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Malaysian MH 017 und die schnellen Erklärungen

Von Peter Haisenko 

Es strahlt kein guter Stern auf die Malaysischen Boeing 777. Erst das mysteriöse Verschwinden von Flug MH 370 und jetzt ist auch noch MH 017 über der Ukraine abgestürzt. Wir wissen nicht, was im Luftraum der Ukraine passiert ist. Umso mehr sollte es erstaunen, dass nur Augenblicke nach dem Unglück von zu vielen Seiten Meinungen publiziert werden, die jede für ihre Seite beanspruchen, die Wahrheit bereits zu kennen. Das erinnert mich sehr an die „endgültige Aufklärung“ der ukrainischen Putschregierung zu den Vorgängen auf dem Maidan.

Betrachten wir die Fakten: Ein großes Passagierflugzeug ist über der Ostukraine abgestürzt. Das ist das einzige, was im Moment – 18. Juli 2014 – sicher feststeht. Alles andere ist Spekulation, bis zumindest die Flugschreiber ausgewertet worden sind. Zu Recht fordern sowohl Kanzlerin Merkel als auch Präsident Putin umfassende Aufklärung von neutraler Seite. Die erste Frage, die zu stellen ist, lautet: Wieso wird von vornherein ein „ganz normaler“ Terrorakt oder technischer Defekt ausgeschlossen? Wäre dieses Flugzeug irgendwo anders abgestürzt, wären dies die ersten Vermutungen gewesen.

Aufwändige Technik, die nicht jeder bedienen kann

Gut, die Wahrscheinlichkeit ist nicht gering, dass Flug MH 017 abgeschossen worden ist. Als ehemaliger Flugkapitän habe ich mich auch mit diesem Risiko eingehend beschäftigen müssen. Dabei gab es ein eindeutiges Ergebnis: Ein großes Passagierflugzeug kann nicht so einfach abgeschossen werden. Vor allem dann, wenn es im Reiseflug in 10 Kilometer Höhe fliegt. Um das zu erreichen, bedarf es ausgefeilter Militärtechnik – eben Boden-Luft Raketen, die von einer Radarstation geführt werden. Nun haben die deutschen Nachrichten sofort kolportiert, die Separatisten in der Ostukraine hätten eine Abschussrampe für BUK M1 antiaircraft-missiles russischer Bauart unter ihre Kontrolle gebracht. Das reicht aber nicht. Um mit dieser Rakete ein Flugzeug in großer Höhe abzuschießen, braucht man die zugehörigen Radarstationen – und die haben die Separatisten nicht.

Hier ein Auszug aus der technischen Beschreibung, entnommen bei Wikipedia:

Eine Buk-M1-Batterie besteht aus je einem Radar- und Kommandofahrzeug sowie vier TELAR-Startfahrzeugen mit je vier Flugkörpern.

Eine Batterie besteht aus:

1 × Suchradar SNOW DRIFT (9S18M2 Kupol-2)

1 × 9S470-Kommandstation

4 × 9A310-Start- und Transportfahrzeug (mobile Raketenstartrampe) für die Lenkwaffen sowie das auf demselben Fahrzeug untergebrachte Feuerleitradar (2S35)

4 × 9M38-Lenkwaffen pro Startrampe

Buk M1 benutzt das Suchradar 9S18 oder 9S18M (russ. СОЦ 9C18 „Купол“) mit einer Reichweite von 85 km. Tieffliegende Ziele können in einer Flughöhe bis hinunter zu 100 m aus 35 km Entfernung, tiefer fliegende Ziele in 10 bis 20 km Entfernung verfolgt werden.

Das Feuerleitradar 9S470/9S470M1 arbeitet im H/I-Band und ist auf dem Startfahrzeug montiert. Es beginnt mit der Zielaufschaltung bei der Höchstreichweite der Rakete von 32 km und einer maximalen Höhe von 15 bis 22 km, je nach Modell.

Die Steuerung erfolgt mit dem halbaktiven Radar-Verfahren, bei dem das Ziel von dem Feuerleitradar permanent „beleuchtet“ wird und die Rakete den reflektierten Mikrowellen folgt.

Die Abschusstheorie bleibt vorerst Spekulation

Soweit die nackte Technik. Man sieht sofort, dass die Abschussrampe allein ungefähr so gefährlich ist, wie ein Schütze mit verbundenen Augen. Die Separatisten der Ostukraine haben, wenn überhaupt – und das ist eine unbewiesene Behauptung – nur eine Abschussrampe, kein Leitradar. Weiterhin benötigt man für den Betrieb der BUK M1 eine solide geschulte Mannschaft. Sowohl das eine wie das andere haben die Separatisten nicht. Ich halte es also für sehr unwahrscheinlich, dass Separatisten eine Rakete auf MH 017 abgefeuert haben. Auch ein Raketenbeschuss von russischem Territorium aus ist auszuschließen. Der Absturzort befindet sich mindestens 60 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Wie den technischen Daten für die BUK M1 zu entnehmen ist, beträgt die maximale Reichweite 32 Kilometer.

Ausgehend von der spekulativen Annahme, MH 017 wäre abgeschossen worden, muss der Zustand der Ukrainischen Flugabwehr betrachtet werden. Nicht nur dezimiert durch Desertationen, ist diese in sehr schlechtem Zustand. Es gibt Berichte, die davon ausgehen, dass für das gesamte Ukrainische System BUK M1, immerhin 60 Batterien, kaum qualifizierte Bedienmannschaften zur Verfügung stehen. Es gibt in dieser Hinsicht keine Notwendigkeit, denn gegen wen sollte die Ukraine Flugabwehr benötigen? Man hat die Flugabwehr in der Ukraine stark vernachlässigt. Unter diesen Gesichtspunkten, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Flug MH 017 einer völlig danebengegangenen Übung zum Opfer gefallen ist. Immerhin hat die Ukrainische Regierung in der letzten Zeit einige Abschussanlagen in den Osten des Landes verlegt. Das russische Militär bestätigt, dass zur Zeit des Absturzes mindestens eine Radarstation für die BUK M1 in der Gegend des Absturzes in Betrieb war, also Radarsignale ausgesandt hat.

Bei allen Spekulationen bleibt eine Frage stehen: Wieso ist Flug MH 017 überhaupt über diese Gegend geflogen? In der Ostukraine wird Krieg geführt. Es steht in der Verantwortung der Ukrainischen Flugsicherung, Flugzeuge weiträumig an möglichen Gefahrengebieten vorbeizuführen.

Eines sollte in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden: Es ist gerade mal 10 Jahre her, dass eine zivile russische Tu 154 vor Sotschi „aus Versehen“ von einer Ukrainischen Rakete abgeschossen worden ist. Auch von Sowjets, Amerikanern, Israelis u.A. sind in der Vergangenheit schon zivile Flugzeuge „aus Versehen“ abgeschossen worden.

Solange der Flugschreiber nicht von neutraler Stelle ausgewertet worden ist, darf man keine Möglichkeit ausschließen. Vor allem deswegen, weil es Parallelen zum Verschwinden des Flugs MH 370 gibt. Die Flugzeit vom Start bis zum Absturz/Verschwinden ist bei beiden Ereignissen nahezu identisch. Etwa eineinhalb Stunden. Dem Fachmann drängt sich deswegen die Frage auf, ob es hier einen Zusammenhang geben kann. Schon bei MH 370 ist auf Probleme mit dem gebremsten(!) Bugrad der B 777 hingewiesen worden. Explodiert ein überhitzter Reifen, kann das schon zum „unerklärlichen“ Absturz führen. Aber auch das muss vorerst Spekulation bleiben. Sollte sich das als Ursache herausstellen, können wir sicher sein, dass uns dieses Ergebnis vorenthalten wird. Sämtliche Boeing 777 müssten dann nämlich auf unbestimmte Zeit Flugverbot erhalten.

Auch ich trauere mit den Angehörigen der Opfer. Allerdings irritiert mich, dass bei dem gesamten Vorgang nur von Russland, der Ukraine, den USA oder Deutschland gesprochen wird. Leidtragend ist aber Malaysia. Der Absturz der MH 017 ist sofort zum Politikum erklärt worden. Ein Flugunfall, gleichgültig unter welchen Umständen, ist aber kein Politikum, er muss zuallererst technisch aufgeklärt werden. Da habe ich allerdings meine Zweifel, denn die gegenseitigen Beschuldigungen aller Beteiligten und nicht direkt Beteiligten sind keine gute Voraussetzung für eine angemessene und professionelle Aufklärung.

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