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Die finanzielle Kernschmelze

Von Wilfried Schuler

Generationen von Gegnern der Kernkrafttechnologie haben sich in den Kämpfen dagegen verschlissen. Ein Grund dafür waren die Medien, die lange Zeit auftragsgemäß gänzlich auf der Seite dieser Industrie standen. Jeder der Bedenken äußerte, wurde als Spinner, Anarchist, Hinterwäldler usw. abqualifiziert und in die Ecke gestellt. Damit war die Diskussion meist beendet, siegreich für den eigentlichen Verlierer.

Ein weiterer Grund war die Wahl der falschen Waffen. Nur der Beste der Ritter konnte es sich leisten, dem Gegner die Wahl der Waffen zu überlassen. Für den eher durchschnittlichen Kämpfer lag aber hier bereits der Schlüssel für Sieg oder Niederlage. Musste er mit einer Waffe kämpfen, deren Technik er nicht so gut beherrschte, war er verloren. War seine Überlegenheit mit einer anderen Waffe auch noch so groß. Viele Jahre lang haben sich die Gegner endlose Diskussionen über Reaktorsicherheit, Castoren, Transportwege und Ähnliches aufzwingen lassen. Ohne jede Frage ist die Pro-Partei hier im Vorteil. Sie sind die Profis mit allen Daten, Erfahrungen und Berichten, die oft sogar geheim gehalten werden. Wie soll ein Außenstehender, ein Amateur, hier eine reelle Chance haben seine Meinung durchzubringen?

Merkel brachte das Kartenhaus zum Einsturz

Mit ihrer einsamen Entscheidung zum Ausstieg aus der Kernenergie hat Angela Merkel der Nuklearindustrie den letzten Strohhalm genommen. Man kann hier fragen, ob ihr im März 2011 klar war, dass sie damit ihren Schützlingen den Teppich unter den Füßen weggezogen hat. Mit der Festlegung einer definitiven Stilllegung war ein Datum fixiert, ab dem kein finanzieller Nutzen mehr von der KKW-Industrie erbracht werden konnte. Ab diesem Datum gibt es nur noch Kosten, denen nie mehr ein Ertrag gegenüberstehen wird. Diese Situation ist irreversibel und damit fatal für die Industrie. Es ist tödlich für sie, dass sie keinen zu erhoffenden Nutzen mehr in eine ferne, nie erreichbare Zukunft, projizieren kann. Die Zeit der nuklearen Fata Morgana ist endgültig vorbei.

Per 2015 hatte die Kraftwerksindustrie 5.200 Milliarden kWh Strom aus Kernkraftwerken produziert. Zieht man hier zunächst 15 % für Eigenbedarf ab, Kühlung der Abklingbecken usw. und addiert noch eine Menge, die zukünftig bis zum endgültigen Aus produziert werden kann, so landet man wieder bei ca. 5.000 Milliarden kWh als kommerziell verwertbarer Strom. Es kommt, wie man sehen wird, auf 100 Milliarden kWh mehr oder weniger gar nicht an.

Es ist nicht einfach, einen mittleren Abgabepreis für die Gesamtlaufzeit festzulegen. Nehmen wir hier einmal 7,5 Cent/kWh an. Das ist schon großzügig für die Gegenseite, wir können uns das sogar leisten. Der Gesamtertrag wäre dann 375 Milliarden Euro. Rechnet man für diesen Umsatz mit einer Marge von 15 %, so ergibt sich ein Gewinn von 56 Milliarden Euro. Eine zwar große, aber keinesfalls unendliche Zahl. Zieht man die 26 Milliarden Euro, die die Industrie der Regierung für die Endlagerung zur Verfügung stellt, ab, so halbiert sich der Gewinn fast, man kommt auf 30 Milliarden Euro. Man könnte sich fragen, ob dieser Ertrag wirklich das gewaltige Risiko und all die Folgeprobleme, die ja gerade erst beginnen, wert war? Eigentlich ist das keine Frage. Die ganze Sache war es nicht wert. 

Die kommerzielle Keule schlägt zu

Bisher war noch nicht von den Subventionen die Rede, die, so lange es die Branche gibt, stets reichlich flossen. Es gibt Quellen, die von 200 Milliarden DM reden, aber selbst wenn man sich nicht darauf versteift, 100 Milliarden DM waren es unbestritten. Das würde bedeuten, dass – richtig gerechnet – die Kernkraftbranche ein äußerst defizitäres Geschäft ist. Der Gewinn, den sie ausweist, kommt nur durch horrende Subventionen zustande. Man ist bankrott, weigert sich aber, es einzugestehen. Eine Ansicht, die das „Forbes Magazin“ bereits 1994 vertrat. 20 Milliarden Verlust, nur um ein Desaster von kosmischen Ausmaßen damit anzurichten. Der Gipfel der Unvernunft. Wo sind all die Hohepriester der Effizienz? Auch hier müssen wir wieder unsere Großzügigkeit betonen. Der Abzug der 200 Mio. DM Subventionen würde das Fiasko ins Unerträgliche steigern. Ein Verlust von 70 Milliarden Euro wäre die Folge.

Was will uns die Bundesregierung sagen?

Laut ZDF hat die Kernkraftindustrie 26 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Damit sollen die Abfälle eine Million Jahre sicher gelagert werden. So der mit Bierernst vorgetragene Text. Diese Aussage grenzt an Gotteslästerung. Erstaunlich, dass die CSU so etwas durchgehen lässt. Es ist legitim, die Frage zu stellen, was konkret pro Jahr an Geld für den Betrieb eines hochkomplexen und entsprechend teuren Lagers zur Verfügung stehen würde. Teilt man also 26 Milliarden durch eine Million so erhält man 26 000 Euro p/a. Das ist absurd.

Bewegt man sich in die andere Richtung und teilt durch nur 10.000 Jahre, so ist der erhaltene Wert von 2,6 Millionen Euro für den Betrieb eines Lagers auch noch vollkommen unzureichend. Davon abgesehen sind 10.000 Jahre noch nicht einmal eine Halbwertszeit von Plutonium 239. Vom Sicherheitsgedanken her nicht annehmbar. Auch diese Antwort ist vollkommen inakzeptabel. Wo also sollen in der Zukunft die riesigen Summen, die ein oder mehrere Endlager verschlingen werden, herkommen?

Könnte man die 26 Milliarden auf eine Bank bringen und mit den jährlich entnommenen Zinsen die Lager betreiben? Ja, so es denn Zinsen gäbe. Sind nicht vor unseren Augen die Finanzierungsmodelle der Versicherungen und der Bausparkassen nach 30 Jahren kollabiert? Wer könnte es wagen, Konzepte für 1.000 Jahre aufzustellen? Man würde ihn für unzurechnungsfähig erklären. Man denke nur an die sattsam bekannte Aufgabe mit dem Josefspfennig (Zinseszins-Effekt). Durch die Wahl der Waffe, nämlich der Profitkeule, gelingt es, die Kernenergie zu Boden zu strecken. Nicht profitabel – der schlimmste Mangel der heutigen Zeit. Das „Forbes Magazin“ hatte 1994 recht.

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