------------------------------------

---------------------------------------

-------------------------------------

-------------------------------------

.

Silber aus der Zukunft betrachtet

Von Hans-Jörg Müllenmeister 

Im Jahr 2045, eine Generation weiter, blickt die Menschheit auf bedeutende Errungenschaften zurück. Mit unermüdlichem Einsatz wurde der Krebs besiegt und das globale Energieproblem durch bahnbrechende Kernfusionstechnologie gelöst. Milliarden von Solar-Panels und Windrädern wurden überflüssig, während auf grünen Irrwegen wertvolle Ressourcen verschwendet oder erschöpft wurden. Der größte Traum der Menschheit, den Mars zu besuchen, scheiterte tragisch Anfang der 2040er Jahre an einer missglückten Mission. 

Die Weltbevölkerung ist auf 9,2 Milliarden Menschen angewachsen, und wieder stehen ihr neue, scheinbar unlösbare Herausforderungen bevor. Das einst in LCD-Bildschirmen und Touchscreens weit verbreitete Indium ist aufgebraucht. Silber, das technische Multitalent, ist zwar nicht vollständig verschwunden, aber größtenteils in den wachsenden Müllbergen der Menschheit weltweit fein verteilt; seine ursprünglichen irdischen Vorkommen sind 2045 bereits erschöpft.

In einem verzweifelten Versuch, die wertvollen Reste zu bergen, durchforstet man fieberhaft die „Schuttminen“ der Zivilgesellschaft nach technischen Relikten vergangener Zeiten. Diese Spuren des verschollenen Silbers sollen der Industrie wieder zugänglich gemacht werden. Unter dem patriotischen Motto „Silber gab ich zum Wohle der Gesellschaft“ haben die Staaten längst die privaten Schatullen der Bürger robust „entsorgt“. Geschichtsbewusste erinnern sich an das Jahr 1813, als nach dem verlorenen Krieg gegen Napoleon die Staatskassen Preußens leer waren. Damals hieß das patriotische Motto: „Gold gab ich für Eisen“. Mark Twain sagte schon: „Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich“ – wie wahr, selbst nach 232 Jahren. 

Futuristisch, aber denkbar: Silbergewinnung aus den Ozeanen 

War es das Jahr 2044? Wir wissen es „noch“ nicht. Was wir jedoch sicher wissen: In den Ozeanen schlummern tatsächlich Silberpartikel – etwa zwei bis drei Gramm Silber in einem imaginären 10-Meter-Wasserwürfel (etwa 1.000 Tonnen). Hochgerechnet auf alle Meere der Welt ergibt das beeindruckende 1,332 Milliarden Kubikmeter und somit rund 2 Millionen Tonnen gelöstes Silber. 

Zum Vergleich:  Etwa 20 Millionen Tonnen Gold treiben fein verteilt in den Weltmeeren – ein ungehobener Schatz im Wert von über 700 Billionen Euro. Silber ist in unseren Ozeanen somit etwa zehnmal seltener gelöst als Gold. Unterseeische Hydrothermalquellen reichern das Meerwasser kontinuierlich mit Silber an. Dazu unser verursachtes Kontrastprogramm: Im Jahr 2024 treiben geschätzt 155 Millionen Tonnen Plastikmüll durch die Weltmeere! 

Übrigens, auf dem Meeresgrund dürften fünf bis elf Millionen Tonnen Abfall lagern.

Wie die Menschen im Jahr 2044 das Silber aus den Ozeanen extrahieren werden, bleibt vorerst ein Rätsel. Vielleicht durch Ionenaustauscher oder Biominig – die Zukunft wird es zeigen. Eines steht jedoch fest: In diesen fernen Jahren sind die Energieprobleme des Jahr 2024 längst Geschichte. Wirtschaftliche Extraktionsverfahren sind Realität geworden. 

Rückblick in die 2030er Jahre: Die Revolution des Silbers 

Während wir uns im Jahr 2024 noch zurückhalten, über unausgebrütete „Silber-Eier“ zu sprechen, ist es faszinierend zu sehen, wie sich die Anwendungen für Silber im Bereich der Hochtemperatur-Supraleiter entwickeln. Silber, bekannt als der beste metallische Leiter, hat zwar keinen Null-Leitungswiderstand wie Supraleiter, indes könnte seine Bedeutung in diesem Zusammenhang in den kommenden Jahren enorm steigen. Besonders spannend wird es, wenn die Industrie plötzlich hunderte oder gar tausende Tonnen Silber zusätzlich benötigt. In diesem Szenario könnte Silber, bisher als „Kleingeldspeicher“ bekannt, seinem großen Edelbruder Gold den Rang ablaufen und zur „korpulenten Großbank“ aufsteigen. 

Ein Blick in die Zukunft verrät uns, welche entscheidende technologische Rolle Silber spielen könnte: Um das Jahr 2030 herum bilden sich in Amerika zwei mächtige Allianzen entlang der West- und Ostküste. Die bevölkerungsreichsten und energiehungrigsten Staaten wie Texas, Kalifornien, Florida und New York sanieren ihre maroden Überlandnetze grundlegend. Alte Hochspannungsleitungen werden durch widerstandsfähige Erdkabel ersetzt, die gegen Naturgewalten wie Hurrikans und Sabotageangriffe geschützt sind. Diese Modernisierung wäre  ohne die einzigartigen Eigenschaften von Silber nicht möglich. 

Rückblende ins Jahr 202 plus x: Wieviel Silber ist bereits abgebaut? 

Bis heute wurden weltweit schätzungsweise rund 1,74 Millionen Tonnen Silber gefördert. Das entspricht einem Würfel von 55 m Kantenlänge.

2024 schätzt man die weltweiten Silberreserven auf auf 720.000 Tonnen. Rund 60% des jemals geförderten Silbers, also etwa eine Million Tonnen ist bereits verloren, weil es als Klein-Bestandteil von Elektrogeräten in Massen entsorgt wurde. Diese Tatsache ist vor allem auf den geringen Preis von Silber und die jeweils geringe Menge je Stückgut zurückzuführen: ein Silber-Recycling ist aktuell noch unrentabel. 

Im Jahr 2020 betrug die weltweite Silberförderung 23.500 Tonnen. Der aktuelle Marktwert des Silbers liegt bei über einer Billion Euro. Die Reichweite der Ag-Reserven liegt bei knapp 23 Jahren. Allein im Jahr 2020 produzierte Peru 2.770 Tonnen Silber und verfügt noch über etwa 57.000 Tonnen im Boden, was 10,8% der weltweiten Reserven ausmacht. Selbst in Deutschland wurde bis in die 1980er Jahre hinein noch Silber abgebaut, mit einer jährlichen Fördermenge von etwa 131 Tonnen. 

Riesige Silber-Glücksfunde: Im 15. Jahrhundert entdeckte man im Erzgebirge einen außergewöhnlich großen und reinen Silberknubbel, der aufgrund seiner flachen, tischartigen Form „Silbertisch“ genannt wurde. Dieser Fundort lag in der Nähe von Freiberg. Aber das größte jemals gefundene Silberstück ist der Kongsberg-Silberklumpen aus Norwegen, der 1968 in der Kongsberg Silbermine entdeckt wurde und beeindruckende 563 kg auf die Waage brachte.

Bedeutung des Silbers: Von der Frühgeschichte bis zum Mittelalter 

Silber hat in der Geschichte der Menschheit eine tiefgreifende Bedeutung. Bereits vor über 5.000 Jahren kannten und nutzten die Menschen dieses edle Metall. Die frühesten bekannten Silberfunde stammen aus dem Reich der Hethiter im heutigen Anatolien. Von dort aus wurde ein Großteil des Silberbedarfs der damaligen Hochkulturen in Ägypten, Griechenland und dem Nahen Osten gedeckt. Silber wurde vorwiegend für die Herstellung von Schmuck und Gefäßen verwendet. Der legendäre Schatz des Priamos, den Heinrich Schliemann bei seinen Ausgrabungen in Troja entdeckte, enthielt Vasen und Messerscheiden aus Silber.

Es gab tatsächlich Zeiten in der Geschichte, in denen Silber teurer war als Gold. Im alten Ägypten um 1500 v.u.Z. hatte Silber wegen seiner Seltenheit und der Schwierigkeiten bei der Gewinnung einen höheren Wert als Gold. Im Grab des Pharao Tutanchamun fand sich eine Trompete aus Silber. Auch der älteste bekannte Friedensschluss der Geschichte, etwa 1259 v.u.Z. zwischen Pharao Ramses II. und König Ḫattušili III., ist auf einer Silberplatte festgehalten.

Silber, das Symbol der Macht, verkörperte nicht nur kulturelle Bedeutung, sondern auch Beständigkeit, Reinheit und Wohlstand. Bereits in der Antike wurden Münzen aus Silber geprägt und Schmuck sowie dekorative Gegenstände geschaffen. Im Mittelalter spielte Silber eine wichtige Rolle als Währung und Handelsmedium. 

Statt Ag – Al: Die Aluminium-Mär am Hofe des Alten Fritz (1712-1786) 

Eine weitverbreitete Anekdote besagt, dass Friedrich der Große Aluminiumbesteck verwendete, da es damals teurer und wertvoller als Silber war. Doch diese Geschichte ist eher ein historisches Märchen. Tatsächlich wurde das erste Aluminiumbesteck erst im 19. Jahrhundert genutzt, nachdem im Jahre 1827 erstmals der Chemiker Friedrich Wöhler mit der Schmelzfluss-Elektrolyse reines metallisches Aluminium herstellte. 

Siegeszug des Silbers: unentbehrlich im Zeitalter der Industrialisierung 

Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert erlebte Silber einen wahren Boom. Dank seiner herausragenden Eigenschaften avancierte es zum Alleskönner unter allen Industriemetallen. Hier nur einige der über tausend Anwendungen in Industrie und Medizin:

Elektrische Leitfähigkeit: Als bester elektrischer Leiter wird Silber in vielen elektronischen Geräten, Leiterplatten und Kontakten eingesetzt. 

Reflexionsvermögen: Silber hat das höchste Reflexionsvermögen aller Metalle und eignet sich daher ideal für Spiegel und Thermosflaschen.

Wärmeleitfähigkeit: Aufgrund seiner hohen Wärmeleitfähigkeit findet Silber Verwendung in Wärmeleitpasten und -verbindungen.

Antibakterielle Eigenschaften: Silberionen wirken stark antibakteriell und werden in medizinischen Geräten, Wundauflagen und sogar in Kleidung eingesetzt, um Bakterienwachstum zu verhindern.

Lichtempfindlichkeit: Silberhalogenide sind lichtempfindlich und werden in der traditionellen Fotografie sowie in Röntgenfilmen verwendet.

Photovoltaik: In der Photovoltaik-Industrie erhöht Silber die Effizienz von Solarzellen.

Kolloidales Silber: Dieses besteht aus winzigen Silberpartikeln, die in Wasser suspendiert sind. Sie wirken als antimikrobielles Mittel gegen Bakterien, Viren und Pilze. 

Die Gegenwart hat uns wieder.

Highlights: RFID-Funkchips mit Silberantennen mit enormem Nachfragepotenzial

RFID-Funkchips sind bereits heute unverzichtbar in der Logistik-Industrie und im Großhandel. Sie werden auf Warenlieferungen und Paketen als Labels angebracht, gescannt, identifiziert und nachverfolgt. Die jährlichen Wachstumsraten sind beeindruckend zweistellig. Jeder dieser Chips enthält eine spiral- oder streifenförmige Funkantenne aus Silber, die für hohe Funkreichweiten sorgt und eine zuverlässige Datenerfassung ermöglicht.

Obwohl jeder Chip nur etwa 10 Milligramm Silber enthält, summiert sich der Bedarf durch den massenhaften Einsatz weltweit auf Milliarden von Chips täglich. Man könnte sagen: „Aus vielen Wenigen wird ein Viel“. Im Jahr 2003 wurden für RFID-Chips lediglich fünf Tonnen Silber benötigt, 2010 waren es bereits 65 Tonnen. In diesem Jahr wird der Bedarf auf 260 Tonnen geschätzt, und bis 2045 könnte der Silberbedarf für RFID-Chips 20% der gesamten heutigen Industrienachfrage ausmachen.

Ein Beispiel für den innovativen Einsatz von RFID-Chips ist der Reifenhersteller Michelin, der diese Technologie in seine Reifen integriert. So können die Reifen miteinander „kommunizieren“ und dem Fahrer über das Wartungssystem den aktuellen Zustand der Autoreifen mitteilen.

Der massenhafte Einsatz von RFID-Chips in verschiedenen Bereichen treibt die Nachfrage nach industriellem Silber stark an. Da diese Chips nur winzige Mengen an Silber enthalten und kaum recycelt werden, landen sie meist im Müll. Zukünftig könnten Supermärkte auf unbemannte Kassensysteme ohne Barcode-Scanner umstellen, bei denen jede Ware mit einem RFID-Chip ausgestattet ist, der drahtlos vor dem Verlassen des Geschäfts gescannt wird. Neben der Kassierfunktion verbessern RFID-Chips auch den Diebstahlschutz.

Die Nachfrage nach Silber steht auch in direktem Zusammenhang mit der neuen Kommunikationstechnologie (5G-Netz). Bis 2025 wird ein Verbrauch von 500 Tonnen Silber erwartet, und bis 2030 könnte dieser auf 715 Tonnen steigen. 

Neue Silber-Applikationen 2024 

Dank seiner Vielseitigkeit findet Silber immer neue Anwendungsbereiche. Kürzlich stellte Samsung eine bahnbrechende Feststoff-Batterie für E-Mobile vor, bei der eine Kompositschicht aus Silber-Karbon die herkömmliche Lithium-Anode ersetzt. Diese Ag-Karbon-Schicht verhindert Dendriten-Ablagerungen und damit Kurzschlüsse (und Brände), die bei Lithium-Ionen-Batterien häufig auftreten. Zudem kann die Batterie aufgrund der 40% höheren Energiedichte mehr Energie speichern. Ihre Lebensdauer beträgt beeindruckende 800.000 km, und sie bietet eine Reichweite von 1000 km. Bis zu 1.000 Ladezyklen sind möglich. Die Massenproduktion startet ab 2027. 

Die heutige Silberknappheit

Alles spitzt sich auf einen Aspekt zu: die deutliche Verknappungstendenz bei Silber. Da beißt die Maus keinen Silberfaden mehr ab. Andere edle Assets wie Gold und Diamanten gibt es in rauen Mengen. Zudem stehlen billig hergestellte synthetische Diamanten den natürlich gewachsenen die Schau und drücken ihren fiktiven Preis.

Ein weiterer Aspekt ist die monetäre Seite von Silber, die oft erst spät einsetzt. Wenn der Goldpreis bereits im Haussemodus ist und zu teuer wird, wechseln Anleger erfahrungsgemäß gern in das preiswertere Silberlager. Silber ist ein Spätzünder, kommt aber dafür umso gewaltiger in die Gänge. Zurückliegende Haussen zeigen das deutlich. Obwohl man der Chart-Technik nicht zu viel Raum geben sollte, arbeiten beide Edelmetalle derzeit an einer historisch einmaligen Tasse-Henkel-Formation in ihren Charts. Gehen Sie davon aus, dass Silber, je knapper es wird, nur eine Richtung kennt: nach oben! Selbst nach dramatischen Einbrüchen an den Aktien- und Anleihemärkten wird Silber kurz durchschnaufen, um dann zu neuen Ufern aufzubrechen. 

Silber mag derzeit unter 30 US-Dollar herumwuseln, doch lassen Sie sich nicht vom derzeit (1.9.2024) stagnierenden Silberpreis einlullen. Ein rückblickender Anleger aus der Zukunft würde die heutige Bewertung von Silber als einen Preis-Klacks betrachten. Ein heutiger Anleger müsste Silber als den wertvollsten Rohstoff mit dem größten Potenzial bezeichnen, gemessen an seinem aktuellen Preisniveau. Überlegen Sie als aufmerksamer Investor, in den kanadischen Maple Leaf zu investieren. Kunstliebhaber können zudem antikes Silber in Form von Vasen, Schüsseln, Tellern oder Statuen auf Aktionen zu attraktiven Preisen ersteigern. Silber hat das Potenzial, langfristig technisch zu glänzen und sich so ganz nebenbei als wertvolle Anlage zu behaupten.

Chancen sind wie Sonnenaufgänge, 
wer zu lange wartet, verpasst sie
.

Nach oben