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Quantenrevolution: Praktischer Nutzen neuer Elemente & ultra-genaue Zeitstandards

Von Hans-Jörg Müllenmeister 

Berichte aus der Welt der Quantenphysik stoßen bei den meisten Menschen auf Unverständnis. Oft quittieren sie die Aussagen der Quantenphysik mit einem müden Kopfschütteln. Doch genau hier bräuchten wir einen „Dolmetscher“, der erklärt, wie und warum diese neuen Erkenntnisse eine epochale Bedeutung für die praktische Anwendung haben. In diesem Bericht werfen wir Licht in die scheinbar waghalsigen Abgründe der Quantenphysik, um den daraus gewonnenen Fortschritt für die Hochtechnologie besser zu verstehen. 

Im Brennpunkt der Quantentechnik steht, wie immer, die Zeit 

Auf der Weltbühne begleitet die Zeit alles Werdende, Bestehende und Vergängliche. Unsere aktuellen Technologien und Methoden reichen nicht annähernd aus, um Zeitintervalle in der Größenordnung der gequantelten Planck-Zeit direkt zu messen. Das ist die kleinstmögliche Zeiteinheit, die ein Photon benötigt, um eine Strecke von der „Planck-Länge“ zurückzulegen; sie beträgt etwa 5,39 mal 10 noch minus 44 Sekunden.  

Bedeutung der Planck-Zeit 

Theoretisch stellt die Planck-Zeit die kleinste messbare Zeiteinheit dar, da sie durch die fundamentalen physikalischen Konstanten definiert ist. In dieser theoretischen Skala dominieren die Effekte der Quantengravitation, unterhalb derer die Konzepte von Raum und Zeit, wie wir sie kennen, wohl nicht mehr gültig sind. In diesem Bereich könnten neue physikalische Prinzipien gelten, um die Natur der „neuen“ Realität zu beschreiben.

Selbst das höchstpräzise Cäsium-Atomnormal als Goldstandard der Zeitmessung hat bald ausgedient – ein neues Zeitnormal verspricht eine wesentlich höhere Ganggenauigkeit. Doch was bringt uns eine hypergenaue Zeitmessung für einen praktischen Nutzen, wenn sie eine unglaublich kurze Zeiteinheit misst, viel kleiner als jede Zeitspanne, die in der Praxis oder in Experimenten derzeit gemessen werden kann? Und was unterscheidet eine Optische Atomkernuhr von dem bisherigen Cäsium-Atomuhr? 

Zukunft: Optische Gitteruhren 

Optische Uhren könnten die Atomkern-Uhren der Zukunft werden. Hier bilden nicht die Elektronen in der Atomhülle, sondern die Atomkerne selbst den ultrapräzisen Taktgeber. Das „Pendel“, also der regelmäßige Schwingungsvorgang, den jede Uhr braucht, ist hier eine Schwingung im Bereich sichtbaren Lichts. Weil dessen Frequenz bis hunderttausendfach höher ist als bei den anregenden Mikrowellenschwingungen der Cäsium-Atomuhren, wird damit noch einmal eine Steigerung in der Genauigkeit, Stabilität und Zuverlässigkeit erreicht. Verrückt, aber eine Kernuhr würde in 300 Milliarden Jahren nur eine Sekunde falsch gehen. Hauptproblem ist es, geeignete Atomkerne zu finden, die bei geringer Anregungsenergie schwingen können, etwa die Isotope Scandium-45 oder Thorium 229. 

Welche Gangungenauigkeit müsste man anstreben? 

Die Zielsetzung für die Ganggenauigkeit von Zeitmessgeräten hängt von den Anwendungen und wissenschaftlichen Fragen ab, die man lösen möchte. In der Grundlagenforschung – etwa Teleskopen und Teilchenbeschleunigern – ist präzise Zeitmessung essenziell für viele Bereiche der Wissenschaft, einschließlich Physik und Astronomie. Sie ermöglicht es Wissenschaftlern, fundamentale Experimente durchzuführen und Theorien zu testen, etwa die Relativitätstheorie. Hochpräzise Atomuhren helfen dabei, grundlegende Naturkonstanten sehr genau zu bestimmen. Hier arbeitet man mit Gangungenauigkeiten im Bereich von 10 hoch minus 18 Sekunden. Das bedeutet, dass die Uhren in Millionen von Jahren weniger als eine Sekunde abweichen. Die präzise Messung von Zeit spielt eine Schlüsselrolle in der Quantenmechanik und Quanteninformatik. Experimente in diesen Bereichen erfordern dies, um Quantenphänomene zu untersuchen und zu verstehen. 

Praktische Anwendungsgebiete

Navigationsdienste wie GPS-Systeme sind auf extrem genaue Zeitmessung angewiesen. Die Positionierung geschieht durch die Synchronisation von Signalen, die von Satelliten gesendet werden. Selbst ein kleiner Fehler in der Zeitmessung kann zu erheblichen Abweichungen in der Ortsbestimmung führen.

Telekommunikationsnetze und das Internet erfordern präzise Zeitstempel, um Daten korrekt zu synchronisieren und zu übertragen. Exakte Zeitmessung sorgt für eine reibungslose und effiziente Kommunikation und Datenverarbeitung.

In Energienetzen spielt die genaue Zeitmessung eine Rolle, insbesondere bei der Synchronisation von Übertragungsnetzen, gemeint ist die Kontrolle der 50-Hz-Netzfrequenz; präzise Zeitmessung verbessert die Effizienz und Stabilität. 

Internationale Zeitstandards sind essenziell für die Definition und Koordinierung internationaler Zeitstandards. Diese sind notwendig für globale Kommunikations- und Finanzsysteme. Es ist tatsächlich unglaublich, wie extrem präzise die Ganggenauigkeit moderner Atomuhren ist. 

Technologien, die entwickelt werden, um diese extrem präzisen Uhren zu bauen, lassen sich in anderen Bereichen der Wissenschaft und Technik anwenden. Dies fördert Innovationen und technologische Fortschritte. Die Frage ist nicht nur, wie präzise man Zeit misst, sondern auch, wie diese Präzision das Verständnis und die Nutzung der Zeit in verschiedenen wissenschaftlichen und technischen Bereichen verbessert. Die ständige Verbesserung der Zeitmessung bietet also nicht nur neue wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auch praktische Vorteile in vielen Bereichen des täglichen Lebens. 

Neue radioaktive Elemente  

Hört, hört! Wieder wurde ein neues radioaktives, chemisches Element aus der Taufe gehoben, etwa das Californium. Das führt uns ins Gebiet der Schwerionenforschung, die sich mit superschweren, kurzlebigen radioaktiven Elementen befasst, die es in der Natur überhaupt nicht gibt. Mit dem Element Plutonium, Ordnungszahl 94, stehen nachfolgend noch weitere 24 superschwere Elemente im erweiterten Periodensystem, wie etwa Mendelevium. Diese wurden allesamt künstlich von Menschen in Forschungsreaktoren und später in Teilchenbeschleunigern erschaffen, indem man Atomkerne mit Neutronen, Wasserstoffkernen (Protonen) und Heliumkernen (Alpha-Teilchen) beschoss. Einfach ausgedrückt: Ein neues Element entsteht, wenn zwei natürliche Elemente verschmolzen werden. Darmstadtium, als Element 110 entstand z.B. durch Verschmelzen von Nickel (Element 28) und Blei (Element 82). 

Nur zwei Herausforderungen bei der Nucleosynthese seien genannt: Die Instabilität der Teilchen und die „energetische Hürde“, die es beim Ionen-Beschuss des Zielelements (Targetmaterial), etwa Curium 96, zu überwinden gilt. Diese komplexe Elementsynthese erinnert eher an ein Glücksspiel. 

Die Erforschung neuer Elemente – auch wenn sie nur sehr kurzlebig sind, etwa im Attosekundenbereich (10 hoch minus 18 = eine trillionstel Sekunde) – ist von großer Bedeutung und bringt mehrere tiefgreifende Erkenntnisse mit sich: Sie helfen Wissenschaftlern, die fundamentalen Eigenschaften der Materie und die Kräfte, die Atome zusammenhalten, besser zu verstehen. Diese gewonnenen Erkenntnisse fördern die Entwicklung grundlegender Theorien in der Physik und Chemie. 

Einblicke in die Kernphysik

Neue superschwere Elemente geben Einblick in die Stabilität von Atomkernen und die Grenzen des Periodensystems. Das hilft, bestehende Modelle der Kernphysik zu bestätigen oder zu widerlegen. Die Erforschung dieser Elemente führt oft zu technologischen Fortschritten und neuen Methoden, die in anderen Bereichen der Wissenschaft und Technik anwendbar sind. Zum Beispiel können neue Detektions- und Analysetechniken entwickelt werden. 

Kann man sich diese superschweren Elemente makrokosmisch vorstellen? Wagen wir hier den ungewöhnlichen Versuch, die theoretische Massendichte eines superschweren Elements größenordnungsmäßig abzuschätzen. Dazu bestimmen wir zunächst die Masse und das Volumen seines Atomkerns.

Die Masse des Atomkerns ergibt sich aus der Anzahl der Protonen und Neutronen multipliziert mit der jeweiligen Masse dieser Teilchen. Die Masse eines Protons und eines Neutrons beträgt jeweils etwa 1,67 x (10 hoch - 27) kg. 

Das Volumen des Kerns berechnet sich mit der Kugelvolumen-Formel. Die Dichte ergibt sich dann durch die Formel: Masse/Volumen. 

Ein Beispiel: Das künstliche superschwere Element Oganesson Og mit 118 Protonen und 176 Neutronen hat also eine Kernmasse von etwa 4,92 x (10 hoch - 25) kg. Der Radius des Kerns beträgt etwa 7,21 x (10 hoch -15) m, und daraus ergibt sich die geschätzte Dichte von etwa 3,3 x (10 hoch 18) kg/Kubikmeter. 

Vergleich zu Gold: Ein Kubikmeter Gold wiegt etwa 19,3 x (10 hoch 3) kg, also 19,3 Tonnen. Das bedeutet, dass Oganesson etwa 1,7 x 10 hoch 14 ( oder 171 Billionen mal ) dichter ist als Gold. Das ist doch sehr beeindruckend, vor allem, wenn wir uns weiter bildhaft vorstellen, wie tief dieser „stabile“ 1-m-Würfel Oganesson kraft seines Flächendrucks versinken würde. Hätte das Kunstelement ein „längeres Leben“ und eine stabile Masse, wäre es ein rasender Fahrstuhl zum Mittelpunkt der Erde. 

Praktische Anwendungen 

Nach diesem kleinen mathematischen Ausflug, zurück in die Praxis. Selbst wenn die neuen Elemente nur eine kurze Lebensdauer haben, können ihre Eigenschaften zu neuen Anwendungen führen. Ein Beispiel dafür ist das Element Californium, das zur Bekämpfung von Krebs und zur Detektion von Sprengstoffen nutzt, obwohl es selbst instabil ist.

Californium-252 ist zwar radioaktiv und hat eine relativ kurze Halbwertszeit von etwa 2,65 Jahren, aber diese Zeit ist lang genug, um es effektiv in verschiedenen Anwendungen zu nutzen, darunter die Detektion von Sprengstoffen und die Behandlung von Krebs. 

Californium-252 emittiert Neutronen, die in der Lage sind, tief ins Körpergewebe einzudringen und Krebszellen gezielt zu zerstören. Diese Neutronenstrahlung ist etwa tausendmal stärker als die des radioaktiven Edelgases Radon Rn; sie kann so effektiver gezielt krankes Gewebe erreichen und bekämpfen. Häufig wird es bei der Behandlung von Tumoren im Enddarm (Rektum) eingesetzt, etwa  auch zur Behandlung von Prostatakrebs. Durch die gezielte Bestrahlung wird gesundes Gewebe besser geschont. Für Patienten, die keine Operationen wünschen oder für die eine Operation nicht möglich ist, bietet Californium-252 eine wirksame Alternative. 

Wie wirkt Californium-252 bei der Detektion von Sprengstoffen als Neutronenquelle? 

Californium-252 emittiert Neutronen, die mit den Atomkernen der Materialien in Wechselwirkung treten. Treffen diese Neutronen auf Sprengstoffe, werden die Atomkerne der Sprengstoffe angeregt und emittieren charakteristische Gammastrahlung. Diese Strahlung kann dann detektiert und analysiert werden, um versteckte Sprengstoffe zu bestätigen. Diese Methode ist sehr empfindlich und kann selbst kleinste Mengen von Sprengstoffen nachweisen. Besonders häufig wird diese Technologie in Sicherheitskontrollen an Flughäfen und in anderen sicherheitsrelevanten Bereichen eingesetzt, um die Sicherheit zu erhöhen und potenzielle Bedrohungen frühzeitig zu erkennen. 

Ergänzung der Arbeit von Sprengstoffhunden

Werden dadurch Sprengstoffhunde mit ihrem außergewöhnlichen Geruchssinn arbeitslos? Keineswegs. Die Neutronenaktivierungsanalyse mit Californium-252 ergänzt die Arbeit der Hunde und bietet zusätzliche Sicherheitsschichten. Beide Methoden haben ihre Stärken und lassen sich kombinieren, um ein Höchstmaß an Sicherheit zu gewährleisten.

Kontinuierliche Neutronenemission

Die Neutronen, die Californium-252 emittiert, sind sofort nach dem Freisetzen verfügbar. Bei der Neutronenaktivierungsanalyse ist nicht die Lebensdauer des Isotops entscheidend, sondern die Tatsache, dass Californium-252 kontinuierlich Neutronen freisetzt. Diese Neutronen lösen dann die charakteristische Gammastrahlung der untersuchten Materialien aus, die detektiert und analysiert werden kann. Wichtig ist die kontinuierliche Emission von Neutronen während der gesamten Halbwertszeit des Isotops. 

Künstliche Elemente und hochpräzise Zeitmessung  

Die Erforschung neuer Elemente ist ein zentrales Thema der Wissenschaft; sie erweitert nicht nur unser Wissen, sondern fördert auch praktische Anwendungen und technologische Innovationen. All diese Entdeckungen sind das Ergebnis präziser Wissenschaft und technologischer Fortschritte, die durch menschliche Kreativität und Zusammenarbeit ermöglicht werden.

Auch die bald mögliche ultrapräzise Zeitmessung ist kein göttliches Werk. Vielmehr ist sie ein Zeugnis des menschlichen Strebens nach Genauigkeit und Verständnis. Die Fähigkeit, Zeit mit solcher Präzision zu messen, erlaubt es uns, die Tiefen des Universums zu erforschen und neue Horizonte zu entdecken. Doch am Ende bleibt die zeitfreie Schöpfung über alle Zeit erhaben – ein unerreichbares Mysterium, das weiterhin unsere Neugier weckt und unseren Forschergeist antreibt.

Die Erkenntnissucht nach den Gesetzmäßigkeiten der Welt, verbunden mit der Ur-Frage, „Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält“, trieb schon Goethes Faust um. 

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