Silber: Trumpf-Ass der Hightech-Zukunft
Silber: Trumpf-Ass der Hightech-Zukunft
Von Hans-Jörg Müllenmeister
Silber atmet im Gezeitenwechsel der Wirtschaft. Die industrielle Silber-Nachfrage scheint durch den aktuellen Weltwirtschaftskollaps nachzulassen. Indes ist die Choreographie des Silberpreises nachhaltig vom wachsenden Bedarf für die Hochtechnologie bestimmt. Das Industriesilber steht vor einer glänzenden Zukunft: Immer wieder erschließen sich Applikationsbereiche aufs Neue, die eine Unmenge an Silber absorbieren. All dies „gestaltet“ in naher Zukunft den Silberpreis. Zudem wächst die Menschheit weiter exponentiell ‒ mit oder ohne Corona. Damit steigt der Verbrauch an Industriesilber. Dagegen sinkt die jährlich geförderten Silbermenge.
„Merkeln“ Sie auf: Silber ist alternativlos
Es sind die einzigartigen physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften, die das Edelmetall Silber auf sich vereint, die Hauptargumente für den enormen Verbrauch von Silber in der Industrie und damit für die hohe industrielle Nachfrage liefern. Der kapitalisierte Silbermarkt ist ein Gnom gemessen am Goldmarkt. Ersterer hat gerade jetzt gegenüber seinem gelben Bruder noch viel nachzuholen. Aber er wird es nachholen und im Finale davon sprinten.
Tatsächlich geht das Vertrauen in die Währung in dem Maße verloren, wie es zügig Rettungspakete und Pleiten hagelt. Schon plündern die ersten Umsichtigen rechtzeitig ihre Konten, weil sie fürchten, dass ihr Geld morgen nichts mehr wert ist. Sie tauschen den schnöden Mammon in andere Währungen – geschickt in eine edle Metallwährung – und mutieren zu Silberfüchsen mit vollen Backen. Nicht auszuschließen, dass sich in Bälde sogar ein Schwarzmarkt für das Weißmetall entwickelt. Was dann folgt, ist die Zeit der Naivlinge und Silberlinge. Der Naivling sieht sich plötzlich unausweichlich mit der Inflation konfrontiert. Der Weitsichtige hat für diesen worst case in Barren und Münzen vorgesorgt. Nur einige, aber wichtige Aspekte der möglichen Prophylaxe „Silber“, wollen wir ansprechen.
Die Weltsilberreserven sind limitiert – die Preise werden steigen
Vorsichtig geschätzt, birgt unser Planet noch etwa 530.000 Tonnen an Silber. Der jährliche Silberverbrauch liegt bei etwa 27.500 Tonnen. Erschreckend, denn danach gäbe es in etwa 20 Jahren kein förderbares Silber mehr auf unserer Erde. Eine konservative Berechnung geht davon aus, dass im Jahre 2030 allein die weiter unten besprochene Anwendung (RFID-Chips), weltweit jährlich 6.000 Tonnen Silber verbraucht. Im Verein mit den zahlreichen anderen industriellen Silber-Applikationen ist unweigerlich ein extremer Silberpreisanstieg programmiert.
Dessen war sich womöglich die Investment-Bank JP Morgan schon längst bewusst. Sie besitzt über 20.000 Tonnen Silber: Der größte Hort an physischen Silberreserven in der Geschichte. Ihr Finanzspiel: Mit Papiergeld den Gold-Markt über Jahre nach unten drücken und billigst physisches Silber kaufen. Sobald die Herrschaften aufhören, den Silberpreis mit Put-Optionen künstlich nach unten zu drücken, wird der Silber-Kurs entfesselt, und das mit exorbitanten Gewinnen für diese Monopolisten, versteht sich. Das Spielchen ist übrigens 1980 den Hunt-Brüdern als Silberspekulanten nicht gelungen.
Trotz der riesigen Silbermengen, die in Zukunft anfallen, ist mit einer sinkenden Recyclingquote bei neuen Industrieanwendungen zu rechnen. Das „verbrauchte“ Silber lässt sich nämlich technisch nicht ökonomisch wiedergewinnen, auch wegen der geringen Einsatzmengen im Milligramm-Bereich, etwa in RFID-Chips.
Brillante Aussichten: RFID (Radio Frequency Identification)
Vier- und demnächst wohl auch Zweibeiner werden zunehmend mit Radiofrequenz-Identifikatoren (RFID) Chips auf Silberbasis „angereichert“. Man stelle sich das vor: Allein die gesamte Chip-beglückte Menschheit wäre damit ein wandelnder Silberberg von 75 Tonnen. Da weltweit milliardenfach auch verbreitet, erschlösse sich hier dem Industriemetall Silber ein gigantischer Markt. Was leistet ein RFID-Chip? Diese winzigen berührungslosen Datenträger sind funkgesteuert über eine Silber enthaltende Antenne. Sie dient dem automatischen Identifizieren und Erfassen von Daten. Nur einige Anwendungsbeispiele: Eintrittskarten, fälschungssichere Banknoten, Buchausleihe, Medikamente, Personen- und Tier-Identifizierung (Reisepässe, Chips unter der Haut), Verkehr (Mautsysteme, Geschwindigkeitsmessung, Wegfahrsperre, Fahrkarten), Zeiterfassung, u.a. Warensicherungs-, Positionsbestimmungs- und Zutrittskontrollsysteme.
Zwar entfallen nur etwa 10 Milligramm an nicht wiederverwertbarem Silber auf einen RFID-Chip, indessen wären aber weltweit Milliarden Chip-Warenträger aller Art damit bestückt. So gesehen, schätzt man den Silberbedarf für 2030 in der Größenordnung auf 6.000 Tonnen. Gerade das Einkaufen können diese Chips revolutionieren. Bereits aktuell wird der herkömmliche Barcode auf Produkten immer mehr von Silber verdrängt. Künftig ist es unmöglich, wie bisher üblich, zur Kasse zu gehen und jedes Produkt des Einkaufes scannen zu lassen. Stattdessen findet per Funk ein Auslesen aller Waren im Einkaufskorb statt und den Gesamtbetrag des Einkaufes kann man problemlos feststellen.
„Heiliger Gral“ der Quantenmechanik
Vieles hatte man sich versprochen, als man schon vor etwa hundert Jahren Materialien entdeckte, die bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt, das sind -273°C, ihren Ohmschen Widerstand verlieren und so den elektrischen Strom verlustfrei transportieren. Genau das ist der Clou, der richtige „Stoff“, um daraus z.B. Kabel und Stromspeicher ohne Energieverlust zu konstruieren! Aber wegen der Energie und Kosten für die notwendige extreme ständige Leitungskühlung, erschien die technische Umsetzung völlig unrentabel.
Sollte es aber gelingen eine Supraleitung bei Raumtemperatur tatsächlich zu erreichen, wären dadurch freier Transport von Energie, extrem schnelle Computer und absolut präzise Sensoren denkbar. Nur soviel zur Physik: Neben dem Erschaffen eines Quantencomputers, gilt die Supraleitfähigkeit über dem Gefrierpunkt von Wasser als eine Art heiliger Gral der Quantenmechanik. Physiker und Ingenieure sind diesem Traum in den letzten Jahren sehr nahe gekommen.
Die technische Umsetzung rückt in greifbare Nähe
Diese noch wenig bekannte HTS-Technik (Hoch-Temperatur-Supraleiter) wird in der Anwendung Abermillionen Unzen Silber beanspruchen. Ein hochspannendes Thema. Schon jetzt unternimmt das US-Militär immense Anstrengungen bei HTS-Antriebsmotoren für U-Boote. Diese Technik mit Hoch-Temperatur-Supraleitern erlaubt nämlich eine kompakte Bauweise. Allein dafür schätzt man den Verbrauch bei 100 Millionen Unzen in den nächsten Jahren.
Als Zukunftsvision könnte ich mir vorstellen, dass die USA ihr marodes, landesweites Energieversorgungsnetz mit unterirdisch verlegten Supraleitern auf Silberbasis sanieren. Da kämen zunächst Großtrassen in Betracht, die gegen Hurrikan und Terrorangriff so zu schützen wären. Diese Trassen böten dem Strom keinen Leitungswiderstand, hätten also keinen Energieverlust wie herkömmliche Hochspannungsleitungen. Nicht auszudenken, wenn China mit einem landesweiten tausende Kilometer weiten Überlandnetz nachzöge. Bis zu 30% Stromverlust ließen sich so durch den Einsatz von Silber in Supraleitungen vermeiden. Der Silberpreis würde explodieren und seinem gelben Bruder Gold den ersten Preis streitig machen. Ohne HDS-Technik treten bei der Übertragung von 1,1 Gigawatt im Hochspannungsnetz der 380-kV-Leitung auf 100 km Länge stromabhängige Widerstandsverluste von 11,6 Megawatt auf: Die Leitungen erwärmen sich. Anders ausgedrückt: Das sind etwa 1 kW pro 10 m Übertragungsleitung. Mit dieser in Wärme umgesetzten nicht genutzten Leistung könnte man alle 10 m entlang der Trasse einen Heizofen betreiben. Die HDS-Technik ließe das kalt.
Silberstreif am Hightech-Horizont: das Überlebenselixier
Das Phänomen der Supraleitung hat bis heute nichts von seiner Faszination verloren. Im Banne dieser Faszination haben bereit 1981 zwei Nobelpreisträger für Chemie durch theoretische Betrachtungen vorhergesagt, dass mit so genannten Fluorargentaten (Silber-Fluor-Verbindungen) Hochtemperatur-Supraleiter möglich sind ‒ und dies bei Plus-Temperaturen. Das wäre eine Sensation: Ein widerstandsloser Stromtransport ohne Übertragungsverlust auf Silberbasis. Bedenken Sie: Bisher gehen in Deutschland durch Netzverluste rund 6% der bereitgestellten Elektroenergie im Stromnetz verloren.
Viele industrielle silberverzehrende Anwendungsbereiche befinden sich erst im Anfangsstadium. Die Investitions- und Industrienachfrage nach Silber steigt rapide, auch bei den Schwellenländern. Wer dies erkennt und jetzt beherzt zugreift, hat ein Silber-Ass im Ärmel und sichert seine Zukunft. Schlussendlich fällt mir ein Paradoxon auf: Wir schürfen Gold und horten es oberirdisch ‒ und es wird immer teurer. Wir schürfen Silber und enthorten es oberirdisch ‒ und es wird immer teurer.