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2020: Das Jahr, in dem sich die parlamentarische Demokratie verabschiedet hat

Von Hubert von Brunn

Das Jahr neigt sich dem Ende zu und für die meisten unter uns war es kein gutes. Covid-19 hat unser Leben durcheinander gebracht und mehr als das – viele Existenzen zerstört. War es das Virus oder war es der von oben verordnete Umgang mit demselben, die unsinnigen und sich widersprechenden Verordnungen und Verbote, die unkoordinierten Eingriffe in unser Leben, weil man es versäumt hat, nach dem ersten Lockdown im Frühjahr eine breit gefächerte Wissenschaft zu Rate zu ziehen, anstatt nur Herrn Drostens Meinung nachzueifern? Schwer zu sagen. Aber eines ist sicher: Die Schäden, die zurückbleiben, sind gewaltig.

Die Wirtschaft lasse ich in meiner Betrachtung außen vor. Das wäre ein eigenes großes Thema, das den Rahmen dieses Artikels bei weitem sprengen würde. An der Stelle will ich nur die Lektüre des richtungsweisenden Buches „Die Humane Marktwirtschaft“ empfehlen. (LINK) Hier aber will ich mich darauf beschränken, darzulegen, welchen Schaden unsere Demokratie in diesem Jahr genommen hat und welche psychologischen Auswirkungen dieser Umstand auf viele Bürger mit sich bringt. Corona ist das in den Medien wahrscheinlich am häufigsten gebrauchte Wort in diesem Jahr. Egal welchen Radio- oder TV-Sender man anstellt, egal, welche Zeitung man aufschlägt: Corona, Corona, Corona. Man mag es wirklich nicht mehr hören oder sehen. Lassen wir es mal dahingestellt sein, ob es die Fledermaussuppe in Wuhan war, die eine Pandemie über die Menschheit gebracht hat. Das wird sich nie mehr nachweisen lassen. Sagen wir einfach mal: Ein bis dahin unbekanntes Problem hat sich ergeben und damit müssen wir umgehen.

Corona-Strategie: Die Hektik der Hilflosen

Das ist der springende Punkt. Wie sind wir, wie ist unsere Regierung damit umgegangen? Erst einmal hilflos. Das ist ja noch zu verstehen, wenn man nicht weiß, womit man es zu tun hat. Aber dann hat man in den ersten Monaten der Pandemie – so es denn eine ist – Erfahrungen gesammelt, wie damit umzugehen ist. Dieses gesammelte Wissen einzubringen in konkrete, praxisnahe Konzepte (Schulen, Gastronomie, Kultur, Sport etc.) wurde versäumt. Der Sommer ging ins Land und dann kam plötzlich die Erkenntnis, dass sich das Virus in kühleren Temperaturen sehr viel wohler fühlt und sich entsprechend schneller verbreitet. Ähnlich dem Grippevirus, das ja auch im Hochsommer keine Rolle spielt. Und weil man eben ein halbes Jahr lang versäumt hatte, wirksame Strategien und probate Konzepte für Herbst und Winter zu entwickeln, kam dann die Hektik der Hilflosen.

Kanzlerin und Ministerpräsidenten haben dann im Wochenrhythmus hinter verschlossenen Türen getagt, um mehr oder weniger sinnvolle Verordnungen zu beschließen. Mit dem Ergebnis, was letzte Woche noch völliger Unsinn war, muss jetzt unbedingt umgesetzt werden – und umgekehrt. Da zeigte uns das Fernsehen, wie die tapferen Kämpen mit müden Augen am frühen Morgen aus den Sitzungen kamen, kaum mehr in der Lage, ein klares Statement abzugeben. Das sollte uns Bürgern den Eindruck vermitteln, dass unsere gewählten Repräsentanten bis zur Erschöpfung arbeiten – zu unser aller Wohl. Was für ein Humbug!? Wenn man sich am übernächsten Tag die Nachrichten angesehen hat, wurde klar, dass jedes Bundesland einen anderen Weg geht. Wozu muss man da tage- und nächtelang zusammenhocken und Dinge auskungeln, die schon wenige Stunden später völlig obsolet sind?

Undemokratische Kungelei zwischen Landesfürsten und Kanzleramt

Wir leben in einer Demokratie, sagt man, und in den Parlamenten sitzen gewählte Volksvertreter, die die Interessen der Bürger vertreten. Ob das tatsächlich immer so ist, lassen wir an der Stelle auch mal hinten anstehen. Im Prinzip ist es aber so, das gebietet unser Grundgesetzt. In Sachen Corona interessiert dieser Grundsatz unsere Häuptlinge allerdings recht wenig. Die Bürger wurden und werden massiv ihrer Grundrechte beraubt und all diese einschneidenden Beschlüsse zum Umgang mit Corona wurden, wie schon gesagt, hinter verschlossenen Türen getroffen. Kein Landesparlament, kein Bundestag hatte daran teil. Den Parlamentariern werden die von Kanzlerin und Ministerpräsidenten getroffenen Vereinbarungen vorgelegt und dann dürfen sie im Nachhinein darüber abstimmen. Eine wirkliche Mitbestimmung des Parlaments sieht anders aus: Da werden normalerweise Anträge eingebracht, dann wird darüber debattiert und schließlich abgestimmt. Das Ergebnis dieser Abstimmung schließlich mündet gegebenenfalls in eine Gesetzesvorlage. Auf diese Weise übt die Legislative Kontrolle über die Exekutive aus. So funktioniert Demokratie – wenn man sie ernst nimmt.

Diese undemokratische Kungelei zwischen Landesfürsten und dem Kanzleramt ist eine deutsche Spezialität und hat mit der föderalen Struktur unseres Landes zu tun. Nun hat sich in dem seit Jahren währenden Disput über den Brexit auf den letzten Metern gezeigt, dass man auch auf EU-Ebene jederzeit weitreichende Entscheidungen treffen kann, ohne das eigentlich zuständige Parlament dazu zu befragen. Auch hier wurde in endlosen Marathon-Sitzungen zwischen den Unterhändlern der jeweiligen Partei – überwiegend Juristen ohne politisches Mandat – ausgekungelt, wie die EU und das mit Jahresfrist aus dem Club ausgetretene UK künftig miteinander umgehen wollen. Herausgekommen ist ein 1.250 Seiten umfassender Vertrag – kein Wunder bei so vielen Juristen –, von dem jetzt schon klar ist, dass das Kleingedruckte überwiegt und jede Menge Stoff für gerichtliche Auseinandersetzungen beinhaltet.

Auf die teuren Hinterbänkler können wir getrost verzichten

Dieses schwergewichtige Machwerk wurde dann mit einem britischen Militärflugzeug von Brüssel nach London gebracht, damit dort Unter- und Oberhaus sowie die Queen noch schnell vor Torschluss formell ihren Segen geben konnten. Ich sage bewusst „formell“, da kein Mensch von denen, die irgendwie die Hand gehoben bzw. ihre Signatur gesetzt haben, in der Lage gewesen wäre, diesen Monstervertrag mit seinen juristischen Fallstricken zu lesen, geschweige denn zu verstehen. Irgendwann im nächsten Jahr dürfen sich dann die Parlamentarier auf beiden Seiten – so sie es dann noch wollen – eingehend mit dem Vertragstext beschäftigen. Zu spät. Pacta sunt servanda! So geht Demokratie anno 2020 und es ist nicht zu erwarten, dass das im nächsten Jahr besser wird.

Dann fragt man sich natürlich: Wozu brauchen wir einen derart aufgeblähten Bundestag mit derzeit 709 Abgeordneten? Nach den nächsten Wahlen werden es um die 800 sein, die fette Diäten und satte Pensionen auf Kosten der Steuerzahler einstreichen. Wenn sie sowieso nichts zu sagen haben, können wir auf diese teuren Hinterbänkler getrost verzichten und das Geld sinnvoll einsetzen. Auf die Briten werden in den nächsten Jahren allerdings neben den zu erwartenden Auseinandersetzungen mit der EU noch ein paar weitere Probleme zukommen. Die Minderheiten der Volksvertreter von Wales, Nordirland und Schottland habe im Unterhaus nämlich gegen den Vertrag gestimmt. Sie wollen sich die Tür offen halten, den Brexit nicht mitzumachen. Little Britain is coming – God save the Queen.

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