Bürgschaften – Fluch und Segen für das Baugewerbe
Von Norbert Schulze
Unternehmer im Bau- und Ausbaugewerbe erhalten viele kleine Aufträge: für das Auswechseln einzelner Dachziegel oder für eine neue Hauseingangstür beim privaten Kunden. Die Abwicklung kleiner Aufträge ist allseits unbürokratisch. Nach Fertigstellung der Arbeiten ist die Sache mit Begleichung der Handwerkerrechnung erledigt.
Dies sind von der Stückzahl her die meisten Aufträge. Das Risiko bleibt dabei auf beiden Seiten überschaubar: der Handwerker riskiert, dass der Kunde nicht oder nicht pünktlich zahlt. Der Kunde riskiert, dass der Handwerker nicht leistet. Für den Fall, dass der Kunde eine Anzahlung geleistet hat und der Handwerker tatsächlich nicht leistet, bleibt dann das Dach noch eine Weile undicht, die marode Haustür muss ein weiteres Jahr halten.
Mit diesen Risiken können beide Seiten leben. Sie sind überschaubar im Vergleich zum gewöhnlichen Budget eines Privathaushaltes oder dem eines Bauunternehmens.
Wenige größere Aufträge dominieren den Gesamtumsatz
Nicht von der Stückzahl her, aber doch im Volumen dominierend sind dagegen die größeren Aufträge: der Auftraggeber (ein Privathaushalt, ein Gewerbetreibender oder die öffentliche Hand) gibt zum Beispiel den Bau eines neuen Gebäudes in Auftrag. Für den Auftraggeber ist das „eine schöne Stange Geld“. Er fragt sich, ob der teure Bau wohl pünktlich und ohne Mängel fertiggestellt werden wird.
Doch auf der Auftragnehmerseite, also beim Bauunternehmen, sind auch Risiken mit der Annahme des Auftrages verbunden, unter anderem die Frage, ob der Kunde pünktlich bzw. überhaupt zahlen wird. Denn die deutsche Bauwirtschaft ist durch eine Vielzahl kleinerer und mittelständischer Betriebe geprägt, oft mit acht, zehn oder 20 Beschäftigten und Umsätzen zwischen weniger als einer Million und etwa fünf Millionen Euro pro Jahr. Ein einziger Auftrag, der Löhne und Material für z. B. 250.000 Euro verschlingt, würde, wenn am Ende keine Zahlung dafür erfolgt, ein kleineres Bauunternehmen unmittelbar in Existenznot stürzen.
Ein nicht bezahlter 250.000-Euro-Auftrag vernichtet den Ertrag aus fünf Millionen Umsatz
Und selbst ein „größerer“ Betrieb mit fünf Millionen Umsatz hätte ein Jahr lang umsonst gearbeitet, wenn eine Rechnung über 250.000 Euro unbeglichen bliebe. Denn bei der in diesem Gewerbe typischen Umsatzrendite von ca. fünf Prozent wäre mit einem einzigen 250.000-Euro-Auftrag, der schließlich nicht bezahlt wird, der komplette Ertrag aus fünf Millionen Jahresumsatz auf einen Schlag weg. Das ist ein Verhältnis von 1 : 20. Die sich seit vielen Jahren verbessernde, aber noch immer deutlich unter 20 Prozent liegende Eigenkapitalquote des durchschnittlichen Bauunternehmens trägt ebenfalls dazu bei, dass unbezahlte Rechnungen nicht gut weggesteckt werden können – meist sind nicht viele freie Reserven zum Auffangen solcher Situationen vorhanden.
Anzahlungs- und Vorauszahlungskultur
Aus dieser Gemengelage entwickelte sich die Gepflogenheit, viele Aufträge nur noch gegen - oft unangemessen hohe - Anzahlungen bzw. Vorauszahlungen zu vereinbaren. Für den Bauunternehmer bedeuten die Anzahlungen billiges Geld, das er völlig unverzinst nutzen kann.
Für den Auftraggeber dagegen besteht immer das Risiko, dass das Bauunternehmen zwischen dem Zeitpunkt der Leistung einer Anzahlung und einem dazu angemessenen, bereits realisierten Baufortschritt pleite geht. Dazu gab es schon sehr viele spektakuläre Fälle, in denen Familien oder kleinere Unternehmen einen guten Teil ihres Ersparten für immer abschreiben mussten.
Auf der anderen Seite ist eine „kräftige“ Anzahlung Kalkulationsbestandteil beim Auftragnehmer, weil sie sich heute sehr weit als selbstverständlich durchgesetzt hat. Banken müssten sonst mehr für die Bauunternehmen kreditieren. Auch weil sie das in der Vergangenheit nicht immer wie erwartet getan haben, ist heute dieser „Zweitmarkt“ zur Geldbeschaffung in Form von Anzahlungen entstanden. So betrachtet haben sich die Banken ein wenig selbst ins eigene Fleisch geschnitten, denn eine Anzahlung in ihrer Eigenschaft als Darlehen - zu 0% Zins - ist konkurrenzlos günstig. Wenn Banken heute ihr eigenes überflüssiges Geld zu 0 % bei der EZB parken könnten, so wie der Bauherr dies beim Bauunternehmen in Form einer Anzahlung tut, wären sie froh. Der jüngst eingeführte Negativzins (oder Strafzins) für das Bankengeld führt zu einem gewissen Druck, das Geld tatsächlich an Kunden auszuleihen. Hätten die Banken sich in den vergangenen Dekaden öfter daran erinnert, dass diese Ausleihungen ein elementarer Teil ihrer Daseinsberechtigung sind, dann wäre diese Anzahlungskultur nie entstanden. Hier haben sich die Banken selbst von einem Spielfeld geschossen, auf dem allein im Bauwesen jedes Jahr viele Milliarden bewegt werden.
Anzahlung nur gegen Bürgschaft
Der clevere Auftraggeber wird eine geforderte Anzahlung nur gegen eine Bürgschaft in gleicher Höhe leisten, namentlich gegen eine Anzahlungsbürgschaft. So braucht er das Risiko, dass das Bauunternehmen seiner Wahl vor Auftragsabwicklung pleite geht, nicht selbst tragen. In zwei Ausnahmefällen kann der Auftraggeber auf diese Bürgschaft verzichten: Der Bauunternehmer steht finanziell so mit dem Rücken zur Wand, dass er gar keine Bürgschaft herausgeben kann, weil er selbst keine 'Bürgschafts-Kreditlinie' bekommt. In diesem Fall ist die geleistete Anzahlung für den Auftraggeber wie ein Lotterieeinsatz – mal gewinnt man, mal verliert man. Dies sollte sich der Auftraggeber sehr bewusst machen. Die zweite Ausnahme ist die Weigerung des Bauunternehmens, eine Bürgschaft herauszugeben mit der Begründung, man sei finanziell so gesund aufgestellt, dass man es nicht nötig habe, Anzahlungen zu verbürgen. Wenn sich dies in einer für den Auftraggeber nachprüfbaren Form als wahr herausstellt, besteht kaum ein Risiko, dass die Anzahlung plötzlich ohne Gegenleistung verloren ist. Diese beiden Fälle sind eher die Ausnahme, denn die Mehrzahl der Bauunternehmen ist weder „fast pleite“ noch finanziell derart gesund, dass dies sogar für einen Laien sicher nachvollziehbar ist und über einen gewissen Planungszeitraum in die Zukunft hinein auch so bleiben wird. Bei einer kleineren Anzahlung, die das Budget des Auftraggebers selbst bei einem Ausfall des Bauunternehmens nicht überstrapaziert, ist natürlich nicht ganz so viel Sorgfalt für die „Recherche“ notwendig.
In vielen Fällen ist also eine entsprechende Bürgschaft im Gegenzug für eine Anzahlung obligatorisch. Im Fall der Fälle springt der Bürge dann für das verlorene Geld des Auftraggebers ein. Der Bürge ist entweder eine Bank oder -immer häufiger- einer der wenigen für dieses Geschäft ebenfalls zugelassenen Versicherer.
Aus dem Nähkästchen
Warum kommen solche Bürgschaften immer mehr von Versicherern? Banken müssen eine Bürgschaft wie einen Kredit bewerten, die Bürgschaft wird also auf die Kreditlinie des Bauunternehmens angerechnet. Damit schmilzt dessen frei verfügbare Kreditlinie zusammen, der unternehmerische Spielraum wird kleiner.
Versicherer berechnen das Risiko mit anderen Maßstäben und können Ihre Einnahmen aus
Bürgschaften notfalls zusammen mit denen aus anderen Sparten betrachten, etwa aus Feuer- oder Haftpflichtversicherungen. Damit ergeben sich viel weniger Schwankungen auf das eigene Ergebnis, selbst in Zeiten, in denen viele Bauunternehmen „umfallen“. Die Ausfertigung von
Standardbürgschaften (im Baugewerbe sind das vor allem Gewährleistungs- und Vertragserfüllungsbürgschaften, aber eben auch Anzahlungsbürgschaften) ist längst voll automatisiert – hier kommt den Versicherern zugute, dass sie in anderen Sparten vor langer Zeit lernen mussten, auch kleine Verträge mit 50 oder 60 Euro Jahresprämie noch gewinnbringend zu verwalten. Banken haben höhere Stückkosten und verkaufen lieber „richtige“ Kredite zu „richtigen“ Zinsen als Bürgschaften. Eine Bürgschaft kostet - je nach Bonität des Kunden und nach Höhe - etwa zwischen einem und zwei Prozent der verbürgten Summe pro Jahr. Natürlich bringt, so betrachtet, der Konsumentenkredit mit neun Prozent Zinsen nach Abzug der Stückkosten wesentlich bessere Margen als eine Bürgschaft.
So kommt es, dass Versicherer gut mit Bürgschaften verdienen, obgleich sie diese im Durchschnitt sogar preiswerter und oft ohne Besicherung, zumindest aber gegen geringere Besicherung anbieten können als die Banken.
Was ist besser – die Bürgschaft von der Bank oder die vom Versicherer?
Auf Seiten des Bauunternehmens verhält sich mit dem Ergebnis aus der Abwägung, ob es seinen Bürgschaftsbedarf bei der Hausbank oder bei einem Versicherer eindeckt, spiegelbildlich umgekehrt. Die Bank verleiht mit Blick auf die notwendige eigene Marge lieber „richtiges“ Geld, sie umwirbt den eigenen Kunden schon deshalb gar nicht so sehr zum Thema Bürgschaften.
Wenn also die Einnahmen aus den Bürgschaften immer mehr bei den Versicherern landen, ist das für die Banken nicht unbedingt schlecht – denn so bleiben mehr Kreditlinien für „echte“ Kredite mit guten Renditen frei, weil diese nicht mit immer mehr Bürgschaften „verstopft“ werden.
Die Versicherer arbeiten ohne Vollbanklizenz und beschränken sich auf Bürgschaften, die sie, obgleich es sich im Ursprung um ein Bankgeschäft handelt, nach „Art der Feuerversicherung“ bewerben, verarbeiten und verwalten. Die Menge macht's, und weil die Automatisierung zu sehr geringen Stückkosten führt, nehmen sie dieses Geschäft gern mit.
Wenn der Kunde, der Bauunternehmer, schnell eine exotische Bürgschaft für einen Auftrag in einem fernen Land benötigt, wird ihm die Bank eher helfen als der Versicherer. Die Hochburg der Versicherer ist das Volumengeschäft mit den üblichen Bürgschaftsarten – und das können sie schnell, preiswert und seit über dreißig Jahren mit wachsendem Erfolg und Marktanteil abwickeln. Einzelne Anbieter schaffen es immerhin, auch allfällige „Sondertexte“ - also Vereinbarungen, die von standardisierten Bürgschaftstexten abweichen, automatisiert zu verarbeiten. Das ist für den Bauunternehmer eine sehr willkommene Entlastung, denn andernfalls bindet und bezahlt er qualifiziertes eigenes Personal für diese administrative Arbeit.
Auf einem Bein steht man nicht gut
Für den Bauunternehmer gilt, wie für Unternehmer aus anderen Branchen auch, dass man auf zwei Beinen besser steht. Daher finden sich oftmals mindestens zwei Banken, zu denen gute Beziehungen gepflegt und mit denen regelmäßig Geschäfte abgewickelt werden.
Das Bürgschaftsvolumen ist - je nach Ausrichtung und angebotenen Gewerken - bei vielen Bauunternehmen aber nicht geringer als das Geschäftsvolumen, welches mit den Banken abgewickelt wird. Dennoch ist hier die Strategie des „zweiten Standbeines“ weit weniger stark ausgeprägt. Ein zweiter Bürgschaftsgeber ist zwar häufig ebenso nützlich wie eine „doppelte“
Bankverbindung. Wegen des geringeren Umsatzes, der hier stattfindet (Bürgschaften sind „billiger“ als echte Kredite), wird dem aber weniger Bedeutung beigemessen - bzw. oft erst dann, wenn es aufgrund der aktuellen Ausgangssituation zu spät ist, um eine zusätzliche Bürgschaftslinie zu etablieren. Denn neben guten Geschäftszahlen, die in einer solchen Situation gerade nicht vorhanden sind, hilft vor allem eine bereits mehrjährig und störungsfrei verlaufene Geschäftsverbindung über schwierige Situationen hinweg.
Ein zweites Standbein will also auch hier in Zeiten „ohne Not“ gehegt und gepflegt werden, damit es stabil ist, falls der Unternehmer einmal darauf angewiesen ist. Trotz aller Automatisierung und sekundenschnellem Kauf von Waren und Dienstleistungen per Mausklick wächst eben auch heute jahrelang aufgebautes Vertrauen nur über die Jahre hinweg. Und da, wo heute kein Mensch mehr auf die Dauer einer störungsfreien Geschäftsverbindung schaut, haben Computerprogramme diese Aufgabe übernommen. Der Wert einer langjährigen Geschäftsverbindung mag durch die Automatisierung „kälter“ und unpersönlicher geworden sein, doch hat er seinen Gewichtsanteil für Entscheidungen in kritischen Phasen keineswegs eingebüßt – ganz gleich, ob eine manchmal schicksalhafte Entscheidung dann abschließend doch noch von einem Menschen oder wiederum allein von einem Computerprogramm getroffen wird.
Quo vadis, Markt?
Bürgschaften werden rund um den Bau von fast allen Banken angeboten, aber aus den weiter oben genannten Gründen geschieht dies ein wenig „lustlos“. Dieser Umsatz macht in etwa die eine Hälfte des Kuchens aus, welcher wegen der recht robusten Baukonjunktur und einer grundsätzlich wachsenden Unterlegung von Aufträgen mit Bürgschaften langsam, aber stetig weiter wächst. Die andere Hälfte des Umsatzes teilen sich vier bis fünf in diesem Spezialgebiet tätige Versicherer.
Für keinen dieser Versicherer ist der Beitrag der Bürgschaften zur Gesamteinnahme besonders hoch, so wenig, wie dies auch bei den Banken der Fall ist. Aber die Versicherer haben mehr Spaß an diesem Geschäft als die Banken, weil es sich, so wie sie es betreiben, lohnt.
Es ist also davon auszugehen, dass in Zukunft Banken weiterhin vor allem ausgefallene Bürgschaftswünsche bedienen werden, während das Volumengeschäft mehr den vier oder fünf hier engagierten Versicherern zuläuft. Neue Marktteilnehmer auf Versichererseite sind kaum in Sicht, dafür ist der Markt zu klein – und die Versicherer tun sich mit der bankmäßigen Ansprache eines potenziellen Kunden nicht leicht, dafür sind sie zu sehr in ihrer eigenen Welt zu Hause.
Für den Absatz von Bürgschaften ist das aber unbedingt erforderlich.
Aus beiden Welten das Beste
Der Bauunternehmer trifft auf eine für sein Unternehmen günstige Ausgangssituation, wenn er die geschilderten Zusammenhänge kennt, versteht und beim „Einkauf“ von Finanzdienstleistungen berücksichtigt.
Wenn erst einmal genügend Kredit- und Bürgschaftslinien vorhanden sind, wird es auch in „Verlängerungsrunden“ einfacher für den Unternehmer. Die „Gegenparteien“ werden in guten Zeiten nachgiebiger bei den Konditionen, wenn sie sehen, dass es noch mehr „Lieferanten“ gibt. Es wird auch in wirtschaftlich schwierigeren Jahren einfacher sein, Kredit- und Bürgschaftslinien zu halten, weil sich unter mehreren Kreditgebern (hier im weitesten Sinne, also einschließlich der reinen Bürgschaftsgeber) ein einzelner Kreditgeber niemals gerne lumpen lässt, soweit nicht alle entschlossen und geschlossen den Daumen nach unten halten. Die Abhängigkeit von einem einzelnen Kreditgeber hat schon manche Existenz gekostet, und im Nachgang stellte sich dann und wann heraus, dass ein ziemlich kerngesundes Unternehmen gegen die Wand gefahren ist.
Daher ist es gut, für echte Kredite nicht weniger als zwei Banken „griffbereit“ und für notwendige Bürgschaften ebenfalls nicht weniger als zwei Bürgschaftsgeber griffbereit zu haben. Das kann eine Bank und ein Versicherer oder - meist preisgünstiger - es können auch zwei verschiedene Versicherer sein. Dass eine wirtschaftliche Verflechtung zwischen Hausbank auf der einen Seite und (Bürgschafts-)Versicherer auf der anderen Seite die unternehmerische Strategie des unabhängigen „zweiten Standbeines“ konterkariert, muss eigentlich nicht besonders hervorgehoben werden. Zwei der anbietenden Versicherer sind hier wirklich frei, die anderen sind es nicht. Es kommt also darauf an, wo die eigene Hausbankverbindung besteht, um abschätzen zu können, welcher Versicherer unter dem Gesichtspunkt der Unabhängigkeit in Frage kommt.
Keine Zeit, sich um Kleinkram zu kümmern
Das höre ich seit vielen Jahren immer wieder, wenn ich mit Bauunternehmern über bessere Bürgschaftskonditionen spreche. Es ist nur allzu menschlich. Beim gemeinsamen Mittagessen kann man sich freuen, dass man das neue Auto oder die neue Baumaschine nochmal um 1.000 Euro unter den ausgezeichneten Preis gedrückt hat. Autos und Baugeräte kann man sehen und anfassen. Eine Bürgschaft ist und bleibt unsichtbar. Unsichtbare Produkte „verstecken“ sich, ein wenig auch, was ihren Preis betrifft. Wenn aber der hohe Preis nicht augenfällig ist, fällt es entsprechend schwer, diesen in die Aufmerksamkeit zu holen – und nur von hier aus will und kann man überhaupt einen besseren Preis oder andere bessere Bedingungen aushandeln.
Wir haben schon eine Bürgschaftsversicherung
Auch diesen Satz hört man häufig im Gespräch mit Bauunternehmerinnen und -unternehmern. Eine „Bürgschaftsversicherung“ ist aber kein Produkt wie eine Autoversicherung. Die Autoversicherung braucht man pro Fahrzeug wirklich nur einmal, und wenn man zwei für ein und das selbe Fahrzeug kaufen würde, wäre das Geld für die zweite Autoversicherung hinausgeworfen. Bürgschaftslinien dagegen stellt man nebeneinander, so wie Bücher in einem Regal. Oft ergänzen sie einander und führen im Ergebnis zu mehr Spielraum. Sie dienen der Existenzsicherung des Unternehmens. Die Einrichtung einer zusätzlichen Bürgschaftslinie führt man idealerweise in guten Zeiten durch – gerade dann, wenn man keineswegs darauf angewiesen ist.
Mit einer extra Bürgschaftslinie verhält es sich wirklich so wie mit guten Büchern. Wer würde ein gutes neues Buch ablehnen mit der Begründung: „danke, aber ich besitze bereits ein Buch“?
Der entspannte Unternehmer
Wenn alles Gesagte bis hier stimmt, führt ein jeweils zweites Standbein, bezogen auf Kredit- und Bürgschaftsgeber, zu mehr Entspannung. In guten Zeiten kann der Unternehmer durch die bessere Ausgangslage günstigere Konditionen verhandeln. In schwierigen Zeiten ist das Risiko, dass der (einzige) Kreditgeber übernervös wird und die „Geschäftsfreundschaft“ kündigt, damit - so gut es geht - eliminiert. Das sichert den Bestand des Unternehmens – und es entspannt.
Durch die besseren Einkaufskonditionen, hier allein auf Bürgschaften bezogen, reicht sogar etwas weniger Umsatz, um am Ende des Jahres doch den selben Gewinn zu erreichen.
Fluch und Segen
Der Bauunternehmer hätte am liebsten nur solche Kunden, die niemals Bürgschaften verlangen, denn Bürgschaften sind mit Arbeit und Kosten verbunden. So betrachtet sind sie ein Fluch.
Doch Anzahlungen, wenigstens aber Abschlagszahlungen, werden gern genommen. Und dass der Kunde so etwas wie eine Garantie auf die ausgeführten Arbeiten haben möchte, was dann in einer Gewährleistungsbürgschaft mündet, kann man ihm nicht verdenken.
Der Bauunternehmer rückt ja auch mit Maschinen an, auf die er einst eine Garantie erhalten hat – wir alle fühlen uns beim Kauf von Waren oder Dienstleistungen besser damit, schon weil wir uns mit dem, was wir gerade „zugekauft“ haben, selbst nicht auskennen. Der Maurer baut sein Haus gern selbst, weil er weiß, dass es dann „wenigstens etwas taugt“. Ich lese gern Kleingedrucktes in Versicherungsbedingungen beim Kauf um zu sehen, ob eine Police etwas taugt. Die meisten Ärzte würden sich am liebsten selbst behandeln, auch wenn das bei den Zähnen oder den Innenorganen nach der obligatorischen Narkose wohl schwerlich möglich ist.
Wenn wir also in unserer spezialisierten und arbeitsteiligen Gesellschaft gegenseitige Garantien für alles wünschen, von dem wir selbst nicht genug verstehen, wird es auch, bezogen auf den Baubereich, immer Bürgschaften im Sinne von Garantien bzw. als Ersatz dafür geben.
Hat sich der Bauunternehmer einmal bis hier in die Materie hineingedacht, kann er seine „Lieferanten“ für Kredite und Bürgschaften einmal überdenken, richtig auswählen und so sortieren, dass er für lange Zeit wenig Aufwand und viel Freude damit hat. Natürlich geht das bei den Bürgschaftsgebern wesentlich leichter als bei den Kreditgebern. Man kann eben nur den Spielraum nutzen, der unter vernünftiger Betrachtung und in einem angemessenen Verhältnis zum Aufwand wirklich vorhanden ist.
Bezogen auf Bürgschaften, die oft unter „Kleinkram“ laufen, unsichtbar sind und insoweit doch etwas weniger Aufmerksamkeit genießen, als ihnen eigentlich zusteht, lohnt es sich jedenfalls, zweimal hinzusehen.
Wie viel Arbeit macht ein zweites Bürgschaftsstandbein?
Für die Einrichtung einer zusätzlichen Bürgschaftslinie mit guten Konditionen, ganz gleich, ob es sich - je nach Bedarf und Betriebsgröße - um eine Linie von wenigen hunderttausend oder vielen Millionen Euro handelt, hat wohl noch kein Unternehmer mehr als ein paar Stunden einmaligen Aufwand gehabt. Ein vorbereitetes Telefonat, einige Zahlen, vielleicht noch ein persönliches Gespräch, mehr braucht es in neun von zehn Fällen nicht. Die Rendite aus diesem Aufwand ist, nachdem es nun einmal nicht ohne Bürgschaften geht, oft ein Segen. Man muss es nur machen.
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