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"Isaac Newton unterm Apfelbaum"

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Balanceakt der Naturkonstanten: Die Grundfesten unseres Lebens

Von Hans-Jörg Müllenmeister 

Faszinierend und mit unheimlicher Präzision wirken und herrschen im Universum die Naturkonstanten – hinter dem mysteriösen Schleier der Unantastbarkeit. Sie sind unveränderlich über Zeit und Raum und zudem aufeinander präzise abgestimmt. Die Wissenschaft bezeichnet dieses Phänomen oft als „Feinabstimmung“.

Das bedeutet: Schon geringste Änderungen in den Werten dieser Konstanten führen zu einem völlig anderen Universum, in dem Leben, wie wir es kennen, nicht existieren könnte. Keinem noch so ausgeklügeltem Physik-Experiment wird es gelingen, das Gegenteil zu beweisen. Denn gäbe es diese Feinabstimmungen fundamentaler Parameter nicht, würde sich das Universum schlagartig selbst ad absurdum führen: Sämtliches Leben stürbe auf der Stelle. 

Die perfekte Ausdehnung des Universums nach dem Urknall 

Das erste kosmologische Ereignis gab es m.E. erst nach dem hypothetischen Urknall: Die Geschichte der Feinabstimmung, eine Art „Unruhe“ als Taktgeber im Uhrwerk des Kosmos. Das Universum dehnte sich aus (Inflationsphase), und zwar mit genau der richtigen Expansionsrate. Hätte sich das Universum zu dieser Anfangszeit nur ein bisschen weniger stark ausgedehnt, wäre alles wieder in sich kollabiert. Es gäbe keine Atome, keine Moleküle und vor allem kein späteres Leben. Wenn es dagegen zu schnell expandiert wäre, hätte sich die gesamte Materie zu weit im entstehenden Raum verteilt. Zu einer Stern- und Planetenbildung wäre es nie gekommen. Nur ein präzises Maß dazwischen führte zu unserem Universum, dass Leben überhaupt zuließ. Sarkastisch sei angemerkt: Die Naturkonstanten sind zwar für unsere Existenz verantwortlich, nicht aber für unsere kollektive manische Selbstzerstörung. Von den Naturkonstanten hängen alle Größenverhältnisse im Universum ab. Sie bestimmen auch, warum ein Atom so klein und eine Sonne so groß ist. 

Die Gravitationskonstante 

Die Gravitationskonstante bestimmt die Stärke der Schwerkraft, die wir auf der Erde erfahren. Sie beeinflusst alles, was sich bewegt bis hin zu den Gezeiten der Ozeane durch die Anziehungskraft (Gravitationskraft) des Mondes und der Fliehkraft der Erde. Damit überhaupt Sterne entstehen, muss es zu einer fein abgestimmten Beziehung zwischen den drei gekoppelten Naturkonstanten Gravitation, schwache Kernkraft und elektromagnetischer Kraft kommen. Dabei ist die Gravitationskraft, der absolute Schwächling unter allen Naturkräften. Man könnte meinen, dass sie demnach die geringste Bedeutung im Universum hätte. Verglichen mit der elektromagnetischen Kraft ist die Gravitation um etwa Faktor 1000 schwächer zwischen denselben Teilchen. Erstaunlich, aber sie wirkt unendlich weit, also bis in die Abgründe des tiefsten Universums. Angenommen die Gravitationskraft wäre in einem andern Universum um den genannten Faktor größer, dann hätten Lebewesen von Insekten-Größe im Verhältnis zu ihrer Körpergröße dicke Elefantenbeine. In so einem Universum wären keine komplexen Lebensformen zu erwarten. Unter diesen Bedingungen hätte sich in einem Universum wegen der kurzen Sternlebenszeit von typisch Zehntausend Jahren kein Leben entwickeln können. Bedenken Sie: unsere eigene Evolution dauerte Jahrmilliarden. 

Die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum: Eine aufschlußreiche Episode für echte Physik-Fans 

Die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ist, soweit ich weiß, die einzige ganzzahlige Naturkonstante mit einem exakten Wert von c = 299 792 458 m/s. Sie stellt die maximal mögliche Geschwindigkeit im Universum dar. Heutzutage lässt sich die Lichtgeschwindigkeit im Labor durch eine genaue Zeitmessung ermitteln, die ein Laserstrahl über eine festgelegte Strecke zurücklegt. 

Eine Episode aus meiner Studienzeit: Ich erinnere mich an eine Vorlesung, in der unser Professor ankündigte, die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum aus den sogenannten Maxwell-Gleichungen mathematisch abzuleiten. Am Ende der Rechenprozedur ergab sich folgender  Zusammenhang (hier nur in Worten, ohne mathematische Zeichen): Die Lichtgeschwindigkeit ist die inverse Quadrat-Wurzel aus den Produkten der Dielektrizitätskonstanten und der magnetischen Feldkonstanten. Das war für uns alle sehr verblüffend. 

Aber wie kann das sein? Die Lichtgeschwindigkeit ist doch eine Naturkonstante und lässt sich mathematisch nicht ableiten. Die ungewöhnliche Ableitung des Professors zeigt in Wirklichkeit nur die fundamentale Beziehung zwischen drei universellen Konstanten auf. Die beiden anderen Konstanten, die aus der Elektrostatik und Magnetostatik stammen, können experimentell nur mit Messunsicherheiten bestimmt werden. Es gibt also keine „reinrassige“ mathematische Ableitung der Lichtgeschwindigkeit. Sie ist vielmehr eine universelle Konstante, die nicht aus anderen „Variablen“ abgeleitet werden kann. Als fundamentale Größe spielt die Lichtgeschwindigkeit eine zentrale Rolle in den Gleichungen der speziellen und allgemeinen Relativitätstheorie. 

0 Kelvin oder -273,15 Grad Celsius: der absolute Nullpunkt  

Dieser ist in der Tat eine Naturkonstante, obwohl der absolute Nullpunkt im Universum nicht natürlich vorkommt. Die niedrigste natürliche Temperatur im Universum ist die kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung, die bei etwa 2,7 Kelvin liegt: Dieses “Echo” des Urknalls durchdringt das gesamte Universum. Es gibt keinen natürlichen Ort im Universum, der eine Temperatur von 0 Kelvin erreicht oder sogar darunter liegt, wie etwa -3 Kelvin. Der Begriff “Naturkonstante” bezieht sich auf eine physikalische Größe, die universell und unveränderlich ist. Der absolute Nullpunkt ist eine solche Konstante: Er definiert den unteren Grenzwert der Temperatur, unabhängig von den spezifischen Bedingungen im Universum. 

Der absolute Nullpunkt ist ein fester Grenzwert; hier hören theoretisch alle Wärmebewegungen auf; er wurde rein mathematisch ermittelt. Wir können zwar Temperaturen erreichen, die ihm sehr nahe kommen, aber eben ihn nicht erreichen. Mit Laserkühlung ließen sich Proben schon bis auf einige Milliardstel Kelvin abkühlen. Es ist ähnlich wie die Lichtgeschwindigkeit, die ja auch eine Naturkonstante ist, obwohl keine Masse diese Geschwindigkeit je erreichen kann. 

Bis in den subatomaren Bereich regieren die Naturkonstanten 

…und das mit hoher Präzision: Die Massen der Atombausteine sind beinahe spukhaft genau abgestimmt. Man fragt sich: Warum sind Nukleonen so schwer, wie sie nun mal sind? Wäre die Masse des Elektrons im Verhältnis zur Masse des Protons auch nur eine Winzigkeit wenig anders, hätte das verheerende Folgen: Die Materie in der Form wie wir sie kennen, würde es nicht geben. Genau das gleiche würde auch passieren, wenn das Verhältnis der Stärke zwischen der starken Kernkraft (sie hält ja die Atombausteine zusammen) und der elektromagnetischen Kraft nicht exakt so wäre, wie sie es in Wirklichkeit sind. Es gäbe z.B. keine Kohlenstoff-Atome, die Grundbausteine auf dem das ganze Leben auf unserer Erde beruht. Bildhaft gesagt: Unser Leben hängt am extrem dünnen Seidenfaden, der aufs Feinste abgestimmten Zahlenwerte in den Naturkonstanten. 

Die Naturkonstanten sind keine Zufallsprodukte der Schöpfung 

Mich wundert es nur, dass sich Stephen Hawkins – er war ja der bekannteste Astrophysiker unserer Zeit – als Atheist bekannte, selbst angesichts dieser Feinabstimmung in allen Schöpfungsakten des Makro- und Mikrokosmos. Es mag vielleicht unfair sein, genau hier Gott ins Spiel zu bringen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Grundfesten des Lebens sich rein zufällig so eingestellt haben: Sollen sie bloß das grandiose Produkt von Zufälligkeiten sein? Der Zufall ist kein Erklärungsmodell. Die Welt ist viel zu komplex in all ihren Teilen und Wechselbeziehungen, als dass man das allein dem Zufall zuschreiben könnte. Leider neigen wir zumindest im täglichen Leben Unerklärliches mit dem puren Zufall zu erklären. Aber ist das nicht eine bloße Denkverweigerung? Die Wissenschaft beruft sich nicht auf Zufallsrechnungen, im Grenzfall vielleicht auf Berechnungen der Wahrscheinlichkeits-Verteilungen; sie sucht nach rationalen Erklärungen. Der Zufall markiert in den Naturwissenschaften lediglich die Grenze der Berechenbarkeit und Vorhersagbarkeit durch die Naturgesetze. Er bewirkt nichts, vor allem nicht das Entstehen von Leben; der Zufall selbst ist nicht Ursache von etwas. In einer Zufallsannahme drücken sich das Unvermögen und die Grenze unseres Denkens aus. 

Die Planck’sche fundamentale Naturkonstante ( h ), entdeckt um die Jahrhundertwende 

Da wir gerade beim Zufall sind, welch ein Zufall: Greifen wir die von Max Planck entdeckte fundamentale Naturkonstante der spukhaften Quantenphysik heraus, die damals Albert Einstein zu der berühmten  Metapher inspirierte: „Gott würfelt nicht“.

Diese bemerkenswerte Konstante definiert das Verhältnis von Energie ( E ) und Frequenz ( f ) für ein Lichtteilchen ( Photon), ausgedrückt durch die Gleichung ( E = h x f ). Sie beschreibt die Quantelung der Energie, die Grundlage des Welle-Teilchen-Dualismus in der modernen Physik. Einfach ausgedrückt bedeutet dies, dass die Energie in einem harmonisch schwingendem System nur in diskreten, gequantelten Portionen abgegeben werden kann. Diese Quantelung ist so fein, dass sie in makroskopischen Systemen nicht wahrnehmbar ist. Doch das Planck’sche Wirkungsquantum ist der Schlüssel zur heutigen Quantenmechanik, die ihrerseits Technologien wie Laser, Halbleiter und Magnetresonanz-Tomographie erst möglich macht. 

Die Nachdenklichkeit bleibt 

Es gibt noch weitere Naturkonstanten, die genau den Wert haben, den sie haben müssen, damit es uns geben kann. Doch keiner weiß wirklich, wieso sie gerade diesen Wert haben. Und ist es nicht erstaunlich, dass gerade die Zeit für uns eindimensional abläuft und unser Raum dreidimensional ist? Wahrscheinlich charakterisiert so eine  Feinabstimmung nur unser Leben. Gewiss böte etwa ein zweidimensionaler Raum auch keinen ausreichenden Platz für Strukturen des Lebens. Es soll allerdings unter uns auch Menschen mit eindimensionalem Gehirn geben. Aber warum sollte es keine anderen Welten geben mit völlig anderen Naturgesetzen und Naturkonstanten? Immerhin wird so etwas gerade wieder im Kreis der Stringtheorie diskutiert.

Nur weil wir uns keine andere Möglichkeit des Lebens vorstellen können, die in einem Universum mit ganz anderen Eigenschaften existieren kann, folgt daraus nicht zwingend, dass es dieses Leben nicht geben könnte. Vielleicht existieren in höherdimensionalen Universen auch Lebewesen, die sich nicht vorstellen können, dass in einem beschränkten Universum wie dem unseren, überhaupt etwas leben kann? 

Fest steht: Die Naturkonstanten und ihr tieferes Verständnis sind noch nicht vollständig ergründet. Die Feinabstimmung der Naturkonstanten bleibt ein zentrales Forschungsthema der modernen Wissenschaft. Zwar ist einiges bekannt, doch das Geheimnis des Lebens ruht weiterhin verborgen in den versiegelten Katakomben der Schöpfung. 

Ich schließe mich der Erkenntnis des antiken Sokrates an, der sagte: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“. Oft glauben wir voreilig, alles verstanden zu haben. Wir kennen die elementaren Rechenregeln, wenden sie aber vielleicht nachlässig an, wie bei diesem simplen Rechenbeispiel (hier verbal ausgedrückt):

3 minus 3 dividiert durch 1/3 plus drei ist gleich ?

(Das Ergebnis finden Sie als fettgedruckte Zahl im Absatz über Kelvin).

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