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Eselsbrücken, Schätzungen, Merksätze und verblüffende Vergleiche
Von Hans-Jörg Müllenmeister
Oft helfen Eselsbrücken sich eine Vielzahl von Fakten und Namen einzuprägen. Meist sind sie kreative und sogar lustige Gedächtnishilfen, die das langfristige Erinnern und Lernen erleichtern. Eselsbrücken können unser Gedächtnis auf erstaunliche Weise unterstützen. Sie erleichtern es, durch bildhafte und leicht zu merkende Reime oder Sprüche, komplexe Informationen „begreifbar“ zu machen. Hier stellen wir einige Merksprüche, Tests und auch Fehleinschätzungen vor.
Die Chemie: Ein Merkbrücken-Dorado
Vage und unwillig erinnern wir uns an den Chemie-Unterricht. Auswendig gelernte Fakten standen im Vordergrund, während tiefes Verständnis oft auf der Strecke blieb. Wir bastelten uns eigene Merkreime, um das Periodensystem der Elemente zu meistern. Wenn die Frage kam: „Wie heißt die 1. Hauptgruppe der chemischen Elemente“, dachten wir zuerst an den Merkspruch:
„Hans Liebt Natascha; Karl Rubbelt Cäsars Frack.“ Damit hatten wir den Startpunkt für die chemischen Elemente H, Li, Na, K, Rb, Cs, Fr.
Und für die Alkalimetalle Lithium, Natrium, Kalium, Rubidium, Caesium, Francium hatte ich den Spruch auf Lager: Lisa Nahm Karls Rubine, Caesar Frauen.
Für die Halogene Bor, Aluminium, Gallium, Indium, Thallium zimmerte ich mir einen Spruch, den ich bis heute nicht vergessen habe. Er hieß: Bei Allen Gazellen In Thailand.
Lustig wird es bei den Edelgasen, die 8. Hauptgruppe im Periodensystem. „Herrn Neumanns Arm Krault Xerxes’ Rappen Ununterbrochen. Das steht für: „Helium, Neon, Argon, Krypton, Xenon, Radon, Ununoctium.
Einteilungsebenen der Linneschen Systematik
Nützlich ist auch der Merksatz für die systematische Einteilung, Benennung (Nomenklatur) und Identifizierung der Lebewesen, unterteilt in: Art, Gattung, Familie, Ordnung, Klasse, Stamm, Reich. Der Spruch heißt: Art des Gatten, die Familie in Ordnung zu halten, ist klasse und stammt aus reicher Erfahrung.
Im Biologie-Unterricht konnte man auch mit dem Aufsagen der verschiedenen Enzym-Klassen gequält werden. Diese Enzyme oder auch Fermente sind Katalysatoren, die bestimmte chemische Reaktionen beschleunigen. Hilfreich ist da der Merkspruch: Otto trifft heute Lydia in Liverpool. Der steht für: Oxidoreduktase, Transferase, Hydrolase, Lyase, Isomerase, Ligase.
Alle Erdzeitalter in der Zeitfolge zu behalten, ist wahrlich kein Denkvergnügen
Wer kann sich schon auf Anhieb die Erdzeitalter nach dem Präkambium merken, das ja vor etwa 540 Millionen Jahre endete? Die folgenden acht Epochen zählen zum Phanerozoikum, das Zeitalter des tierischen Lebens. Der Hammer-Merkspruch dazu heißt:
Peter kann ohne seine doofen Kaffee-Pads, trotz jeglichem Kaffee-Pulver, nur quengeln. Der führt uns auf das: Präkambrium, Kambrium, Ordovizium, Silur, Devon, Karbon, Perm, Trias, Jura, Kreide, Paläogen, Neogen, Quartär. Da soll man noch sagen, Merksprüche würden das Denkvermögen nicht anregen.
Der Stein der Weisen
Dagegen nimmt sich der Merkvers für die drei Mineralbestandteile des Granits verhältnismäßig einfach aus: Feldspat, Quarz und Glimmer, die drei vergess’ ich nimmer. Übrigens, die Wuchsrichtung der Tropfsteine, also die Stalagtiten und Stalakmiten, kann man sich so einprägen: „Stalaktiten hängen runter, Stalagmiten stehen munter!“
So sind die Römischen Zahlen in der Reihenfolge leicht zu merken
Gelegentlich wird man mit Römischen Zahlen konfrontiert. Hier werden ja lateinische Buchstaben als Zahlzeichen für die Schreibung der natürlichen Zahlen verwendet
I = 1, V = 5, X = 10, L = 50, C = 100, D = 500, M = 1000
Dazu der einprägsame Spruch: Ich Verstehe niX. Lass Caesar Das Machen.
„Watt ihr Volt“ aus der E-Technik
Auch in der Elektrotechnik gibt es einige Merksprüche. So beschreibt das erste Joulesche Gesetz die Umwandlung von elektrischer Energie in Wärmeenergie durch den elektrischen Widerstand in einem Leiter. Man merke sich dazu den Reim: Nach dem Gesetz von Joule, erwärmt der Strom die Spule.
Optik: Was ist konkav, was konvex?
Konkav ist eine nach innen gewölbte Form. Konvex dagegen bezeichnet eine nach außen gewölbte, hervorstehende Form.
Merke: War das Mädchen brav, bleibt der Bauch konkav. Hatte sie Sex, wird der Bauch konvex.
Eine beliebte Quizfrage
Nennen Sie die Planetenfolge unseres Sonnensystems? Hier hilft eine erzählerische Variante. Sie heißt: „Mein Vater Erklärt Mir Jeden Sonntag Unsere Neun Planeten“ - Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, (Pluto).
Frappierendes Gedankenspiel zum Saturn – dem Planet der Ringe
Der vielberingte Saturn in unserem Sonnensystem ist für seine charakteristischen Ringe bekannt. Wir wollen ihn einmal gedanklich um einen weiteren äquatorialen Goldring bereichern und dafür fast eine ganze Weltjahresproduktion von 2500 Tonnen Gold opfern. Erste Überraschung: Die Dicke des Golddraht-Rings wäre gerade noch ziehbar: Der Durchmesser betrüge nur 0,000.1375 mm.
Nun, dieser Goldring läge dicht auf der Saturn-Oberfläche. Wir wollen ihm etwas „Luft“ verschaffen und ihn über der Saturn-Oberfläche „schweben“ lassen. Dazu fügen wir dem feinen Goldring einen zusätzlichen Meter Golddraht hinzu. In welchem Abstand schwebt dann der Ring über der Saturn-Oberfläche?
Die Lösung ist tatsächlich verblüffend: Ein einziger Meter zusätzlicher Golddraht genügt, um den Ring 16 cm über den Äquator des Saturns schweben zu lassen.
Dieses Ergebnis gilt unabhängig von der Größe des kugelförmigen Körpers, um den die Schnur gelegt wird – sei es der Saturn, die Sonne, der Mond oder sogar nur eine Kaffeetasse! Mathematisch gesehen hängt das damit zusammen, dass sich der Radius wegkürzt, und das Problem also konstant bleibt. Es ist erstaunlich, wie sich diese galaktischen Dimensionen mit unseren alltäglichen Erfahrungen verbinden lassen.
Lauter Fehleinschätzungen
Einige harmlose, aber frappierende Beispiele zeigen, wie wir manches fehleinschätzen. Raten Sie einmal spontan: Was wiegen 1000 Bleikugeln mit je 1mm Durchmesser? Hätten Sie etwa nur auf 6 Gramm getippt? Tatsächlich haben aber 10 x 10 x 10 = 1000 Kügelchen in einem Würfel von einem Zentimeter Platz.
Bloßes Schätzen führt häufig in die Irre, dies täglich bei vielen Entscheidungen, Vergleichen und Hochrechnungen. Nach dem ersten Schätz-Fauxpas folgt oft der nächste auf die Frage: „Was wiegt denn im Gegensatz zu den 1000 Bleikugeln eine einzige Kugel aus Kork von einem Meter Durchmesser“? Diesmal liegt die verkorkste Schätzung eklatant zu niedrig, denn wer hätte mit über 150 kg gerechnet! Aber woran liegt das bloß? Blei in Verbindung mit einer großen Zahl suggeriert Schwere, Kork dagegen gilt erfahrungsgemäß als Leichtgewicht.
Die nächste Schätzung bringt eine unglaubliche Überraschung: Wie dick würde eine nur Einhundertstel Millimeter starke Goldfolie, wenn man sie gedanklich 50 mal faltet? Das Resultat ist verblüffend: Nach 50 Faltungen wäre die Goldfolie knapp 900 mal so dick wie der Erddurchmesser! Kleiner Hinweis: Die 50 Faltungen wachsen nicht linear an, sondern exponentiell – mit 2 hoch 50.
Geradezu leichtfertig gehen wir mit unseren täglichen Problemen, der „Goldenen Mitte“ um. Eindrucksvoll verdeutlicht das ein Autofahrer, der die erste Hälfte einer Strecke mit 50 km/h gefahren ist. Nun möchte er die zweite Streckenhälfte so schnell fahren, dass sein Durchschnittstempo bei 100 km/h liegt. Er macht einen großartigen Denkfehler, wenn er glaubt, die zweite Hälfte jetzt mit 150 km/h fahren zu können, um seinen gewünschten Durchschnitt zu erreichen. Aber das ist ein großer Irrtum. Seine naive „arithmetische Mittelwertbildung“ führt ihn in die Irre. Tatsächlich muss er das sogenannte harmonische Mittel verwenden, um sein Ziel zu erreichen. Selbst wenn der Autofahrer die zweite Streckenhälfte mit Lichtgeschwindigkeit zurücklegen könnte, würde er niemals einen Durchschnitt von 100 km/h erreichen. Es gilt also das harmonische Mittel: v = 2/(1/50 + 1/150) = 75 km/h. Verblüffend, oder? Es zeigt sich, dass die “Goldene Mitte” nicht immer der richtige Weg ist – manchmal müssen wir uns auf das harmonische Mittel verlassen, um unsere Ziele zu erreichen.
Vergleiche: Die Erdgeschichte auf einen Tag komprimiert
Wenn wir gedanklich die gesamte Erdgeschichte auf einen einzigen Tag komprimieren, ergibt sich dafür eine faszinierende begreifbare Zeitleiste.
Das Hadaikum (vor Sonnenaufgang): Vor etwa 4,5 Milliarden Jahren entstand die Proto-Erde: Ein dramatisches Ereignis war der Zusammenstoß mit einem anderen Protoplaneten, aus dem der Mond hervorging. Die Erde war ein Glutball ohne Atmosphäre. Das Hadaikum endete vor etwa vier Milliarden Jahren.
Archaikum (Morgendämmerung): In den nächsten Stunden (entsprechend vor drei Milliarden Jahre), bildete sich der erste Superkontinent “Ur”. Die ersten Zellkerne entstanden, aber es gab noch keinen freien Sauerstoff in der Atmosphäre.
Proterozoikum (Vormittag): vor etwa 1,5 Milliarden Jahre, entstanden mehrzellige Organismen, die von der Umwelt beeinflusst wurden. Sauerstoff begann sich in der Atmosphäre zu bilden.
Phanerozoikum (Nachmittag bis heute): Dies ist der längste Abschnitt unseres Kunst-Tages. Dieses Zeitalter umfasst das Paläozoikum, Mesozoikum und Känozoikum. Hier breitete sich das Leben auf dem Land aus, und am Ende des Tertiärs entwickelten sich die ersten Menschen.
Die erste Zelle, von der alles heutige Leben abstammt, existierte vor etwa 3,5 Milliarden Jahren. Sie entstanden alle erst am Nachmittag unseres fiktiven Tages.
Herunter gebrochene galaktische Dimensionen
Dimensionsmäßig können wir unser Sonnensystem kaum erfassen. Um uns die Größenverhältnisse der Planeten in unserem Sonnensystem zu veranschaulichen, kann man sie auf die Größe von Obst herunter brechen und sich dadurch die Proportionen besser vorstellen. Wenn Jupiter die Größe einer Wassermelone annimmt, entspricht Merkur der Größe eines winzigen Pfefferkorns. Die Venus ist so groß wie eine Kirsche, die Erde wird im Modell so groß wie eine Kirschtomate. Der Mars ist in dem Verhältnis vergleichbar mit einer Blaubeere. Die vier Riesenplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun: Saturn hat in diesem Modell etwa die Größe einer großen Grapefruit. Uranus ist mit einem Apfel zu vergleichen und Neptun mit einer Zitrone. Wenn man sich vorstellt, wir hätten die Erde als Kirschtomate in der Hand, dann wäre die Sonne 500 Meter weit entfernt und hätte einen vier Meter großen Durchmesser.
Humor: Die Würze des Lebens
Noch ein wichtiger Hinweis: Niemals sollte man Wasser auf eine Säure gießen, da dies zu einem schlagartigen Sieden führen kann.
Merke: Erst das Wasser, dann die Säure – sonst geschieht das Ungeheure.
Nun zum körpereigenen Wasser: Kürzlich stieß ich auf einen ungewöhnlichen Wassertest, der eine aufwendige medizinische Untersuchung überflüssig machen könnte, denn für Männer ab 60 Jahren genügt bereits eine simple Urinprobe im Garten, um ihren Gesundheitszustand zu überprüfen.
Der Ablauf ist simpel: Morgens, noch mit nüchternem Magen, begibt man sich in den Garten und bewässert eigenhändig die Pflanzen. Wenn sich daraufhin Ameisen am Boden versammeln, deutet das auf einen erhöhten Zuckerspiegel hin – wahrscheinlich Diabetes. Tropft der Urin beim Wasserlassen auf die Zehen, hat man möglicherweise Probleme mit der Prostata. Schmerzt es beim Abschütteln am Handgelenk, liegt Arthrose vor. Und wenn man mit dem Schütteln nicht aufhören kann, handelt es sich um Parkinson. Die Diagnose „Selbsteln“ ist im hohen Alter eher unwahrscheinlich. Falls man nach dem Gießen immer noch draußen steht und nicht mehr weiß, warum man im Garten war, könnte es Demenz sein.
Fazit: Eselsbrücken sind einfache aber effektive Gedächtnishilfen. Sie helfen uns, wichtige Informationen im Alltag besser zu behalten, fördern kreatives Denken und machen das Lernen unterhaltsamer. Und wie der Dichter Ringelnatz treffend bemerkte: „Humor ist der Knopf, der verhindert, das uns der Kragen platzt.“