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Schnittbild eines Tokamak-Fusionsreaktors

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Kernfusion: Utopie oder Garant globaler Energie-Versorgung?

Von Hans-Jörg Müllenmeister

Die Kernfusion, sakrosankter Gral der Plasmaphysik, wird schon seit Jahrzehnten wie eine Monstranz zur Lösung unserer Energiezukunft voran getragen. Ein endgültiger, industrieller Durchbruch ist wohl erst Mitte des Jahrhunderts zu erwarten, Punkt. Die bisherigen Fortschritte in der Kernfusion sind verheißungsvoll und frustrierend zugleich.

Nennen wir kurz die Probleme beim Namen. Zum in Gang setzen einer Kernfusion sind ungeheure Temperaturen und ein gewaltiger Druck erforderlich. Dazu braucht es zunächst einmal z.B. viel Laser-Energie, verbunden mit hohen Kosten. Im Mittelpunkt einer späteren industriellen Nutzung steht die Wirtschaftlichkeit und der Wirkungsgrad der Fusionsanlage. Bisher wurde in diese Experimente mehr Energie reingesteckt als freigesetzt, also eine negative Energiebilanz! Außerdem: Die Kernfusion erzeugt eine extreme Neutronenstrahlung, die ein wirksamer Schutzmantel abfangen muss.

Der prinzipielle Unterschied zwischen Kernfusion und herkömmlicher Kernspaltung

Die Kernspaltung zerlegt einen schweren Atomkern in zwei oder mehr Atomkerne. Der Kernprozess verwendet als Grundstoff radioaktives Uran. Auch das dabei erzeugte Plutonium ist radioaktiv. Ist die überschüssige Energie aus dem Prozess in nutzbare Wärmeenergie umgesetzt, bleibt allerdings noch genügend radioaktives Material übrig. 

Die Kernfusion verschmilzt zwei leichte Atome zu einem neuen, schwereren Atomkern. Von den beiden leichten Grundstoffen, den Wasserstoff-Isotopen – sie sind sehr effizient für die Fusionsenergie –  ist das Deuterium nicht radioaktiv. Bei diesen leichten Elementen ist die elektrostatische Abstoßung der Kerne leichter zu überwinden als bei schweren Elementen. Die Abstossenergie der Elektronenhüllen wirkt beim Annähern zweier Atome mit abgeschlossenen Elektronen-Schalen. Stellen wir uns dazu bildhaft vor, wir würden zwei Magnete polgleich, z.B. plus mit plus, annähern. Dabei spüren wir beim Annähern deutlich die wachsende abstoßende Kraft der Magnete. 

Das relativ kurzlebige Tritium (zuvor aus Lithium erbrütet) ist leicht radioaktiv. Aber auch ein Fusionsreaktor erzeugt zwar wenig, aber doch kurzlebigeren Strahlenmüll, und zwar durch die energiereichen Neutronen, die bei der Fusion entstehen; diese aktivieren die Wände des Plasmagefäßes radioaktiv.

Die Kernfusion der Sterne

Seit Jahrmilliarden spielt sich im tiefsten Innern der Sonne eine Kernfusion ab. Hier herrscht ein ungeheurer Gravitationsdruck bei einer Temperatur von 15 Millionen Grad Celsius. Wasserstoffkerne verschmelzen zu Heliumkernen. Sekündlich werden dabei vier Millionen Tonnen Sonnenmasse in pure Energie umgesetzt. Das funktioniert aber nur mit diesem gigantischen Druck und mit diesen höllischen Temperaturen. Dadurch nimmt die Materie den Aggregatzustand eines gasförmigen Plasmas an: Jeweils vier Wasserstoffatome fusionieren zu einem Heliumatom. Nur ein Hundertstel der ursprünglichen Materie wandelt sich nach außen in „freie“ Energie um. Erstaunlich: Seit ihrer Entstehung hat die Sonne in ihrem tiefsten Innern das Äquivalent von rund 14.000 Erdmassen an Wasserstoff durch die Kernfusion in Helium verwandelt.

Machen wir’s der Sonne nach

Einfacher gesagt, als getan, aber jetzt wird’s spannend. Der Mensch ist immer gut beraten, wenn er der Mutter Natur ihre Geheimnisse entlocken darf – um seines Vorteils Willen. Können wir diese kosmische Energie auf unsere Erde holen, also die Sonnen-Kernfusion einfach so kopieren? Dazu müssten wir die entsprechenden physikalischen Bedingungen der Sonne nachstellen. 

Das funktioniert aber nicht so ohne weiteres, denn die Masse der Sonne erzeugt im Innern einen Gravitationsdruck, der 250 Milliarden mal höher ist als der Atmosphärendruck der Erde. Die Bedingungen der Sonne, vor allem der gigantisch hohe Druck in ihrem tiefsten Inneren, ist auf der Erde nicht zu realisieren. Nun sind aber Druck und Temperatur die zwei auslösenden Parameter, die erst eine Kernfusion in Gang setzen können. Eine nachgeahmte irdische Kernfusion müsste also bei wesentlich höheren Temperaturen ablaufen als die in der Sonne. Nur so lässt sich hier auf Erden der gewaltige Sonnen-Innendruck durch eine höhere Temperatur „ausgleichen“. Das ist eine Art Nullsummenspiel, denn was an Druck fehlt, muss eine höhere Temperatur wettmachen. Aber wozu das alles? Nun, damit im Inneren des Reaktors überhaupt das notwendige Plasma entstehen kann. Dieses gasförmige Plasma nennt man auch den vierten Aggregatzustand. In diesem Zustand besteht das Teilchengemisch aus Ionen, freien Elektronen und neutralen Atomen: Losgelöst von ihrer Elektronenbindung, schwirren sie gelöst wie „freie Geister“ im ionisierten Gasgemisch.

Es gilt das erzeugte Plasma räumlich zu fixieren

Konzentrieren wir uns hier nur auf das verheißungsvollste Verfahren für eine zukünftige Lösung, den Tokamak-Fusionsreaktor, der übrigens zuerst von den Russen entwickelt wurde. Dieser beruht auf der Methode des magnetischen Plasma-Einschlusses. Das Plasma aus Wasserstoffisotopen wird in einer ringförmigen Vakuumkammer, dem so genannten Torus, durch ein starkes Magnetfeld zusammengehalten. Dazu wird der Vakuumbehälter (in Form eines Donuts) durch einen ansteigenden Strom geheizt und gleichzeitig durch das starke ringförmige Magnetfeld einer zweiten, toroidal (Ringkern-förmig) gewickelten Spule berührungslos eingeschlossen. Die bisher leistungsfähigsten Anlagen zum magnetischen Einschluss eines Fusionsplasmas ist also der sogenannte Tokamak. Dieses Verfahren, das den Plasmastrom durch elektromagnetische Induktion erzeugt, liefert allerdings keinen Dauerstrom. Von Zeit zu Zeit muss der Primärstrom abgeschaltet werden; der Plasma-Einschluss geht dabei während dieser Pause verloren, die Kernfusion setzt aus und muss danach neu „gezündet“ werden. Ein solcher Tokamak arbeitet also nicht kontinuierlich, sondern gepulst.

Zu guter Letzt: Beim Verschmelzen der Wasserstoff-Isotope entsteht ein Heliumkern und ein Neutron. Diese rasen durch den „Magnetkern-Käfig“ hinaus. In einem Teil der Wand werden sie abgebremst, Wärmeenergie entsteht, und erst diese lässt sich schließlich und endlich in elektrische Energie umwandeln. 

Zukunftsprobleme,  Zukunftshoffnung

Indes gibt es noch weitere technische Herausforderungen, die in Zukunft zu lösen wären, wie die laufende Zufuhr neuen Brennstoffs, das Abführen der Fusionsprodukte (Helium), die dauerhafte Kühlung der supraleitenden Spulen oder das Aufheben der intermittierenden Zündungen. Vor allem darf das schwebende Plasma keinesfalls die Wand der Brennkammer berühren.

Zumindest theoretisch ist die gewonnene Energie aus der Kernfusion die eleganteste aller Möglichkeiten der Energieerzeugung, denn in einem Gramm Fusionsbrennstoff steckt die Energie von elf Tonnen Kohle. Zuletzt sei daran erinnert, dass die Kernfusion sich mit der stärksten aller Elementarkräfte auseinander setzt: Die sogenannte große Kernkraft aller Grundkräfte. Sie ist der „atomare Kleber“, der die Protonen und Neutronen im Atomkern zusammenhält. Die Kernfusion setzt fast vier Millionen Mal mehr Energie frei als chemische Reaktionen wie das Verbrennen von Kohle, Öl oder Gas, und viermal mehr als die Kernspaltung! 

Die Kernfusionsforschung hat in den USA einen neuen Höhepunkt erreicht. Oder etwa nicht? Es heißt, dass bei der Fusion von Atomkernen mehr Energie freigesetzt als verbraucht wurde. Das klingt nach einem Durchbruch, aber da gibt es einen Haken: Die Bilanz gilt nur für den Brennstoff im Reaktor. Bezieht man aber die ganze Anlage (Gesamtwirkungsgrad) mit ein, dann hat man nur ein mageres Prozent der investierten Energie zurück bekommen. Was für eine „korpulente“ Ausbeute! Na ja. Die aufgeblasene PR-Abteilung des US-Energieministeriums nennt es eine „der herausragendsten wissenschaftlichen Errungenschaften des 21. Jahrhunderts“.

Eins ist klar: Die Kernfusion könnte eine fast unendliche, wetterunabhängige und vor allem saubere Energiequelle sein. Aber wir sind wohl eher auf dem Mars, bevor wir unser dringlichstes Energieproblem auf der Erde elegant lösen. Das liegt auch an der ideologisch verbrämten Marionetten-Politik, die das Sagen hat – mit einem Mikro-Verstand, der eher ins Reich der Atome gehört.

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