Die Deutsche Bank als Synonym für den Abstieg Deutschlands
Von Hubert von Brunn
Es gab Zeiten – die Älteren werden sich noch daran erinnern – da galt die Deutsche Bank als der Inbegriff deutscher Tugenden: Seriosität, Zuverlässigkeit, Solidität, Ehrlichkeit… Dank dieser herausragenden Qualitäten genoss die DB international einen exzellenten Ruf und avancierte zu einer der größten Banken weltweit. Bis der Schweizer Josef Ackermann 2002 das Ruder übernahm und diesen Leuchtturm der deutschen Wirtschaft in seiner zehnjährigen Amtszeit in einen Trümmerhaufen verwandelte. Wo sich früher potente Unternehmer und Staatsmänner die Klinke in die Hand gaben, um lukrative Geschäfte zu machen, durchsuchten in der letzten Woche Beamte von BKA, Bundespolizei und Steuerfahndung die Geschäftsräume – inklusive der Vorstandsbüros.
Wieder einmal geht es um Geldwäsche. Vorerst stehen zwei hochrangige Mitarbeiter in Verdacht, Kunden dabei geholfen zu haben, Gesellschaften in Steueroasen wie den Jungferninseln zu gründen, um Geld zu waschen. Dabei seien nach ersten Mitteilungen der Staatsanwaltschaft auch „Gewinne“ aus Straftaten im Spiel gewesen. Diese Ermittlungen laufen seit August und beziehen sich auf die Jahre 2013 bis 2018. Ackermann hatte sich da schon längst auf seinem Schloss in der Schweiz gemütlich eingerichtet. Die Unregelmäßigkeiten, die jetzt Gegenstand der Ermittlungen sind, haben also unter seinen Nachfolgern Anshu Jain (Brite mit indischen Wurzeln) und John Cryan (Brite) stattgefunden.
Der Sumpf ist noch lange nicht trocken gelegt
Fällt was auf? 16 Jahre lang wurde das größte deutsche Bankhaus nicht von einem deutschen Staatsbürger geführt (Fitschen als Adlatus von Jain können wir hier getrost beiseite lassen). 16 Jahre, in denen sich Hybris, Gier und Charakterschwäche in den Frankfurter Zwillingstürmen breit gemacht haben und die einstmals hoch angesehene Deutsche Bank zu einem Geldinstitut von höchst zweifelhaften Ruf haben werden lassen. Aus den Reihen der Linken wird gar schon das Menetekel vom Entzug der Bankenlizenz an die Wand gemalt. So weit sind wir sicher noch nicht, aber der Augias-Stall, den der jetzige DB-Vorstand Christian Sewing – endlich mal wieder ein Deutscher – auszumisten hat, ist wahrhaft eine Herkulesaufgabe. Riskante Hypothekengeschäfte (vor allem in den USA), manipulierte Zinssätze, Geldwäsche, Panama Papers, Offshore Leaks, Cum-Ex-Aktiendeals usw. – bei all diesen zwielichtigen Geschäften haben Leitende Angestellte der Deutschen Bank kräftig mitgemischt und sich die eigenen Taschen vollgestopft. Das hat bereits zu unzähligen Gerichtsverfahren und Strafzahlungen in Größenordnung von über 20 Milliarden Euro geführt. Und der Sumpf ist – wie man jetzt sieht – noch lange nicht trocken gelegt.
Wie sich ein seriöses Bankhaus einen so windigen Gesellen wie Josef Ackermann ins Haus holen konnte, erschließt sich dem gesunden Menschenverstand nicht. Musste sich der Schweizer doch schon 2004 im Mannesmann-Prozess wegen des Vorwurfs der Untreue in der Übernahmeschlacht mit Vodafone verantworten. Egal, er gerierte sich als Messias, zeigte das Victory-Zeichen und machte es sich für ein Jahresgehalt von rund 13 Mio. Euro auf dem Chefsessel der DB bequem. Für einen veritablen Eklat sorgte er 2005, als er entgegen aller warnenden Stimmen das hirnrissige Ziel ausgegeben hat, eine Eigenkapitalrendite von 25 % (!) zu erzielen. Ein Aufschrei der Empörung ging durchs Land, als er gleichzeitig den Abbau von 6.400 Stellen verkündete. Das Ganze passierte an einem Tag, nachdem die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland erstmals die Fünf-Millionen-Grenze überschritten hatte. Politiker und Gewerkschafter sprachen von einer „Schweinerei“, sahen „tumbe Geldmenschen“ am Werk und riefen zum Boykott der Bank auf. Von da an ging’s bergab. Ackermann & Co. haben nicht nur die Bilanz und den Aktienkurs der Deutschen Bank ruiniert, sondern auch deren über viele Jahrzehnte weltweit nie in Frage gestellten guten Ruf.
Die Welt lacht sich tot
Aber damit nicht genug. Ist das Desaster der Deutschen Bank– isoliert betrachtet – schon schlimm genug, gerät es im Konzert der Peinlichkeiten, die in den letzten Jahren von Deutschland aus in die Welt gesandt wurden, zum Paukenschlag. Da ist der hilflose Versuch, in der Hauptstadt einen Flughafen zu bauen. Es will einfach nicht gelingen. Panne reiht sich an Panne – und die Welt lacht sich tot. Dieselgate! Geldgier und Arroganz haben das Aushängeschild der deutschen Wirtschaft, die Autoindustrie, allen voran Volkswagen, weltweit in Verruf gebracht. Welche unglaublichen Gewinne die Konzerne in den letzten Jahrzehnten eingefahren haben, konnte man allein daran ablesen, dass 20 Milliarden Strafzahlungen, zu denen VW in den USA verdonnert wurde, das Unternehmen überhaupt nicht beeindruckt haben. Der Imageschaden allerdings, den die deutschen Premiummarken mit ihren Schummeleien dem Qualitätssiegel „Made in Germany“ zugefügt haben, ist immens. Die Strafaktionen gegen deutsche Unternehmen kommen hauptsächlich aus den USA.
So hat es auch den Chemieriesen Bayer erwischt, nachdem er den amerikanischen Konkurrenten Monsanto geschluckt hatte. Plötzlich gibt es eine Flut von Klagen – und auch schon Strafzahlungen in Höhe von rd. 80 Mio. Euro waren fällig – wegen der Produktion von Glyphosat. Seit Jahrzehnten hat Monsanto dieses Pestizid hergestellt und weltweit zum Einsatz gebracht, natürlich auch in den USA. Alles kein Problem. Erst nachdem das deutsche Unternehmen in der Verantwortung war, wurde es zum Problem gemacht.
Was ist los mit Deutschland?
Nicht zu vergessen die Bundeswehr. Bei diversen Auslandseinsätzen, wo sie de facto nichts zu suchen hat, wird die Truppe verschlissen, während sie ihrer eigentlichen Aufgabe, der Landesverteidigung, gar nicht nachkommen kann, weil Schiffe nicht schwimmen, U-Boote nicht tauchen, Hubschrauber nicht fliegen und Panzer nicht fahren können. – Die Welt lacht sich tot. Und dann noch der Regierungsflieger, der ständig defekt ist, was zuletzt dazu führte, dass die Kanzlerin am G-20-Gipfel in Buenos Aires erst mit einem Tag Verspätung teilnehmen konnte. Noch peinlicher geht es kaum – und die Welt lacht sich tot.
Was ist los mit Deutschland? Dem Land der Dichter und Denker, Erfinder, Ingenieure und Tüftler, Wissenschaftler und Erneuerer? Kriegen wir nichts mehr auf die Reihe? Haben wir unser Pulver verschossen und müssen zusehen, wie andere Länder – beispielsweise China, die Schweiz oder die Türkei – Großprojekte anscheinend mühelos durchziehen? Im Moment sieht es danach aus. Das einstige Renommee, das wir als Wirtschaftsnation einmal hatten, haben namhafte Unternehmen (siehe oben) aus Geldgier und Hybris leichtfertig verspielt.
Ein Land mit einer starken Wirtschaft braucht auch eine starke Führung – zumal im Zeitalter der Globalisierung. Aber genau die haben wir nicht – und wie es aussieht, werden wir sie auch in den nächsten Jahren nicht haben. Wie das US-Magazin „Forbes“ jetzt wieder Kanzlerin Merkel zur „Mächtigsten Frau der Welt“ hochstilisieren konnte, erschließt sich mir überhaupt nicht.