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Stammzellen: unsere eingeborenen Körperheiler

Von Hans-Jörg Müllenmeister

Therapien, die den Medikamenten-Konsum einschränken oder gar entbehrlich machen, betrachten Pharmalöwen argwöhnisch als fleischlose Kost. Trotz der Medikamentenflut nehmen chronische Volksleiden dramatisch weiter zu. Die regenerative Medizin verspricht einen natürlichen Ansatz zur Heilung, und zwar mit adulten, also erwachsenen Zellen, die defekte körpereigene „Arbeitszellen“ wieder herstellen und neu bilden. Über einen „Denkanstoß“ von außen, lernt der Körper sich aus eigener Kraft zu heilen. Das birgt auch ein großartiges Potential zur Entwicklung von medikamentenfreien Heilmethoden für zahlreiche Stoffwechselerkrankungen.

Die Idee von der Selbstheilung ist ein uralter Menschheitstraum. Unsere „Gehirnfabrik“ selbst vermag Antriebs- und Bremskräfte freizusetzen, die unseren „eingeborenen Körperheiler“ aktivieren oder auch fesseln. Gemeint sind Dutzende von Botenstoffen und Hormonen ‒ vom Schmerzmittel bis zum Glückshormon Endorphin, vom Adrenalin bis zum Cortisol. Unglaublich aber wahr: positive Gedankenbilder allein können bereits Selbstheilungskräfte entfachen. Bewußt wollen wir hier Heilmethoden, die im skralen Bereich liegen, der Kompetenz und Deutung von Glaube und Religion überlassen. Fragen wir uns pragmatisch, ob die Natur Beispiele für Selbstheilung bietet und welche Erkenntnisse sich daraus ableiten.


Ein genialer „Nachwuchs“-Künstler

Im Xochimilco-See, nahe Mexiko City, liegt der einzige natürliche Lebensraum eines außergewöhnlichen Schwanzlurchs namens Axolotl. Auf deutsch bedeutet das Wassermonstrum. Amputationen durch Bisse von Artgenossen bei Revierkämpfen sind nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist vielmehr, daß abgetrennte Gliedmaßen dem Lurch nachwachsen, sogar Teile von Herz, Hirn und Wirbelsäule erneuern sich nach Verletzungen. In Bruchteilen von Sekunden hören die Blutungen auf, und das eigenständig. Wie ist das möglich? Nach einer Verwundung bildet sich binnen weniger Stunden ein Wundepithel ‒ ein Hautüberzug, der die Wunde nach außen hin abschließt und auch das darunterliegende Gewebe zur Heilung anregt. Wissenschaftler untersuchen das Steuersystem dieses phänomenalen, narbenlosen Heilungsprozesses, das heißt im einzelnen die Botenstoffe, das Immunsystem und die Wachstumsfaktoren.

Nach wenigen Tagen entsteht bei verlorenen Körperteilen eine Art Regenerationsknospe, aus der dieser Körperteil nachwächst. Wissenschaftler wollen dem Tier das Geheimnis seiner Wundselbstheilung entlocken, um damit eines Tages Brandopfern oder Amputierten zu helfen. Obschon der Lurch ein hohes Alter erreichen kann, wird Axolotl nie richtig erwachsen: Statt sich zu einem fertigen Salamander zu entwickeln, gefällt ihm ein Leben lang sein Larvenstadium. Da wir Menschen eine gemeinsame Evolutionsgeschichte mit den Amphibien haben, ist grundsätzlich die Regeneration in unserem genetischen Bauplan angelegt. Es wäre die Erfüllung eines Menschheitstraums, wenn wir unser Regenerationsvermögen extrem steigern könnten. Wir müssen „nur“ darauf kommen, wie Axolotl diesen Regenerationsprozess anfacht. 


Der Jakobsweg Adulter Stammzellen

Das Hick Hack um embryonale Stammzellen sei Thema der Ethik und Politik. Hier beschäftigen wir uns nicht mit dem problematischen Hoffnungsträger Nummer eins, vielmehr mit dem „Zweitligisten“, den adulten Stammzellen. Diese Zellen müssen sich selbst immer wieder erneuern, damit ihr Reservoir jederzeit „Gewehr bei Fuß“ steht, um defekte „ausdifferenzierte“ Zellen zu ersetzen.

Während embryonale Stammzellen nur im frühen Embryo vorkommen, finden sich adulte Stammzellen in Geweben und Organen von Geburt an. Zeit unseres Lebens schöpft unser Körper aus einem Pool von adulten Stammzellen – etwa aus dem Knochenmark. Aus diesen „Zell-Legobausteinen“ können sich 200 reife Arten von Zellspezialisten entwickeln. Und das mit ganz unterschiedlichen Aufgaben: Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse produzieren Insulin, Muskelzellen ziehen sich zusammen, Nervenzellen leiten elektrische Impulse.

Hauptproduktionsstätte für unsere Stammzellen ist das Knochenmark. Bestimmte Botenstoffe veranlassen sie, über die Blutbahn auszuschwärmen, um regenerationsbedürftige Organe zu reparieren. Selbst das Zerstören von Krebsherden gehört dazu. Dahinter steckt ein feines mysteriöses Netzwerk, das unsere Selbstheilungskräfte aktiviert. Unser körpereigenes Selbsterneuerungssystem ist um so leistungsfähiger, je höher die Konzentration von adulten Stammzellen in der Blutbahn ist. Diese läßt mit zunehmendem Lebensalter nach. Während wir im Alter von 25 Jahren an die 25 Millionen Stammzellen pro Kubikzentimeter im Blut haben, reduzieren sich diese auf etwa fünf Millionen im Alter von etwa 60 Jahren. Dahinter steckt das Protein L-Selectin, denn es hemmt mit zunehmendem Alter die Freigabe der Stammzellen aus dem Knochenmark in die Blutbahn. Übrigens, unter 10000 bis 15000 Blutzellen befindet sich nur eine Stammzelle. 


Vermehrt adulte Stammzellen im Blut

Stammzellen in unserem Körper sind schlafende „Genies“, die sich in jede Art von Zellen verwandeln und einbringen können. In die Blutbahn abgegeben, sind sie anfangs unprogrammiert. Erst durch den Botenstoff-Impuls aus der jeweiligen geschädigten Körperregion wandern die Stammzellen über die Blutbahn dorthin ‒ als spezialisierte, nun programmierte Zelle. Je mehr Stammzellen in unserem Blutstrom zirkulieren, um so intensiver verläuft der Erneuerungsprozess unseres Körpers oder um so besser funktionieren wieder die zuvor geschädigten Organe und Gewebe.

Als probates Mittel kannte man bisher die klinische Stammzellen-Vermehrung. Jetzt ist es den Forschern gelungen, auf natürlichem Weg die Anzahl der Stammzellen im eigenen Körper zu erhöhen. Risiken, die eine operative Stammzellenvermehrung mit sich bringen, sind da ausgeschlossen. Man fand heraus, daß bestimmte Inhaltsstoffe der „blaugrünen“ Afa-Alge vermehrt Stammzellen in die Blutbahn freisetzt. Diese Cyanobakterienart, die als Wasserblüte in Teichen und Seen vorkommt, liefert u.a. viel Alpha-Linolensäure (Omega-3-Fettsäure), Vitamin K, Chlorophyll, Phytocyanin, sowie 20 der 25 im menschlichen Körper produzierte Aminosäuren. Ein reiches Potential an Enzymen und solchen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen, die als Co-Enzyme Bestandteil von Enzymen sind, erweitern das Potpourri. 


Versteckt unter Dickdarmzellen: adulte Stammzellen

Lange schon ist bekannt, daß sich Stammzellen bei Bedarf in neue Darmepithelzellen verwandeln, und zwar zügig in wöchentlichen Erneuerungsraten. Aber wo sitzen diese „Verwandlungskünstler auf Abruf“? Im Darm? Morphologisch unterscheiden sich Dickdarm-Stammzellen kaum von normalen Zellen der Darmschleimhaut, denn ihre Oberflächenstruktur ist, mikroskopisch gesehen, nahezu identisch mit gewöhnlichen Zellen. Offensichtlich hausen Stammzellen vereinzelt versteckt in „Gewebenischen“ der Schleimhautzellen. Aber: Stammzellen produzieren ein bestimmtes Oberflächenprotein besonders stark. Forschern gelang es durch einen Antikörper dieses Oberflächenmolekül zu erkennen und so die Zellen aus dem Dickdarmgewebe zu isolieren; sie ahmten die Bedingungen im Gewebe nach und entwickelten ein Kulturmedium, in dem die Stammzellen wuchsen. In der Kulturschale kann man sie auch dazu bringen, sich in Darmzellen zu verwandeln. Vielleicht gelingt eines Tages durch gezüchtete Dickdarm-Stammzellen an Dickdarmkrebs Erkrankte zu heilen. Die gezüchteten Dickdarm-Stammzellen sollen auch helfen, die Vorgänge bestimmter Krankheiten besser zu verstehen. Darunter etwa Morbus Crohn, bei der die Darmwand dauerhaft entzündet ist. 


Wäre irgendwann das kranke Gehirn regenerationsfähig?

Glaubt man neuesten Forschungsergebnissen, dann finden sich Stammzellen nicht nur in Zahnwurzeln, in der Skelettmuskulatur und in der Leber, sondern sogar – nicht klar lokalisierbar – im Gehirn. Um die Vorstufe der „Grauen Zellen“ zu züchten, müsste man erst Gewebe des Gehirns extrahieren und kultivieren, im Sinne von vermehren ‒ eine kaum lösbare Aufgabe. Es wäre ein Segen, wenn damit die kranken Gehirne unserer Politiker geheilt werden könnten. 


Adulte Zellen helfen bei Verbrennungen und Wunden

Es ist ein Wunder wie unser Körper bei einer Verwundung seine regenerativen Fähigkeiten einsetzt. Woher weiß der Körper, wie viele Zellen welcher Art an der Verwundung nötig sind? Es scheint, daß Blut und Gewebe um die Wunde herum genau das Wissen in sich tragen, was zur Heilung nötig ist. Isolierte Zellen im Reagenzglas fehlt dieses „Körperwissen“. Außerhalb des Körpers wächst ein Zelltyp schneller als der andere – die Gewebe kennen außerhalb des Körpers keine natürlichen Grenzen. Sie vermehren sich unkoordiniert, manche entarten sogar. Einer der führenden Gewebeforscher, Prof. Bader, regt deshalb das Gewebe direkt an der Wunde an, um vor Ort die Zellen und Wachstumsfaktoren zu bilden. Dann läuft das von der Natur vorgegebene Programm ab.

Woraus besteht sein Wundermittel? In diesem Stammzellen-Wundgel sind Wachstumsfaktoren für das Blut enthalten sowie körpereigene Stammzellen, die aus dem Blut oder Knochenmark des Patienten stammen. Körpereigene Botenstoffe des Immunsystems, so genannte Zytokine, gehören auch zum Therapiemix. Man ahmt zudem in der Therapie einen lokalen Sauerstoffmangel nach, damit der Körper sein Heilungsprogramm anwirft. Ein Inhaltsstoff, das Proteinhormon Erythropoietin (EPO) regt bestimmte Zellen des Körpers zur Regeneration an. Als Dopingmittel hat es ein gewisses Geschmäckle, dient es doch Radsportlern dazu, die Anzahl ihrer roten Blutkörperchen zu erhöhen. Mit diesem Verfahren gelingt es auch, verbrannte Haut doppelt so schnell und vor allem narbenfrei zu heilen. 


Noch Utopie: der komplette Aufbau von Ersatzorganen

Vorab: Bei körpereigenen Zellen gibt es überhaupt keine Probleme mit der Immunabwehr. Ersatzgewebe wird aus Zellen hergestellt, die aus dem Körper selbst stammen. Und die sind alte Bekannte des Immunsystems. Also werden sie nicht als Fremdlinge wahrgenommen und nicht abgestoßen.Tasten wir uns an die Problematik von der einzelnen adulten Stammzelle bis zum fertigen Organ heran. Das Züchten von einem Typ Zelle wie den Knorpelzellen – sie besitzen keine Blutgefäße – oder Leberzellen in Zellkultur-Flaschen ist unproblematisch. Danach kann man sie auch ohne Komplikationen an einem Defekt implantieren.

Doch die Zellen finden sich nicht von selbst etwa zu einem Herzen oder einer funktionierenden Niere zusammen. Und jetzt wird es spannend! Wie gelingt es, aus organspezifischen humanen Zellen Organe oder Organteile zu rekonstruieren (Tissue Engineering)? Ohne Hilfsmittel wäre das undenkbar, denn die einzelne Zelle vermag sich nicht zu dreidimensionalen Strukturen zu organisieren. Man arbeitet in der Regel mit einem Stützmaterial aus porösem Kunststoff, auf das man die Zellen aufbringt. Diese Stützen – so genannte Scaffolds – geben die Form vor, die das Gewebestückchen später haben soll. Dadurch können sich die Zellen dreidimensional anordnen und behindern sich gegenseitig nicht beim Wachsen.

Ein wichtiges Gerät für das Züchten von Gewebe im Labor ist der Bioreaktor. In einem solchen Gefäß herrschen zum einen genau die Bedingungen, auf die das Gewebe im Körper trifft: Temperatur, Sauerstoffgehalt und Feuchtigkeit. Zum anderen lassen sich die gewünschten Belastungen auf das Gewebestück ausüben. Die 'in-vitro'-Züchtung (im Glas) oder das Tissue Engineering von komplexen Geweben ist heute noch extrem schwierig. Stellen Sie sich die Entwicklung eines Organs wie die Erbauung einer Stadt vor. Die Einwohner wären hier die Zellen, die mit Nahrung über eine Infrastruktur versorgt werden müssen. Das Rohrsystem entspräche den nachzubildenden Blutgefäßen. Ein schwieriges Unterfangen! Vor allem muß man die Bedingungen schaffen, die dem Organ im Körper zu eigen sind. So kommen z.B. Herzklappen regelrecht ins „Fitness-Studio“: Sie sitzen in einem flüssigkeitsgefüllten Silikonschlauch, in dem in regelmäßigen Abständen ein Druck aufgebaut wird – so wie ein schlagendes Herz es auch macht.

Neuerdings sollen 3-D-Drucker, gespeist mit Kartuschen voller Zellen unterschiedlichster Art, ganze Organe aufbauen können: Erste Prototypen gibt es schon! Die Drucker können gezüchtete Zellen zusammen mit Stützsubstanzen und Wachstumsfaktoren so positionieren, daß Schicht für Schicht ein neues Organ entsteht. Das hört sich nach Sciencefiction an. 


Phänomene bei Organ-Transplantation

Bei normalen Transplantationen von Spendern auf Empfänger gab es gelegentlich Merkwürdiges zu beobachten: Der Empfänger erfuhr eine Wesensveränderung; er nahm Gewohnheiten und Wesenszüge des toten Organspenders an. Nur eines der vielen Fallbeispiele aus USA: Da gab es eine Amerikanerin, die nach einer Herztransplantation auf der Intensivstation erwacht und Lust auf ein Bier verspürt, obwohl sie Alkohol immer strikt ablehnt hatte. Ihre plötzliche Vorliebe für Fastfood läßt sich genauso wenig erklären wie ihr plötzliches Interesse an Rap-Musik. Genau diese Vorlieben pflegte aber der Spender.

Offensichtlich kann jede Körperzelle Informationen speichern, auch das „Gedächtnis“ unseres Immunsystems; es sind Informationen zu allen Krankheitserregen, mit denen es in Kontakt gerät. Bei erneutem Kontakt kann das Immunsystem dann effizienter auf die Bedrohung reagieren. Wie sich aber Informationen vom Spenderorgan auf den Empfänger übertragen, ist rätselhaft. Wir wissen zwar, daß es an der Zelloberfläche Rezeptoren (Antennen) gibt, die Signale empfangen können. Kaskaden-artig breitet sich das Signal innerhalb der Zelle bis zum Empfängermolekül aus. Tritt im energetischen Feld einer Zelle eine Schwingung auf, die mit den Zellantennen in Resonanz gerät, verändert sich die elektrische Ladung des Zellproteins. Letztlich steuern und beeinflussen die Gedanken unsere Körperzellen.

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