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Der Airbus A 380 im Kreuzfeuer

Von Peter Haisenko 06.11.2010

Der A 380 von Airbus ist das größte und modernste Passagierflugzeug der Welt. Er ist einfach sensationell – also muss alles, was rund um diesen Titanen der Lüfte passiert, auch sensationell sein?! Besser nicht!

Mit dem A 380 hat es Airbus endlich geschafft, dass Boeing seine Kunden nicht mehr erpressen kann. Lange Jahrzehnte war Boeings 747 konkurrenzlos. Keine renommierte Airline konnte ohne dieses Flugzeug bestehen. Diesen Umstand hat Boeing ausgenützt, um seinen veralteten Schrott weiterhin an die Airlines verkaufen zu können. Wenn Boeing-Kunden auf die besseren Produkte von Airbus umrüsten wollten, drohte Boeing an diesen Carrier in Zukunft keine 747 mehr liefern zu wollen. Dass die Produkte von Airbus denen von Boeing überlegen sind, hatte selbst das amerikanische Verteidigungsministerium erkannt und wollte seine Tankerflotte mit Airbus-Flugzeugen ausrüsten. Nur die massiven Interventionen der Lobbyisten konnten diese nationale Katastrophe verhindern.

Der A 380 ist der natürliche Feind von Boeing und damit der amerikanischen Nationalökonomie. Dieser Feind muss bekämpft werden – mit allen Mitteln. So musste die Weltöffentlichkeit erleben, wie ein alltäglicher Vorgang zu einem Medienereignis aufgeblasen worden ist. Nahezu täglich verweigert irgendwo auf der Welt ein Flugzeugtriebwerk seine ordnungsgemäße Funktion. Auch bei der Boeing 747.

Der Zufall hat Qantas bereits wenige Tage nach dem Vorfall mit dem A 380 einen Triebwerksausfall mit der 747 beschert. Dass die Weltöffentlichkeit darüber informiert worden ist, ist nur dem Umstand zu verdanken, dass Quantas das Pech mit der A 380 hatte. Normalerweise wäre über den Triebwerksausfall der 747 nicht einmal in den internen Sicherheitsnachrichten der Airlines berichtet worden. Der Ausfall eines Triebwerks – so selten er vorkommt – ist für einen Airlinepiloten keine besondere Herausforderung. Das wird Jahr für Jahr einige Duzend Male im Simulator geübt.

Besonders Flugzeuge mit vier Triebwerken – wie der A 380 oder die 747 – haben wenig Probleme, wenn nur ein Motor ausfällt. Im Simulator werden die Piloten sogar trainiert, ihr Flugzeug auch nach Ausfall eines weiteren Motors sicher zu landen. Mehrmals pro Jahr, routinemäßig bei jeder Trainingseinheit. Im Simulator dürfen die Helden der Lüfte sogar manchmal beweisen, dass sie in der Lage sind, ein viermotoriges Flugzeug mit nur einem funktionsfähigen Motor ohne weitere Schäden auf einem Flugplatz abzustellen. Bei einem vierstrahligen Verkehrsflugzeug ist die außerplanmäßige Landung nach Motorschaden eine sogenannte Sicherheitslandung, keine Notlandung.

Gut, der Triebwerksausfall der Qantas A 380 in Singapur war der erste eines A 380. Damit ist der Nachweis erbracht worden, dass auch modernste Wissenschaft und Technik nicht gegen Störfälle gefeit ist. Das hatte aber auch kein Fachmann erwartet. Ansonsten ist in Singapur nichts aufregendes passiert. Der Hype, der darum gemacht worden ist, schadet der ganzen Industrie. Menschen mit Flugangst fühlen sich bestätigt und werden Flugzeuge noch zögerlicher besteigen. Nur Boeing profitiert. Es ist einfach wundervoll, wenn das Spitzenmodell der Konkurrenz negative Schlagzeilen macht.

Der Fachmann allerdings kann an diesem Vorfall Tendenzen erkennen, die nachdenklich stimmen sollten. In den Anfängen der Jet-Fliegerei hatten die Turbinen nur kurze Standzeiten. Sie mussten bereits nach wenigen hundert Stunden Betriebszeit generalüberholt werden. Mit fortschreitender Erfahrung und verbesserter Technologie konnten die Standzeiten nach und nach auf einige Tausend Stunden verbessert werden. Generell galt, dass jeder Motor nach einer bestimmten Laufzeit generalüberholt werden muss. In den 70er Jahren war die Zuverlässigkeit der Triebwerke dann so gut geworden, dass ein routinemäßiger Austausch zur Wartung nur noch in Ausnahmefällen Vorschrift war. Es galt das Wartungsprinzip „on condition“. Die Parameter des Triebwerks werden laufend abgefragt und nur wenn ein Parameter in eine bedrohliche Richtung abweicht, wird dieser Motor in die Überholung gegeben.

Bis vor wenigen Jahren galt aber immer noch das Prinzip, dass sich jeder neue Motorentyp erst verdienen musste, nach „on condition“ gewartet zu werden. Das heißt, dass neue Motorentypen erst in kürzeren und dann immer längeren Intervallen zerlegt, analysiert und wieder in den Betrieb gegeben wurden, bis sie für den Betrieb nach „on condition“ freigegeben waren. Das kostet Geld und in den meisten Fällen zeigte die Erfahrung, dass moderne Motorentypen von Anfang an äußerst zuverlässig sind. Die Kaufleute drängten also darauf, diese Zyklen des Zuverlässigkeitsnachweises immer weiter zu strecken.

Sowohl der A 380 selbst als auch seine Motoren stoßen in neue Dimensionen vor. Die Grenzen der Physik scheinen in greifbare Nähe gerückt. So, wie es jetzt aussieht, hat eine Rotorenscheibe im Hochdruckbereich des Trent 972 Motors von Rolls Royce in Singapur der enormen Belastung nicht mehr standgehalten. Der Trent 972 ist die noch leistungsstärkere Version des Trent 970 Motors. Lufthansa hat sich für den Trent 970 entschieden, der nicht ganz so ausgereizt ist. Es ist folgerichtig, dass der erste ernsthafte Schaden an einem Motor des A 380 bei der leistungsstärkeren Version aufgetreten ist. Die Betreiber des A380 mit Trent 972 haben jetzt ein Dilemma.

Wenn ein Flugzeugtyp bereits einige Jahre im Betrieb ist, wird darauf geachtet, dass die angebauten Motoren unterschiedliche Laufzeiten hinter sich haben. Das soll sicherstellen, dass ein Problem, das nach einer bestimmten Laufzeit auftauchen könnte, nicht an allen Motoren gleichzeitig auftritt. Bei neuen Flugzeugen mit neuen Motoren geht das natürlich nicht. So gesehen war es richtig und notwendig, dass Qantas seiner A 380 Flotte erstmal ein Flugverbot erteilt hat. Die Wahrscheinlichkeit ist gegeben, dass an den anderen Motoren mit gleicher Laufzeit derselbe Fehler auftritt. Besonders dann, wenn ein „Design-Fehler“ postuliert wird, wie Quantas das getan hat.

Unter dem Aspekt maximal möglicher Sicherheit dürften Trent 972 Motoren mit ähnlicher Laufzeit wie der jetzt zerborstene bis auf weiteres nicht mehr im Liniendienst eingesetzt werden, bis die Ursache des Ausfalls eindeutig geklärt ist. Es gibt einfach zu wenige Erfahrungswerte mit diesem Motor, die belegen könnten, dass dieser Ausfall eben nicht auf einem Design-Fehler beruht und nur ein „Ausrutscher“ war. Hier müssen nun die Kaufleute ihr Veto einlegen. Ein solches Vorgehen könnte die Existenz einer Airline gefährden, abgesehen davon, dass gar nicht genügend Triebwerke dieses Typs zur Verfügung stehen, um alle anderen mit der fraglichen Laufzeit zu ersetzen.

Sicherheit und Wirtschaftlichkeit im Luftverkehr sind natürliche Feinde. Es ist die Kunst eines guten Managements den schmalen Grat dazwischen richtig zu erkennen und ihn auch zu beschreiten. Es sieht so aus, als ob im Fall des Trent 972 Motors ein wenig zu weit in Richtung Wirtschaftlichkeit gegangen worden ist. Auf der anderen Seite muss man den Kaufleuten insofern wieder Recht geben, weil tatsächlich nichts geschehen ist, was das Leben von Crew und Passagieren in Gefahr gebracht hat. Im Gegenteil könnte man sogar sagen, dass mit dem Motorausfall in Singapur der Nachweis für die Funktionsfähigkeit des gesamten Systems erbracht worden ist. Deswegen werde ich nicht müde zu betonen, dass es keinen sichereren Ort auf dieser Welt gibt, als an Bord eines Verkehrsflugzeugs einer renommierten Airline. Lassen Sie sich nicht verunsichern von aufgeblasenen Meldungen, die eigentlich keine sind.

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