Mindestlohn vernichtet Arbeitsplätze? Blödsinn!
Von Peter Haisenko
In Deutschland wird viel Arbeit geleistet, die kein Mensch braucht. Diese Arbeit wird meist gut bis sehr gut bezahlt. Ich spreche hier von den Erfüllungsgehilfen des EU-Regulierungswahns, die den Mittelstand schier erwürgen. Diese „Arbeitsplätze“ sind nie in Gefahr, ohne Stress und persönliche Verantwortung und deswegen sehr gefragt. Wie sieht es aber mit Arbeitsplätzen aus, die vom Mindestlohn betroffen sein werden? Dazu ein Beispiel:
Neulich war ich wieder einmal zum Frühstück in meinem Lieblingscafé. Seit einigen Wochen gibt es dort eine neue Bedienung. Bei einer Zigarette vor der Tür erzählte mir diese freundliche junge Dame, dass auch sie von einem Mindestlohn profitieren würde – und das mitten in München. Sie hat studiert und ist auf der schwierigen Suche nach einem Arbeitsplatz, der ihrer Qualifikation entspricht.
Was bedeutet Mindestlohn in München? Bei einer durchschnittlichen Monatsarbeitszeit von 160 Stunden ergibt ein Mindestlohn von 8,50 € ein monatliches Einkommen von 1.360,- €. Brutto. Eine Wohnung in München ist für weniger als 600,- € kaum zu finden. 600,- € kalt. Mit Nebenkosten also 800,- €. Bleiben zum leben 560,- €, Steuern und Abgaben nicht gerechnet. Da bekommt mancher Hartz IV-Bezieher in München mehr. Die freundliche Bedienung bekommt weniger. Ist ihr Arbeitsplatz gefährdet, wenn sie ein halbwegs anständiges Gehalt bekommt? Sicher nicht, denn ein Café ohne Bedienung geht nicht.
Die meisten Arbeiten, die von einem Mindestlohn betroffen wären, sind unverzichtbar. Ganz gleich, ob es sich um Erntehelfer, Gebäudereiniger oder Friseure handelt, die Arbeit muss gemacht werden. Und, ganz wichtig: Die Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können. Die Würde des Menschen ist unantastbar!
Natürlich gibt es Arbeitsplätze, die nur deswegen existieren, weil Hungerlöhne bezahlt werden (dürfen!). Diese Arbeitsplätze sind meist wenig effizient, und die Welt wäre besser dran, wenn es diese Arbeitsplätze nicht gäbe. Ich denke hier beispielsweise an Callcenter, die uns mit Werbeanrufen nerven.
Mindestlohn, Märkte, Sozialismus und Turbokapitalismus
Ein Mindestlohn erscheint auf den ersten Blick wie ein Monster sozialistischer Systeme und dürfte in einer der reichsten Industrienationen überhaupt kein Thema sein. Tatsächlich wird der Mindestlohn im verkommenen turbokapitalistischen System des Westens aber für faireren Wettbewerb sorgen. Ohne Mindestlohn ist die Auswahl von Arbeitskräften nicht primär von deren Qualität oder Eignung bestimmt. Wer bereit ist für den geringsten Lohn zu arbeiten, bekommt den Zuschlag. Sobald aber der Lohn nach unten begrenzt ist, wird der Arbeitgeber seine Auswahl wieder danach treffen, wer für diese Arbeit am besten geeignet ist. In vielen Fällen wird das nicht der Wanderarbeiter mit ungenügenden Sprachkenntnissen sein.
Obwohl die durch Mindestlohn abgesicherten Arbeitsplätze in Deutschland noch attraktiver für Wanderarbeiter sein werden, wird deren entscheidender Vorteil gegenüber Deutschen wegfallen: Die Bereitschaft für minimalen Lohn zu arbeiten. Man darf also davon ausgehen, dass durch den Mindestlohn wieder mehr Deutsche eine Arbeit finden werden – auch minderqualifizierte. Vergessen wir die Propagandamär der Ausbeuter, dass ein Mindestlohn Arbeitsplätze vernichtet.
Ich habe von München gesprochen. Das ist wohl DIE Hochpreisregion Deutschlands. Leben in München mit Mindestlohn bedeutet immer noch karges Leben. Ganz anders sieht das natürlich in weniger teuren Regionen aus, wie zum Beispiel im Bayrischen Wald oder in Mecklenburg-Vorpommern. Allein das Wohnen dort kostet nicht einmal die Hälfte von München. Dem muss Rechnung getragen werden, indem ein Mindestlohn regional, aber nicht nach Branchen differenziert wird. Das wird zusätzlich den Effekt haben, dass gerade in schlecht entwickelten Gegenden mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, und die Großstädte Entlastung finden. Produktionsstätten, die nicht auf „High-Tech“ oder einen bestimmten Standort angewiesen sind, werden dann vermehrt in den lohnbilligeren Regionen entstehen und dort die hohe Arbeitslosigkeit dämpfen.
Allgemeiner Aufschwung durch Mindestlöhne
Der nächste Effekt wird eine allgemeine wirtschaftliche Belebung der jetzt noch unterprivilegierten Regionen sein. Wer mehr verdient, kann auch mehr ausgeben. Die Friseurin, die jetzt das Doppelte bekommt, wird sich auch mal ein Abendessen außer Haus leisten können. Der Kellner, der sie bedient, wird sich den Friseurbesuch leisten können, auch wenn dieser jetzt etwas mehr kostet. Der Wettbewerb nach unten mit der Verarmung breiter Schichten ist wenigstens begrenzt, und die allgemein erhöhte Nachfrage wird Geschäftsneugründungen eine Chance geben. Mit dem Mindestlohn kommt mehr Geld in Umlauf, und genau das ist es, was nach klassischen Regeln der Ökonomen gut für die Wirtschaft ist.
Von den Mindestlöhnen nicht betroffen sind Bereiche, die sowieso schon „ausgelagert“ sind – nach Asien oder Rumänien. Auch hier werden keine Arbeitsplätze gefährdet. Die sind schon weg. Die Gefahr, dass minderqualifizierte Jobs abwandern, ist gering. Gebäude stehen nun mal da, wo sie stehen und müssen genau da gereinigt werden. Man wird nicht viele Kilometer zum Friseur fahren, nur weil er ein paar Euro billiger ist. Wie gesagt, es gibt Arbeit, die einfach vor Ort gemacht werden muss, und die muss anständig bezahlt werden.
Für eine der reichsten Nationen ist der Einstieg in den Mindestlohn zwar eine Schande - eine Schande, dass er überhaupt notwendig geworden ist. Aber er ist ein Einstieg in bessere Zeiten jenseits des Turbokapitalismus. Er wird die Sozialkassen entlasten und vielen Menschen einen kleinen Teil ihrer Würde zurückgeben. Er wird dafür sorgen, dass Arbeitsmigranten, die nach Deutschland wollen, nur noch eine Chance haben, wenn sie qualifiziert sind – und genau das ist die Form von Zuwanderung, die wir brauchen.
Der Mindestlohn wird die Wirtschaft beleben in dem Bereich, der noch nach marktwirtschaftlichen Gesetzen funktioniert – also ganz unten. Allerdings werden die Machenschaften der gierigen Ausbeuter nicht mehr so funktionieren wie gehabt. Ich bin mir sicher, dass es genau das ist, was die überwiegende Mehrheit der Deutschen will. Lassen wir uns nicht blöd reden von selbsternannten „Fachleuten“, die nur ihren Gewinn dahinschmelzen sehen. Mindestlohn ist gut, aber er muss nach Regionen differenziert werden. Noch einmal das Beispiel München: In dieser teuren Stadt halte ich einen Mindestlohn von 8,50 € für zu gering. Da müssten es mindestens 10,- € sein. Das sind dann auch nur 1.600,- € pro Monat. Versuchen Sie mal, davon in München zu leben.
Das Buch zum Thema: Die Humane Marktwirtschaft