Tickende Zeitbombe Saudi-Arabien
Von Peter Orzechowski
Es ist schon seltsam, mit welchen Menschen verachtenden Regimen sich der Westen – angeführt von den USA und vom angeblich so sehr auf Humanität pochenden Deutschland – verbündet, um seine geopolitischen Ziele zu erreichen: mit der Türkei und Saudi-Arabien, den beiden – nach Nordkorea – despotischsten Staaten der Erde. Aber man muss gar nicht auf die Menschenrechte schauen, um zu erkennen, wie gefährlich die beiden Kriegstreiber des Mittleren Ostens sind. Die Gefahr, die von den Saudis ausgeht, wird dabei unterschätzt, obwohl sie vermutlich die Atombombe haben.
Israel habe „die beste Sicherheitslage, die es je hatte“, so die Jerusalem Post am 3. Juni 2015 unter Berufung auf israelische Militärs. „Arabische Staaten, die einst bis an die Zähne bewaffnet waren, wie Libyen und der Irak, sind auseinandergefallen.“ Syrien sei vor vier Jahren noch die größte Bedrohung für Israel gewesen, doch heute existiere das Land praktisch nicht mehr, „sondern ist in mehrere Territorien auseinandergebrochen“. Der sektiererische Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten „zerreiße“ die arabische und muslimische Welt, stellte der ehemalige Mossad-Chef Meir Dagan fest. „Das eröffnet einmalige Gelegenheiten für Israel, verschiedene Allianzen anzustreben und unsere Präsenz im Nahen Osten zu bestätigen“, berichtet die Webseite haaretz.com im Jahr 2013.
Bemerkenswerte Allianz mit Erzfeind Israel
Mit einem alten Erzfeind, der die sektiererischen Auseinandersetzungen eifrig schürt, hat Israel inzwischen eine Allianz verwirklicht. Seit Anfang 2014 treffen sich israelische Regierungsvertreter mit Repräsentanten Saudi-Arabiens in geheimen Sitzungen. Das gaben Anwar Majed Eshki, Ex-Berater von Prinz Bandar bin Sultan, einstiger US-Botschafter der Saudis, und Dore Gold, ehemaliger israelischer UN-Botschafter, am 4. Juni 2015 während einer Sitzung des Council of Foreign Relations in Washington erstmals bekannt. Bei den israelisch-saudischen Treffen dreht sich alles um einen gemeinsamen Feind. „Wenngleich diese Männer Länder repräsentieren, die historische Feinde sind, war ihre Botschaft identisch: Der Iran übernimmt den Nahen Osten und muss gestoppt werden“, berichtete Bloomberg.
In einem von Eshki vorgetragenen Sieben-Punkte-Plan für den Nahen Osten nannte der saudische Vertreter einen herbeizuführenden Regimewechsel im Iran an zweiter Stelle – gleich nach einem Friedensschluss zwischen Israel und den Arabern. Außerdem sprach er sich für die Gründung eines kurdischen Staates aus. Auch in Israel werden nach jerusalemonline.com Stimmen lauter, die die Aufteilung Syriens in mehrere Staaten, darunter einen kurdischen, fordern. Israelische Militärs und Politiker hatten in den letzten Jahren wiederholt verlauten lassen, dass sie ein von al-Qaida kontrolliertes Syrien gegenüber einem weiterhin mit dem Iran verbündeten Nachbarn bevorzugen. Betrachten wir Saudi-Arabien einmal genauer.
Die Scheichs geben Milliarden für Rüstung aus
Saudi-Arabien soll über Atomwaffen verfügen, behauptet Thierry Meyssan, Präsident und Gründer des Réseau Voltaire und der Konferenz, auf der Webseite voltairenet. Das wahhabitische Königreich soll mit Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Jordanien, Marokko und dem Sudan einen gemeinsamen militärischen Generalstab unter israelischem Kommando (!) eingerichtet haben.
Saudi-Arabien habe die Atombombe vor zwei Jahren von Pakistan gekauft, schreibt der international gut vernetzte Meyssan und beruft sich auf den saudischen Analysten Dahham Al-’Anzi, einen Vertrauten des neuen mächtigen Mannes auf der Halbinsel, Prinz Mohammed bin Salman. Al-’Anzi habe dies am 15. Februar 2016 auf Russia Today in Arabisch gesagt. Meyssan schreibt: „Die Erklärungen auf Russia Today – sofort durch den israelischen Dienstleister Memri übersetzt und verbreitet – haben in der arabischen Welt ein beträchtliches Echo ausgelöst. Trotzdem hat sie kein internationaler politischer Funktionsträger, auch kein saudischer, kommentiert. Und Russia Today hat sie von seiner Internetseite zurückgezogen.“
Die Saudis rüsten aber nicht nur atomar auf: Anfang 2017 hat die US-Regierung ein milliardenschweres Rüstungsgeschäft mit Saudi-Arabien gebilligt. Die islamistische Monarchie wird für ihre Luftwaffe mehr als 19.000 Bomben im Wert von 1,29 Milliarden Dollar (1,19 Milliarden Euro) kaufen. Die Waffenlieferung umfasst rund 12.000 Bomben mit einem Gefechtsgewicht von 500 bis 2.000 Pfund, 1.500 bunkerbrechende Bomben sowie mehr als 6.000 lasergelenkte Präzisionsbomben. Nach Angaben aus Washington wird das Bombenarsenal der saudi-arabischen Streitkräfte durch „das hohe Einsatztempo in mehreren Anti-Terror-Einsätzen“ stark beansprucht. Ob Washington hier die völkerrechtswidrigen Angriffe der saudi-arabischen Luftwaffe im Jemen meint? Dort führen die Saudis einen Vernichtungsfeldzug gegen die Huthi-Rebellen und die schiitische Bevölkerung, um ihren Marionettenpräsidenten wieder ins Amt zu hieven.
Das saudische Kriegsziel ist der Iran
Alle Aufrüstung hat ein Ziel: Iran, der große Gegenspieler und Konkurrent um die regionale Hegemonie mit Macht. Die Saudis stehen schon mitten im Krieg mit den Mullahs: In Syrien kämpfen sunnitische Milizen mit saudischem Geld und saudischen Waffen gegen iranische Revolutionsgarden und schiitische Hisbollah-Miliz. In Jemen, sozusagen der weiche Unterleib des Königreichs, hat Saudi-Arabien getan, was es sonst nie tut: Es hat direkt interveniert. Jetzt führt die saudische Armee dort einen blutigen Bomben-Krieg gegen von Teheran unterstützte schiitische Huthis.
Unterdessen haben Bürgerkrieg und Chaos in der ganzen großen mittelöstlichen Region zur Mobilisierung der Schiiten geführt – auch der etwa 10 bis 15 Prozent Schiiten in Saudi-Arabien, die ausgerechnet die Ostprovinz des Königreichs bevölkern, dort wo die großen Erdölvorkommen lagern. Nur um Ansteckungsgefahr für seine gefährdete Ostprovinz zu vermeiden, hat Riad 2012 mit regulären saudischen Truppen in Bahrein den eigentlich friedlichen Aufstand der schiitischen Bevölkerungsmehrheit gegen ihr sunnitisches Regime blutig niedergeschlagen. Vergeblich: Schiitischer Aufruhr hat doch seine Ostprovinz erreicht. Bei Operationen in der lebenswichtigen Öl-Provinz sind schon Hunderte saudische Soldaten und Sicherheitskräfte getötet oder verwundet worden, schreibt Pollack.
Der Schuss ins eigene Knie
Ein Problem von vielen: Wie die Nachbarländer kämpft auch Saudi-Arabien mit den Folgen einer dramatischen Bevölkerungsexplosion. Seit 1950 hat sich die saudische Bevölkerung von 3,1 Millionen auf heute fast 30 Millionen beinahe verzehnfacht. 70 Prozent der Saudis sind unter 30 Jahre alt. Zwei Drittel der arbeitenden Bevölkerung haben gut bezahlte Jobs beim Staat. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 30 Prozent. Bis 2030 wird sich die Arbeitsbevölkerung verdoppeln.
Saudi-Arabiens Verteidigungsetat schluckt 25 Prozent der Staatsausgaben – bei schrumpfendem Haushalt wird der Anteil noch steigen. Riads Krieg im Jemen kostet das Königreich jeden Monat sechs Milliarden Dollar, schätzt der amerikanische Mittelost-Experte und ehemalige CIA-Mitarbeiter Bruce Riedel. Dabei wird es nicht bleiben. Riedel: „Wenn Riad im Jemen eine stabile Regierung haben will, die nicht Teheran zuneigt, dann wird es dafür Milliarden ausgeben müssen.”
Dutzende, wenn nicht hunderte von Milliarden Dollar haben die Saudis schon in Syrien, Jemen, Irak und Libyen verbrannt, glaubt Mittelost-Experte Kenneth Pollack. Erst kürzlich hat Riad der Regierung in Kairo Investitionen über acht Milliarden Dollar und vier Milliarden an Hilfen versprochen. Bahrein, Jordanien und Pakistan sind andere Empfängerländer. Lange kann Riad das nicht mehr leisten und hat das womöglich auch schon signalisiert.
Der Krieg verspricht Mega-Profite für die Öl-Multis
Eine direkte militärische Konfrontation zwischen Iran und Saudi-Arabien würde den Ölpreis über Nacht auf 250 Dollar pro Fass treiben, prognostiziert Oilprice: „Wenn sie gegenseitig ihre Öl-Terminals angreifen, dann erreicht der Ölpreis Spitzen von 500 Dollar pro Fass und wird dort eine Weile bleiben, bis man über das Ausmaß der Schäden Bescheid weiß.“
Aber schon die Drohung mit Krieg würde den Ölpreis steigen lassen. Schiitischer Aufruhr in Saudi-Arabiens östlicher Öl-Provinz hätte die gleiche Wirkung. Die Mullahs könnten ihre Schiiten-Waffe in Saudi-Arabiens Ostprovinz einsetzen, um Unruhe zu stiften und Riads Ölförderung und Ölverladung zu treffen. In jedem Fall würde Saudi-Arabien wieder das tun müssen, wofür es seine westlichen Verbündeten so sehr lieben: Es würde noch mehr und noch teurere Waffen einkaufen.
Peter Orzekowski ist Co-Autor des Werks „Der Staatsstreich“. Dieser wunderbar unterhaltsame „Staatskrimi“ beschreibt eine Möglichkeit, und zwar eine juristisch ausgefeilte und, so unwahrscheinlich es anmuten möge, realistische, wie die „ewige Kanzlerin“ doch noch gestoppt werden könnte. Für alle, die die amtierende Kanzlerin gar nicht mögen, ein echtes Lesevergnügen, vor allem so lange sie noch im Amt ist. Bestellen Sie ihr Exemplar hier oder fragen Sie Ihren Buchhändler danach.