Teilansicht der Mandelbrot-Menge, benannt nach Benoît Mandelbrot. Fraktale sind Objekte, bei denen das Ganze seinen Bestandteilen ähnelt. Mandelbrots Pionierarbeit mit Fraktalen wurde gewürdigt, indem das berühmteste Fraktal nach ihm benannt wurde: die „Mandelbrot-Menge“.
Fraktale: Selbst-ähnliche „Webmuster“ der Natur vom Großen bis ins Kleinste
Von Hans-Jörg Müllenmeister
Der naturinteressierte, intelligente Leser wird überrascht sein, wie viele undurchsichtige Zufallsprozesse in der Natur sich durch mathematische Fraktale beschreiben lassen. Der Begriff „Fraktal“ ( lat. für „gebrochen“) wurde 1975 von dem genialen Mathematiker Benoît Mandelbrot geprägt, dem Vater der fraktalen Geometrie. Fraktale Strukturen tauchen in vielen natürlichen Phänomenen auf, wie in Wolken und Wirbelstürmen, im Verlauf von Küstenlinien oder an der Oberfläche von Geweben wie Lunge oder Darm.
Diese Strukturen entstehen durch Zufallsprozesse und nicht durch exakte mathematische Vorschriften. Dennoch sind sie den mathematischen Fraktalen so ähnlich, dass sich mit den Methoden der fraktalen Geometrie diese größten Konstruktionsgeheimnisse der Natur hervorragend damit beschreiben lassen. Steigen wir ein in die faszinierende Welt der Fraktale, um ein tieferes Verständnis zu bekommen, allerdings ohne die komplexe Mathematik dahinter zu bemühen. Selbst im interstellaren Raum, wo die Schwerkraft wesentlich geringer ist als auf der Erde, bestehen fraktale Strukturen der Natur. Das liegt daran, dass diese Gebilde oft durch grundlegende physikalische und chemische Prozesse entstehen, die nicht nur von der Schwerkraft abhängen. So verteilen sich Gaswolken und Staub im interstellaren Raum oft fraktal. Das ist auf turbulente Prozesse und Magnetfelder zurückzuführen. Faszinierende Beispiele für fraktale Strukturen im All ist die Verteilung von Galaxien im Universum.
Was sind Fraktale?
Fraktale bestehen aus selbstähnlichen Strukturen, die sich in verschiedenen Maßstäben wiederholen. Eine Matrjoschka-Puppe wäre eine Metapher für so eine Fraktalbildung. Matrjoschka-Puppen enthalten ja eine Reihe kleinerer Puppen, die der größten äußeren Puppe ähneln. Beide Konzepte spiegeln die Idee der Wiederholung und Selbstähnlichkeit wider, wenn auch auf unterschiedliche Weise. In der Natur ist das Verzweigungsmuster der Äste eines Baumes typisch für ein Fraktal, denn es ist sehr ähnlich bis zur Spitze.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Chaos und dem Fraktal?
Das Chaos ist eine Form der Unordnung, während Fraktale komplexe, sich wiederholende Muster darstellen. Sie schaffen Ordnung im Chaos. Beide Phänomene sind tief in der Mathematik und Physik verankert und oft eng miteinander verbunden. Fraktale Strukturen tauchen in der Natur in vielen Formen auf, etwa bei Küstenlinien oder in Wolken. Oft erzeugt „chaotisches Verhalten“ in hydrodynamischen Systemen fraktale Strukturen. Eines der berühmtesten Beispiele ist der sogenannte Lorenz-Attraktor, der chaotisches Verhalten beschreibt. Er erzeugt fraktale Muster, um durch Modellieren der Zustände in der Erdatmosphäre Langzeitvorhersagen zu ermöglichen.
Bruch-Dimensionen der Fraktale – was heißt das?
Fraktale zeigen Eigenschaften, die sich von den Hauptdimensionstypen Länge, Fläche, Raum unterscheiden. Verrückt, aber Fraktale können tatsächlich Bruch-Dimensionen haben, z.B. 2,5 Dimensionen.
Diese besondere Dimensionalität können Sie sich erklären, wenn Sie diese als Maß für die Rauheit betrachten, oder wie gut eine bestimmte Form den Raum um sie herum ausfüllt. So füllt eine Kugel drei Raumdimensionen aus, ein Stück Papier nimmt zwei Raumdimensionen ein. Ein Fraktal kann irgendwo dazwischen liegen. Diese Sicht ist gewöhnungsbedürftig! Um das zu verdeutlichen: Stellen Sie sich vor, dass Sie ein zweidimensionales Stück Papier zu einer Kugel zerknüllen. Diese Papierkugel hat eine Länge, eine Breite und eine Tiefe, ist aber auch zerknittert und hat viele Hohlräume zwischen den zerknüllten Papierschichten. Da der zerknüllte Papierball nicht vollkommen fest ist, hat er einen Bruchteil der Dimension, diese liegt also zwischen dem zweidimensionalen flachen Stück Papier und der dreidimensionalen festen Kugel, z.B. 2 Komma x.
Typische Fraktal-Beispiele aus der belebten Natur sind die menschlichen Lungen, die nicht vollkommen glatt sind, sondern „rau“ und viele kleine Hohlräume haben, die den Sauerstoff aufnehmen. Diese fraktalen Eigenschaften finden sich auch im Fließmuster eines Flusses oder in der Bewegung der Wolken.
Fraktale: Vom Einfachen zur Komplexen
Ein faszinierendes Beispiel für die Verwandlung einer einfachen Linie in ein komplexes Fraktal ist die Koch-Kurve, eines der ersten formal beschriebenen fraktalen Objekte. Jede Seite eines gleichseitigen Dreiecks wird dabei in drei gleiche Teile geteilt, und das mittlere Drittel wird durch ein kleineres gleichseitiges Dreieck ohne Basis ersetzt. Durch die ständige Wiederholung dieses Vorgangs entsteht ein geometrisches Gebilde, das einer Schneeflocke ähnelt.
Fraktale stehen also für geometrisch vielfach gebrochene und zerklüftete Formen. Sie modellieren gebrochene, gezackte, komplexe und raue Strukturen und haben, wie weiter oben am Papiermodell gezeigt, eine nicht-ganzzahlige Dimension.
Berechnung der Länge einer Küstenlinie mit fraktaler Geometrie
In einer scheinbar “konzeptlosen” Welt, wie ich sie mal flapsig nenne, scheint die Natur oft auf Selbstorganisation und neuartige Muster zurückzugreifen. Fraktale sind ein gutes Beispiel dafür. Sie sind komplexe Strukturen, die durch einfache, sich wiederholende Prozesse entstehen und in der Natur weit verbreitet sind.
Ein großartiges Beispiel dafür, wie sich die fraktale Geometrie auf die Geographie auswirkt, ist die Vermessung einer Küstenlinie. Wenn Sie eine Küstenlinie mit einem kilometerlangen Lineal vermessen, können Sie die Länge der Küstenlinie nur sehr grob abschätzen (Küstenlinien-Paradoxon). Es sind keine der feineren Details wie Unebenheiten oder Felsvorsprünge erfasst. Verkleinern Sie aber Ihre Maßeinheit auf einen Meter, erfassen Sie viel mehr feine Details, da Ihre Mess-Skala viel präziser ist. Die Genauigkeit hängt also vom Maßstab ab. Jedes Mal, wenn Sie die Auflösung Ihrer Messung weiter erhöhen, vergrößern Sie auch die Messgenauigkeit: Der Küstenlinien-Umfang vergrößert sich, da Sie mit der fraktalen Geometrie mehr dieser feinen Details erfassen können. Die Küstengeometrie wird genauer modelliert, vergleichbar mit der Auflösung eines Bildes, dass mit kleineren Pixel immer detaillierter wird.
Einschub für Mathe-Fans: eine neue Herangehensweise, um die Welt zu begreifen
Die Natur ist ein unerschöpflicher Quell mathematischer Phänomene und Muster. Was passiert, wenn man eine Gleichung durch Rückkopplung iteriert? Man setzt eine Zahl in eine Formel ein und erhält als Ergebnis eine neue Zahl. Diese neue Zahl setzt man in die Formel-Abbildung ein. Die Zahlenreihe die man so erhält, bezeichnet man als Julian-Menge. Nur leistungsstarke Computer können diese ungeheure Datenmenge errechnen. Verwandelt man die Zahlen in Punkte in einer grafischen Darstellung f(z)= z hoch 2+x, dann entsteht die sogenannte Mandelbrot-Menge.
Fraktal-Beispiele aus der Natur
Wasser als ein einfaches Molekül hat in seinem Verhalten eine bemerkenswerte fraktale Natur. Von den komplexen Verzweigungsmustern der Schneeflocken bis zu den mäandernden Kurven der Flüsse oder den Brandungswellen, ist die Dynamik des Wassers durch Selbstähnlichkeit und Verbundenheit gekennzeichnet.
Fraktale Blitze. Blitze sind beeindruckende fraktale Schauspiele der Natur. Die Elektrizität fließt durch die Luft, die kein besonders guter Leiter ist. Die entstehenden Leiterbahnen bilden fraktale Muster: Die Luft überhitzt sich, wodurch sich die elektrische Leitfähigkeit verbessert und die Strombahnen fragmentiert werden können. Dieser Prozess wiederholt sich für jede Fragmentierungsstufe, so dass „blitzschnell“ ein Fraktal entsteht.
Fraktale in Pflanzen und Blättern. Ob Sie Salat oder Ananas genießen, Sie sind damit ein wahrer Fraktal-Esser! Pflanzen und Blätter verfügen, ähnlich wie Tiere, über komplexe innere Strukturen, die Nährstoffe durch ein fraktales Netzwerk verteilen. Diese Strukturen sorgen für eine effiziente Verteilung von Flüssigkeiten und Nährstoffen, die das Leben jeder einzelnen Zelle unterstützen. Herausragend ist die Brokkolisorte Romanesco. Diese Pflanze hat ein nahezu perfektes fraktales Erscheinungsbild, mit Spitzen, die aus einer zentralen Quelle entspringen und sich immer weiter verzweigen – ganz ähnlich wie die fraktalen Schneeflocken. Auch Farne zeigen dieses wunderbare Fraktalmuster, bei dem sich die Wachstumsstruktur immer wiederholt.
Ein Diamant ist kein „Fraktal-Anhänger“. Da fragte ich mich, warum viele Mineralien und Metalle fragmentale Muster bilden, aber warum ist das nicht beim Diamanten so? Offensichtlich folgt der Diamant einem anderen Prinzip, das auf seiner spezifischen Kristallstruktur und den Wachstumsbedingungen basiert. Diese Bedingungen fördern das Wachstum in bestimmten kristallographischen Vorzugsrichtungen, die zur Bildung von oktaedrischen Formen führen. Offensichtlich zeigt die Natur sowohl in der atomaren Struktur als auch in größeren Maßstäben bemerkenswerte Muster und Prinzipien.
Auf atomarer Ebene gibt es eben andere klare Anordnungsprinzipien, wie die Elektronen in den Orbitalen um den Atomkern verteilt sind. Diese Prinzipien beschreibt die Quantenmechanik.
Fraktale bei physiologischen Prozessen
Immer mehr biologische Transportsysteme entpuppen sich als fraktale Strukturen. Das betrifft beispielsweise die Atmung, den Blutfluss, die Weiterleitung von Nervenimpulsen und den Stoffwechseltransport. Fraktale Strukturen maximieren dabei die Oberfläche bei minimalem Volumen. Dies ist besonders wichtig in biologischen Systemen wie den Lungenbläschen (Alveolen) oder den Blutgefäßen, wo eine große Oberfläche für den Gasaustausch und den Transport von Nährstoffen und Sauerstoff notwendig ist. Auch Darmwindungen und die Struktur des Darms zeigen fraktale Eigenschaften. Die stark gefalteten Darmwände maximieren die Oberfläche für die Nährstoffaufnahme.
Forscher haben die fraktale Geometrie von Krebszellen untersucht, um frühzeitig Metastasenbildung zu erkennen. Sie stellten fest, dass die Netzwerke der Blutgefäße um Tumoren in der Mikrostruktur chaotisch verknotet sind, was den Mikro-Blutfluss stört. Mit herkömmlichen bildgebenden Verfahren ist das nicht erkennbar. Der Blutfluss lässt sich jedoch indirekt messen und könnte entscheidend für die Früherkennung sein.
Übrigens hat auch ein gesunder Herzrhythmus eine fraktale Architektur. Druckt man die Herzintervalle aus, sieht man Zacken, aus denen weitere Zacken hervorgehen. Diese Struktur der Signatur kann helfen, Herzprobleme frühzeitig zu erkennen.
Anpassung an die Umwelt
Stellen Sie sich vor, die Natur hätte für jedes System einen einzigartigen Bauplan. Das wäre unglaublich ineffizient. Stattdessen nutzt sie einen einfachen, fraktalen genetischen Code, der vorgibt, wie sich Strukturen im Laufe des Wachstums verzweigen sollen. So entstehen komplexe Organismen.
Genetische Mutationen und Variationen erzeugen eine Vielzahl von Merkmalen innerhalb einer Population. Einige dieser Merkmale sind fraktale Muster, die besonders vorteilhaft sein können. Organismen passen sich ständig an ihre Umgebung an. Effiziente Strukturen wie fraktale Muster werden bevorzugt, da sie den Organismen helfen, Ressourcen besser zu nutzen und zu überleben.
Evolution ist im Grunde ein stetiger Lernprozess. Durch Versuch und Irrtum findet die Natur heraus, welche Strukturen am besten funktionieren. Fraktale Muster sind ein Ergebnis dieses langen und komplexen Prozesses. Sie sind das Produkt der natürlichen Selektion, die Strukturen bevorzugt, die effizient, anpassungsfähig und robust sind. Diese Konzepte sind oft widerstandsfähiger gegenüber äußeren Einflüssen. Zum Beispiel können fraktale Netzwerke, wie das Wurzelsystem von Pflanzen, Schäden besser kompensieren.
Fraktale in der angewandten Kommunikationstechnik
Es ist verblüffend, wie Antennen im fraktalen Design nicht nur deutlich kleiner, sondern auch leistungsstärker sind und eine größere Frequenz-Bandbreite empfangen können. Nur dank des Konzepts der Selbstähnlichkeit entstehen kompakte, leistungsfähige Breitbandantennen. Ohne diese Technologie würden Mobiltelefone durch die vielen notwendigen Einzelantennen eher wie ein Igel aussehen.
Das fraktale Sehen.
Piloten müssen im Cockpit eine Vielzahl von Instrumenten im Blick behalten. Neuere Untersuchungen zeigen, dass menschliche Augen visuelle Informationen fraktal erfassen. Das bedeutet, dass reihenförmig angeordnete Instrumentenanzeigen im Cockpit möglicherweise nicht ideal sind.
Moderne Computer im Zahlen-Rausch der Fraktale
Mit zunehmender Nutzung von Computern zur Erforschung von Fraktalen machte man eine Entdeckung: die sogenannte Zoom-Symmetrie. Sie bedeutet, dass eine Form unabhängig vom Zoom des Betrachters identisch oder nahezu identisch ist. Das heißt, wenn Sie die gesamte Form betrachten, sehen Sie fast genau dasselbe, selbst wenn Sie nur einen sehr kleinen Teil des Ganzen betrachten.
Fraktale Informationen
Ein Fraktal ist ein Erscheinungsbild, das sich durch Vergrößern oder Verkleinern nicht ändert. Die Teilstruktur ist identisch zu einer Gesamtstruktur. Im Gegensatz dazu zeigt ein Kreisfragment keine Selbstähnlichkeit mit seinem Kreis. Fraktale sind nicht nur mathematisch faszinierend, sondern auch eine wesentliche Idee der Natur, die das Überleben und die Effizienz vieler Organismen unterstützt. Sie sind geheime Codes der Schöpfung; Fraktale verbinden die Schönheit der Mathematik mit der Ehrfurcht vor der Schöpfung.
Fraktale beeinflussen auch maßgeblich, wie wir Information darstellen. Dieser Beitrag hier, der selbst vom Wesen der Fraktur durchdrungen ist, zeigt, wie Informationen strukturiert werden. Die Inhalte sind in verschiedenen Unterthemen gegliedert, wie etwa Fraktale in der Natur, Fraktale in der Mathematik, Fraktale in physisologischen Prozessen, Fraktale in der Technik. Jeder dieser Themen-Zweige des Themen-Baums unterteilt sich in weitere verwandte und ähnliche Unterüberschriften. Schließlich werden die Informationen bis zu den kleinsten modularen Komponenten – den Sätzen und Wörtern – heruntergebrochen.
Zoomen Sie mal in einen Baum hinein und Sie erkennen, dass die Verzweigungsmuster der Äste sich fortsetzen bis zu den Spitzen, an denen die Blätter sitzen. Bleiben Sie weiterhin neugierig.