauptstadt jagt ein Justizskandal den anderen – den zuständigen Senator (Grüne) ficht das alles nicht an

Dirk Behrend, Quelle: Wikipedia

Von Hubert von Brunn  

Gäbe es eine Art Oscar für den unfähigsten Politiker im Lande – vielleicht in Form eines rostigen Nagels – hätte eine Jury wohl ziemliche Probleme, unter der großen Zahl der Nominierten den Sieger auszuwählen. Ganz weit vorne mit dabei wäre aber ganz gewiss Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). In der Hauptstadt jagt ein Justizskandal den anderen, doch den obersten Dienstherrn ficht das alles überhaupt nicht an. Jegliche Kritik perlt an ihm ab und seine Antworten auf Anfragen sind kurios bis bizarr.

In Berliner Gefängnissen wird der „Tag der offenen Tür“ für verurteilte Straftäter allmählich zur Gewohnheit. Tausende von Handys sind in den Zellen in Betrieb, damit die Insassen von hier aus ihre kriminelle Machenschaften draußen munter weiter betreiben können. Ein zu lebenslanger Haft plus Sicherungsverwahrung verurteilter Mehrfach-Mörder bekommt ohne weiteres Freigang und kann ohne Aufsicht tun und lassen, was er will. Ein Kinderschänder (30-facher Missbrauch eines Jungen) kommt mit zwei Jahren auf Bewährung und 1.000 € Geldstrafe davon. Kein normaler Bürger, der wegen einer läppischen Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr gnadenlos an den Kanthaken genommen wird, kann diesen Schlendrian von Wachpersonal, Staatsanwaltschaft, Richtern und erst recht nicht des dafür politisch Verantwortlichen im Umgang mit Schwerverbrechern nachvollziehen. Man fragt sich vielmehr, wie es sein kann, dass ausgerechnet Gefängnisse zunehmend zu rechtsfreien Räumen werden.

„Tag der offenen Tür“

Über den Jahreswechsel sind innerhalb weniger Tage neun Häftlinge aus Vollzugsanstalten ausgebüchst, bzw. vom Freigang nicht mehr zurückgekommen. Inzwischen sind sie wieder dort, wo sie hingehören: mache gefasst, die meisten freiwillig. Wahrscheinlich ist Letzteren der Service im gut beheizten Knast mit bequemem Bett und regelmäßigen Mahlzeiten auf Staatskosten doch angenehmer erschienen, als die Tage und Nächte auf den Straßen Berlins ohne Geld in der Tasche zu verbringen. Vor wenigen Tagen haben sich aber schon wieder zwei als gefährlich eigestufte Verbrecher selbst in die Freiheit entlassen und es wird nicht lange dauern, bis wir von Nachahmern erfahren. Mit ein wenig Geschick und entsprechender krimineller Energie lassen sich die Gefängnismauern in der Hauptstadt offensichtlich ohne größere Anstrengung überwinden. In der JVA Plötzensee soll jetzt der zu niedrig geratene Zaun um das Gelände mit Stacheldraht erhöht werden. Großartige Idee! Stellt sich die Frage, warum man darauf nicht schon früher gekommen ist.

Handys sind in Berliner Gefängnissen Gang und Gäbe

Mobiltelefone sind in Gefängnissen grundsätzlich verboten. Möglicherweise gibt es Strafanstalten in Deutschland, in denen dieses Verbot auch weitgehend durchgesetzt wird. In Berlin ist das definitiv nicht der Fall. Eine Anfrage der „Berliner Morgenpost“ bei der Justizverwaltung hat ergeben: Im vergangenen Jahr wurden in Berliner Gefängnissen bei Durchsuchungen 1.303 Handys gefunden, 2016 waren es mit 1.364 sogar noch ein paar mehr. Aus diesem niederschmetternden Ergebnis konstruiert Justizsenator Behrendt eine Erfolgsstory: „Dass wir so viele Telefone finden, zeigt, dass unsere Kontrollen funktionieren“, sagte er der Zeitung. – Ist der Mann noch zu retten? Kein einziges Handy hätte gefunden werden dürfen, wenn in den Knästen Rechtsstaatlichkeit herrschte. Es ist eine einzige Bankrotterklärung für die „Sicherheitseinrichtungen“, die es gestatten, dass Freunde und Bekannte, Familienmitglieder, aber auch Anwälte und Wachpersonal – gegen Bakschisch – diese Geräte (und auch Drogen) einschmuggeln. Hinzu kommen die von freundlichen Unterstützern offenbar unbemerkt über Zäune und Mauern geworfenen Wohlfühl-Artikel für Häftlinge. Wenn wir jetzt die Zahl der sichergestellten Handys hochrechnen, ist davon auszugehen, dass letztlich jeder Knacki jederzeit Zugriff auf ein Mobiltelefon hat.

Wenn die Beamten im Strafvollzug – zugegebenermaßen auch wegen eklatanten Personalmangels – nicht in der Lage sind, diesem Missstand entgegenzutreten, so gibt es doch Möglichkeiten, so genannte Handyblocker. Technische Einrichtungen, mit denen man die Funktionsfähigkeit von Mobiltelefonen für einen bestimmten lokalen Bereich verhindern kann. Über die Einwände der Datenschützer will ich mich nicht auslassen; die Geschichte als solches ist schon absurd genug. Dann kommt das Argument: Kosten. Ja, so eine Handyblocker-Installation kostet rd. 2,3 Mio. Euro. Das ist nicht wenig, aber im Interesse der Allgemeinheit keine Größenordnung, die nicht zu bewältigen wäre. 2,16 Milliarden Euro hat der Berliner Finanzsenator im letzten Jahr Plus gemacht, weil die Stadt wächst, die Wirtschaft brummt und der Tourismus seit Jahren boomt. Für den Umbau der Hauptstadt in ein Radfahrer-Paradies mit grün angepinselten Radwegen, die von den Kampffahrern sowieso nie benutzt werden, ist der R2G-Senat bereit, Millionen zu investieren. – Dann macht lieber ein paar Radler-Schnellspuren weniger und sorgt dafür, dass in den Berliner Knästen wieder Rechtsstaatlichkeit einkehrt.

Doch der Irrsinn geht weiter. Noch in diesem Monat will die Justizverwaltung die Häftlinge in der JVA Heidering mit 35 Tablet-Computern (!) versorgen. Bei einer „anwendungsbezogenen Prüfung hat ein Sicherheitsmitarbeiter der JVA allerdings festgestellt, dass er mithilfe seines Mobiltelefons die Tablets so manipulieren kann, dass damit alle Internetseiten aufgerufen werden können – auch die, die für die Häftlinge eigentlich gesperrt sein sollten. Und da so gut wie jeder Häftling ein Handy in der Zelle hat – Einschätzung eines frustrierten JVA-Beamten – ist davon auszugehen, dass die Tablets dort dann eben auch entsprechend manipuliert werden. „Die an die Bediensteten ausgegebenen Tablets waren noch nicht abschließend für die Ausgabe an Gefangene konfiguriert“, kommentierte die Justizverwaltung lapidar diese eklatante Sicherheitslücke.

Ein verurteilter Dreifachmörder spaziert 215 Tage im Jahr unbehelligt durch die Gegend

Rufen wir uns doch kurz einmal in Erinnerung, was Gefängnis eigentlich bedeutet/bedeuten sollte. Dort sind Menschen für eine bestimmte Zeit hinter hohen Mauern und unter Bewachung in einer Zelle eingesperrt als Sühne für begangene Verbrechen. Diese von einem Gericht verhängte Strafe soll den Täter zum Nachdenken bringen und letztlich dazu erziehen, Recht und Gesetz einzuhalten, nichts Böses mehr zu tun und niemandem zu schaden, weil das die Voraussetzungen für ein Leben in Freiheit sind. – Ich bin kein Jurist, aber meines Wissens ist in keinem Gesetz, in keiner Verordnung zum Strafvollzug die Rede davon, dass der Aufenthalt in einem Gefängnis mindestens der Unterbringung im einem Drei-, besser Vier-Sterne-Hotel zu entsprechen habe – mit Pool, Fitnessraum, Sportanlagen usw. Was in aller Welt haben dort denn Tablets verloren? Wo bleibt da der angestrebte erzieherische Aspekt einer Freiheitsstrafe, wenn die Zeit hinter Gittern zum Aufenthalt in einem Luxus-Sanatorium wird?

Ganz extrem äußert sich der Verzicht auf jede Form von gerechter Härte gegenüber einem Verbrecher, wenn ein brutaler Killer, der drei Menschenleben auf dem Gewissen hat, 215 Tage im Jahr (2017) Ausgang erhält – ohne Begleitung, ohne Bewachung. Dabei ist das Urteil der 29. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin vom 16. Februar 2005 vollkommen klar: „Der Angeklagte Oliver A. wird wegen Mordes in zwei Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird angeordnet“. In diesem Verfahren ging es um die bestialische Ermordung (Tatwaffe Küchenmesser) eines Berliner Bauunternehmers und dessen Frau im August 2002. Opfer Nummer drei war ein Zechbruder, den Oliver A. 1995 im Suff erschlagen hat. Dafür hatte er schon mal vier Jahre Maßregelvollzug kassiert – mit Freigang.

Wer um alles in der Welt hat dieser Bestie derart großzügigen Freigang gewährt, obwohl das Gericht in seiner Urteilsbegründung klipp und klar festgestellt hat, es gebe ein „Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor dem Hintergrund dreier Straftaten mit tödlichem Ausgang“? Begleiteten Freigang gibt es üblicherweise für Straftäter gegen Ende ihrer Haftzeit, um sie allmählich wieder auf das Leben in Freiheit vorzubereiten. Welchen Sinn zur Resozialisierung soll das haben für einen Mörder, der nach Verbüßung der Haftstrafe in Sicherungsverwahrung kommt und – unter normalen Umständen – keinerlei Berührung mehr hat mit Menschen außerhalb der Anstalt? Das fragt sich der Sohn des ermordeten Paares, René R., und mit ihm ein jeder mit gesundem Menschenverstand und ungetrübtem Rechtsempfinden. Justizsenator Behrendt hat es vorgezogen, sich auf Nachfrage zu diesem skandalösen Vorgang nicht zu äußern.

Unverständliche Milde für einen Kinderschänder

Schließlich die Sache mit dem Kinderschänder. Von 2011 bis 2013 hatte er in einem Jugendclub einen Jungen seit dessen 12. Lebensjahr 30 Mal missbraucht. Das hat der Erzieher Denis L. vor Gericht auch zugegeben. Dennoch ließ ihn die Richterin mit zwei Jahren auf Bewährung und 1.000 Euro Strafe laufen. Das allein ist schon skandalös genug. Ein Mann, der sich nachweislich an Kindern vergangen hat, darf keine Bewährung bekommen. Schon gar nicht als Lehrer. Pädophilie ist nicht heilbar, so liest man, und wer unter dieser Krankheit leidet, muss aus Schutz vor sich selbst, vor allem aber vor potenziellen Opfern, aus dem Verkehr gezogen werden. Sollte man meinen. Die Berliner Justiz indes hat sich vier Jahre Zeit gelassen, um diesen Fall, obwohl aktenkundig, überhaupt vor Gericht zu bringen. In dieser Zeit hat Denis L. unbehelligt seinen Job als Grundschullehrer weitergeführt. Ein unglaublicher Vorgang, der die Eltern der Schüler fassungslos macht. Spätestens mit Einleitung des Ermittlungsverfahrens hätte die Schulleitung umgehend über den Vorgang informiert werden müssen. Das ist nicht geschehen. Erst über Presseveröffentlichungen hat man dort von der Sache erfahren und den Erzieher mit sofortiger Wirkung vom Dienst freigestellt.
In ihrer Urteilsbegründung konzedierte die Richterin, der Angeklagte habe ja gestanden, die Taten lägen Jahre zurück und außerdem sei der Geschädigte, der als Zeuge benannt worden war, nicht zur Verhandlung erschienen. Also wieder mal hat das Opfer Mitschuld. Könnte es sein, dass es dem jungen Mann widerlich war, seinem ehemaligen Peiniger jetzt wieder vor Gericht zu begegnen? Diese Überlegung hat die forsche Richterin offensichtlich nicht angestellt, ebenso wenig wie die, wie sie wohl reagiert hätte, wenn ihr Sohn Schüler in jener Grundschule gewesen wäre.

Ich könnte noch weiter ins Detail gehen, aber ich denke, es reicht auch so, dem Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) den „Rostigen Nagel“ als Oscar für den unfähigsten Politiker im Lande zuzuerkennen. Man könnte ja darüber lachen und kopfschüttelnd zur Tagesordnung übergehen. Aber wenn es um die Sicherheit unbescholtener Bürger geht, wenn die Staatsmacht – in diesem Fall der Berliner Senat – offenkundig davor kapituliert, Rechtsstaatlichkeit in Gefängnissen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln aufrecht zu erhalten, dann ist das nicht mehr witzig. Versager wie Herr Behrendt gehören sofort aus dem Amt entfernt, weil sie mit ihrer Untätigkeit dem Volk mehr schaden als dass sie nützen. Angehörige der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus haben die Rücktrittsforderung bereits erhoben. Vielleicht sollte sich in dieser Sache die Fraktion der Christdemokraten mal mit der der AfD zusammentun. Mit dieser Stimmenzahl wäre parlamentarischer Druck im Senat möglich und nur so kann die Selbstgefälligkeit der R2G-Regierung in der Hauptstadt gebrochen werden.

 

In der deutschen Politik sind manche seltenen Vögel in hohen Positionen, bei denen sich die Frage aufdrängt, wie ernst sie ihren Amtseid nehmen oder ob sie überhaupt für ihre Aufgabe geeignet sind. Hans-Jürgen Geese hat diese unter die Lupe genommen und stellt fest, dass wohl mehr mehr als weniger daran arbeiten, dass sich Deutschland aus der Geschichte verabschieden wird. So heißt denn auch der Titel seines durchaus auch humorigen Buchs : „Die Deutschen - Das klügste Volk auf Erden verabschiedet sich von der Geschichte“. Gerade in Zeiten des „GroKo-Zirkus“ ist dieses Werk besonders lesenswert und kann im Buchhandel erworben werden oder man kann es direkt beim Verlag bestellen hier.

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