Der Angriff auf das Saudi-Öl ist ein Menetekel für den ganzen Westen
Eine Hintergrundanalyse von Peter Haisenko
Die Weltwirtschaft, die Infrastruktur, ist ein fein abgestimmtes Räderwerk, das darauf angewiesen ist, dass alle Komponenten reibungslos ineinander greifen. Die Grundlage ist Energie und so ist gerade die Versorgung mit ausreichend Öl elementar. Wird diese unterbrochen, werden die Folgen unabsehbar sein. Mit dem Angriff der Huthis auf das Saudi-Öl rächt sich jetzt, dass der Westen bei dem Völkermord im Jemen zu lange weggesehen hat.
Realistisch betrachtet herrscht Krieg im Jemen seit 180 Jahren. Es war wieder einmal das British Empire, das die alten Strukturen zerstörte, als es 1839 Aden an der jemenitischen Südküste angriff und besetzte. Aden war ein wichtiger strategischer Hafen für den Weg nach Indien. Mit Eröffnung des Suez-Kanals 1869 nahm die Bedeutung Adens für das British Empire erheblich zu. 1905, gerade als Ibn Saud begann die arabische Halbinsel zu erobern und sein Reich Saudi-Arabien zu etablieren, teilten die Briten in ihrer üblichen Selbstherrlichkeit den Süden Arabiens mit den Osmanen auf, indem sie eine Grenze für den Jemen festlegten, die es vorher so nicht gab. Damit war die arabische Halbinsel im Norden osmanisches „Protektorat“ und der Süden, Jemen, britisches
Die gesamte Lage war immer sehr unübersichtlich
1918, nachdem die Briten das Osmanische Reich zerstört hatten, zerfiel der Jemen in einen Nord- und einen Südteil. Die vom Ersten Weltkrieg geschwächten Briten konnten nicht mehr das ganze Land beherrschen und der Norden wurde ein unabhängiges Königreich, das allerdings von Anfang an im Konflikt mit der Expansionslust des jungen Saudi-Arabien zu kämpfen hatte. Im weiteren Verlauf wurde der Süden kommunistisch und war dem Norden spinnefeind. Als 1990 der Ostblock aufhörte zu existieren, hat sich das auch auf den Jemen ausgewirkt, was allerdings während des gesamten Umbruchs im Westen kaum wahrgenommen wurde. Nord- und Südjemen vereinigten sich zu einem Staat, der jedoch nie wirklich zur Ruhe gekommen ist – eben bis heute. Es gab immer wieder Konflikte mit den Saudis und wegen der strategischen Lage zwischen Ost und West. Als Ursprung der Konflikte im Jemen ist aber das British Empire zu nennen, mit seinem Anspruch, die ganze Welt zu beherrschen. Das ist eine stark verkürzte Darstellung und wer Genaueres erfahren möchte, dem sei Wikipedia empfohlen, das in diesem Fall eine einigermaßen richtige Darstellung anbietet: https://de.wikipedia.org/wiki/Jemen
Als nach den Wahlen im Jahr 2012 Präsident Ali Abdullah Salih nach 34 Jahren von seinem Amt zurücktrat, brachen die alten Konflikte wieder auf. Im Norden, dem ehemals kapitalistischen Teil, formierten sich die schiitischen Huthis mit dem Ziel, den ganzen Jemen zu beherrschen. Das gefiel weder den sunnitischen Saudis, noch den USA. Letztere begannen den Süden mit Drohnenangriffen zu terrorisieren, angeblich um Al Qaida zu bekämpfen, obwohl sich diese mit sunnitischen Stammesverbänden gegen die Huthis verbündeten, was wiederum den Saudis gefiel. Die gesamte Lage war immer sehr unübersichtlich. Am 25. März 2015 begannen die Saudis einen Angriff auf den Jemen – mit Unterstützung durch die USA, Frankreich und Großbritannien inklusive einiger Emirate und arabischer Staaten. Die Folgen für die Bevölkerung sind dramatisch und die UN hat sogar festgestellt, dass hier ein Völkermord angeprangert werden muss. Der übrige Westen mit seinen „westlichen Werten“ sieht einfach tatenlos weg. Es sind ja die „Guten“, die hier ein Land vernichten.
Dass die Huthis die Drohnen selbst gebaut haben, ist nicht auszuschließen
Es ist wohl der geomorphologischen Gestalt des Jemen geschuldet, – fast alles ist gebirgig, wie in Afghanistan – dass den Saudis und ihren Helfern nicht gelungen ist, den ganzen Jemen in ihren Herrschaftsbereich einzugliedern. So zerbomben sie das Land mordend, ohne irgendetwas zu erreichen. Nachdem im Jemen nur unbedeutende Ölvorkommen erschlossen sind, ist das ein völlig sinnloser Vernichtungskrieg, der nur mit geopolitischen Motiven begründet werden kann. Es ist zwar nicht nachgewiesen, aber doch von einer gewissen Wahrscheinlichkeit, dass der schiitische Iran die ebenfalls schiitischen Huthis unterstützt, gegen die technisch-militärische Übermacht der Saudis, die wiederum ohne die Unterstützung der USA nicht existieren könnte.
Der Krieg zwischen den Saudis und den Huthis kann nur ein asymmetrischer sein. Hochmoderne Kampfflugzeuge und Bomben gegen eher archaische Kampfeinheiten. So war es schon verwunderlich, dass es den Huthis gelungen ist, Raketen abzufeuern, die tief in Saudi-Arabien bis in die Nähe von Riad flogen. Jetzt ist es ihnen sogar gelungen, einen Gegenschlag gegen die saudische Ölproduktion zu führen, allerdings mit einem anderen Waffentyp, nämlich Drohnen. So ist der Jemen-Krieg endlich in unseren Wohnzimmern angekommen und die Frage wird diskutiert, woher die Huthis plötzlich derart wirksame Drohen haben. Natürlich bezichtigen die USA sofort den Iran, obwohl die Huthis den Angriff für sich allein beanspruchen. Die Frage ist nun, ob sie das überhaupt können.
Man darf unterentwickelte Länder nicht unterschätzen, was den Einsatz moderner Technik betrifft. Es gibt überall herausragende Menschen, die den Umgang damit beherrschen. Zu bedenken ist, dass der Bau von Drohnen einfach geworden ist. Man kann im Internet Anleitungen zum Bau finden und alle benötigten Teile einfach bestellen. Jeder etwas bessere Modellbauer kann Drohnen bauen, die hunderte Kilometer überwinden und dabei beachtliche Nutzlasten tragen können. So werden auch bei uns Großmodelle gebaut, die von Motoren über 100 PS angetrieben werden und schon fast „manntragend“ sein können. Man bedenke dazu, dass Elly Beinhorn 1932 ihre Weltumrundung mit einem Flugzeug gelungen ist, dessen Motor nur 80 PS leistete. Ich halte es für durchaus möglich, dass im Jemen selbst die Drohnen gebaut worden sind, die jetzt die Ölanlage der Saudis in Brand gesetzt haben. Es wäre dabei nur logisch, wenn man sich bereits existierende zum Vorbild genommen hätte.
Auch unsere Raffinerien können jederzeit angegriffen werden
Mit der Technik, die heutzutage überall zur Verfügung steht, ist es ein Leichtes, eine Drohne in jedes beliebige Ziel zu lenken. Mit einer Steuerung/Programmierung, die auf GPS gestützt ist. Schwieriger ist es, große Distanzen zu überwinden. Immerhin sind es mehr als tausend Kilometer vom Jemen bis zu dem saudischen Ölkomplex. Hundert oder etwas mehr Kilometer mit einer selbstgebauten Drohne zu überwinden, ist aber eher problemlos. Dazu sollte man sich bewusst sein, dass Saudi-Arabien keineswegs innenpolitisch monolithisch ist. Mit 15 Prozent Schiiten und Millionen Gastarbeitern, die schlecht behandelt werden, ist die Lage eher instabil. Es ist daher durchaus möglich, dass diese Drohnen auf dem Landweg in die Nähe des Ziels gebracht worden sind – unbemerkt von den Saudis. Das Land ist groß und es ist unmöglich, jeden Winkel unter Kontrolle zu halten.
Eine Raffinerie oder ein Ölterminal sind hochkomplexe Anlagen, in denen auch schon mal ohne Fremdeinfluss katastrophale Feuer ausbrechen können. Ein kleine Sprengladung kann da wirklich verheerende Wirkung haben. Der jetzige Angriff auf die saudische Ölraffinerie zeigt auf, mit welch minimalem Aufwand das gesamte Wirtschaftssystem in arge Bedrängnis gebracht werden kann. Und nein, ich glaube nicht, dass der Iran dahinter steckt. Wer im Glashaus sitzt... Iran hat selbst empfindliche Ölanlagen und weiß genau, dass es selbstzerstörerisch wäre, mit der gegenseitigen Zerstörung solcher Anlagen zu beginnen. Andererseits wird aber auch genau deswegen sehr zurückhaltend mit solchen Plänen von Irans Feinden umgegangen. Man weiß sehr genau, dass der Iran in der Lage ist, alle Ölfelder und Anlagen rund um den Persischen Golf zu zerstören. Das dürfte denn auch die erste Reaktion des Irans auf einen Angriff sein.
Der Angriff auf die Ölanlagen hat die Saudis und ihre Unterstützer ins Mark getroffen. Auch deswegen, weil die Huthis angekündigt haben, dass sie es jederzeit wiederholen können und ich traue ihnen das zu. Immerhin ist das nicht so menschenverachtend und ein Kriegsverbrechen wie die systematische Bombardierung von Städten und Zivilisten, die die Saudis im Jemen begehen. Aber der Angriff auf die saudischen Ölanlagen hat noch eine ganz andere Komponente. Unsere eigenen Raffinerien. Wenn schon Jemeniten in der Lage sind, Ölanlagen mitten in Saudi-Arabien anzugreifen, sind unsere Raffinerien solchen Angriffen nahezu schutzlos ausgeliefert. Eine Handgranate mit einem kleinen Modellflugzeug in eine kritische Stelle einer Raffinerie zu platzieren, stellt nun wirklich keine besondere Herausforderung für einen geübten Modellbauer dar und das würde schon ausreichen, richtig Schaden anzurichten. Koordinierte gleichzeitige Angriffe auf mehrere Raffinerien würden Deutschland größte Probleme bereiten. Nicht nur Deutschland.
Angriffe auf unsere Infrastruktur hätten verheerende Folgen
Der Angriff der Huthis auf saudische Ölanlagen sollte zu denken geben. Er zeigt auf, dass sich die moderne Welt überhaupt keinen Krieg mehr leisten kann. Asymmetrische Reaktionen können Infrastruktur lahmlegen mit verheerenden Folgen. Ohne Strom geht gar nichts, nicht einmal mehr die Trinkwasserversorgung. Ohne Öl geht auch nichts. Wer heutzutage ein Land ins Chaos stürzen will, der muss nur mit kleinen Nadelstichen an den richtigen Stellen elementare Infrastruktur angreifen. Man mag sich gar nicht vorstellen, was geschehen könnte, wenn ein richtiger Krieg vom Zaun gebrochen würde. Innerhalb von Stunden würden wir uns wieder im Mittelalter befinden. Das gilt für Ost und West, obwohl Studien gezeigt haben, dass mancherorts eher rückständige Flächenstaaten wie Russland so etwas eher überstehen könnten.
Die USA auf ihrer Insel zwischen Nordatlantik und Pazifik sind da fein heraus. Sie können nur mit Interkontinentalwaffen angegriffen werden oder von innen, was eher unwahrscheinlich ist. Das dürfte denn auch ein Grund sein, warum sich die USA so arrogant verhalten. Tatsächlich ist es auch so, dass den USA der Angriff auf die saudischen Ölanlagen durchaus in den Kram passt. Dank der Fracking-Technologie sind sie wieder Ölexporteur geworden mit dem Problem, dass sie einen Ölpreis größer 80 $/Barrel brauchen, um kostendeckend zu arbeiten. Diesem Preis nähert sich der Ölpreis jetzt wieder an. Ein Schelm, der hier Böses denken mag?
Die westliche Allianz muss endlich aufwachen
Der Angriff auf das Saudi-Öl ist ein Menetekel für den Westen. Er zeigt auf, wie verwundbar das gesamte Wirtschaftsgefüge ist. Er sollte zum Anlass genommen werden nachzudenken, ob es nicht sinnvoll, ja zwingend ist, alle Macht- und Kriegsspiele umgehend einzustellen. Endlich einzusehen, dass Dominanzstreben und auch Wirtschaftskriege nicht zielführend sein können in der modernen Welt. Wie schön könnte die Welt sein, wenn nicht jedes Jahr mehr als tausend Milliarden für Krieg, Verderben und Zerstörung ausgegeben würden, sondern für positive Zwecke eingesetzt würden.
Natürlich sind hier zuallererst die USA in der Pflicht. Ihre Ausgaben für Krieg sind höher als die der nächsten zehn zusammen und provozieren so die Verteidigungsausgaben der anderen. Niemand will und wird die USA angreifen, genauso wenig wie Deutschland. Der Iran hat seit Jahrhunderten niemand angegriffen und plant es auch heute nicht. Es sind die USA, die Erben des britischen Weltbeherrschungsanspruchs, die immer wieder Länder mit Krieg überziehen. Mit Bomben und der Finanzwaffe. Mit dem wirksamen Angriff der Huthis rächt sich, dass der Westen so lange weggesehen hat, wie der Jemen vernichtet wird. Man kann da nur hoffen, dass die westliche Allianz endlich aufwacht und sich energisch gegen jegliches Dominanzstreben wendet. Dass sie lernt, andere Lebensarten zu respektieren, eventuell sogar von ihnen zu lernen, anstatt sie zu bekriegen.
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Es gibt keinen aktuellen Konflikt oder Krieg, der nicht ursprünglich auf das Treiben des British Empire begründet ist. Allerdings ist es den Briten – und heute den USA - immer gelungen, die Schuld auf andere abzuwälzen und eine moralisch einwandfreie Position für sich zu reklamieren. Das war schon beim Ersten und Zweiten Weltkrieg so. Der Sieger schreibt die Geschichte. Im AnderweltVerlag haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, zumindest die Geschichte des 20. Jahrhunderts gerade zu rücken. Das Werk von Peter Haisenko „England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jahrhundert“ gibt den Überblick, die Werke von Reinhard Leube gehen ins Detail und bestätigen so die allgemeineren Thesen von Haisenko. Wer also die Wahrheit über das perfide Treiben der Briten und Amerikaner kennenlernen will, dem seien diese Werke empfohlen. Erhältlich im Buchhandel oder direkt zu bestellen beim Verlag hier. Durch Anklicken der Bilder können Sie eine jeweilige Rezension einsehen.