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Vergleich natürlicher Schutzhüllen: Erd-Atmosphäre versus Körperhaut

Von Hans-Jörg Müllenmeister

Die Natur ist klug vernetzt und verschränkt. Überall finden sich dazu treffliche Vergleiche – sowohl im Großen wie im Kleinen. Wir alle kennen das prägnante Charakteristikum einer Schutzhülle in Bezug auf die Außenwelt – ob im Kosmos oder in unserer Umwelt. Diese Schutzschilder fungieren als Filter und Barriere.

So besteht die Atmosphäre aus mehreren Schichten: Die Troposphäre von der Erdoberfläche bis zur Tropopause in Höhen zwischen 7 bis 17 km, die Stratosphäre bis zur 50 km Höhe, die Mesosphäre bis zur 85 km Höhe. Das „ausschleichende Ende“ der Erdatmosphäre beginnt in einer Höhe von etwa 80 Kilometern und endet in etwa 800 Kilometern an der Thermopause. Alle Schichten erfüllen jeweils unterschiedliche Funktionen. Auch unsere Haut ist mehrschichtig aufgebaut, sie besteht aus Oberhaut (Epidermis), Lederhaut (Dermis) und Unterhaut (Subkutis), die jeweils spezifische Funktionen erfüllen. 

Schichtaufbau der beiden Schutzschilder 

Die Epidermis, unsere äußere, wehrhafte Hautschicht, bildet den ersten Schutzwall gegen Umweltfaktoren wie UV-Strahlung, Chemikalien und Mikroorganismen. In der vergleichbaren untersten Schicht der Atmosphäre, der Troposphäre, brauen sich die Wetterphänomene zusammen; sie bietet Schutz vor UV-Strahlen, indem sie das Sonnenlicht filtert.

Die Dermis liegt unter der Epidermis und enthält Strukturen wie Blutgefäße, Nerven und Haarfollikel. Sie sorgt für Elastizität und Stärke und unterstützt die Epidermis. Ihr Pendant, die Stratosphäre, liegt oberhalb der Troposphäre und enthält die Ozonschicht, die das meiste UV-B und UV-C Licht absorbiert und dadurch die Troposphäre und die Erdoberfläche schützt.

Die Subkutis ist die tiefste Schicht der Haut, die Fettgewebe enthält und als Isolator und als Stoßdämpfer dient. Sie schützt die inneren Organe und speichert Energie. Das ausgedachte Gegenstück, die Mesosphäre, liegt oberhalb der Stratosphäre und schützt die Erde vor Meteoriten, die in dieser Schicht meistens verglühen und so die darunterliegenden Schichten und die Erdoberfläche schützen.

Bereits diese Analogien zeigen, wie beide Systeme – die menschliche Haut und die Erdatmosphäre – aus komplexen und mehrschichtigen Strukturen bestehen. Allesamt dienen sie dem Schutz und Erhalt des Lebens. Jede Schicht erfüllt spezifische Funktionen, die optimal zusammenarbeiten, um eine effektive Schutzbarriere zu bilden. 

Haut und Atmosphäre als Lebensretter

Die Atmosphäre hilft, die Temperatur der Erde zu regulieren, indem sie Wärme speichert und wieder abgibt, ähnlich wie eine Daunendecke. Und die Haut hilft, die Körpertemperatur zu regulieren durch Schwitzen und Anpassung der Blutgefäße. Die Atmosphäre verhindert das Eindringen von schädlichen chemischen Substanzen und Partikeln aus dem Weltraum. Die Haut schützt den Körper vor dem Eindringen von schädlichen Chemikalien und Mikroorganismen. 

Funktion der Atmosphären-Schichten und Analogien mit den Hautschichten

Die Atmosphäre filtert schädliche UV-Strahlen und kosmische Strahlung aus, die sonst die Erdoberfläche erreichen könnten. Zudem schützt sie die Erde vor kleineren Meteoriten und Weltraumtrümmern, die bereits in der Atmosphäre verglühen. Außerdem reguliert sie das Klima und hält die Temperaturen auf der Erde innerhalb eines lebensfreundlichen Bereichs.

Die Haut schützt unseren Körper vor physikalischen Verletzungen und Abrieb. Sie bildet die Barriere gegen Bakterien, Viren und andere Krankheitserreger. Außerdem reguliert sie die Körpertemperatur und schützt vor Feuchtigkeitsverlust.

Beide dieser Schutzhüllen zeigen, wie essenziell es ist, eine Grenzbarriere zu haben, die gleichzeitig schützt und den Austausch lebenswichtiger Elemente ermöglicht. Diese Balance zwischen Schutz und Durchlässigkeit ist der Schlüssel zum Aufrechterhalten eines stabilen und gesunden Zustands. 

Erneuerungs- und Reparaturmechanismen

Die Atmosphäre enthält Mechanismen, die helfen, Ozon und andere schützende Gase zu regenerieren und zu reparieren. Ähnlich dazu hat verletzte Haut die Fähigkeit, sich selbst zu heilen und zu erneuern.  

In der Atmosphäre existieren Trilliarden von Mikroben und Partikel, die zum Kreislauf von Nährstoffen und zur Wolkenbildung beitragen, ähnlich wie auch die Mikroben auf unserer Haut dem Schutz unserer Gesundheit dienen. Die Wasserverdunstung und -kondensation in der Atmosphäre regulieren das Klima und sorgen für lebenswichtigen Regen, während die Haut durch Schweiß die Körpertemperatur reguliert.

Staubpartikel in der Atmosphäre spielen eine Rolle bei der Wolkenbildung und können als Schutzschicht vor Sonnenstrahlen wirken. Analog dazu schützt die Haut vor Schmutzpartikeln und schädlichen Substanzen aus der Umwelt. 

Schutzkooperationen zwischen Haut und Erdatmosphäre

UV-Schutz. Die Ozonschicht in der Atmosphäre filtert die meisten schädlichen ultravioletten Strahlen der Sonne, die sonst die Erdoberfläche erreichen würden. Die Haut produziert Melanin, ein Pigment, das vor UV-Strahlung schützt, indem es diese absorbiert und verhindert, dass sie tief in die Haut eindringt und Schäden verursacht.

Feuchtigkeitsregulierung. Die Atmosphäre enthält Wasserdampf, der das Klima und die Feuchtigkeit auf der Erdoberfläche reguliert. Diese Feuchtigkeit ist entscheidend für das Pflanzenwachstum und das Ökosystem. Die Haut reguliert die Feuchtigkeit des Körpers durch Schwitzen und die Produktion von Talg, der die Hautoberfläche geschmeidig hält und vor Austrocknung schützt.

Schutz vor Schadstoffen. Die Atmosphäre bildet eine Barriere gegen viele Schadstoffe und Partikel aus dem Weltraum, wie Meteoriten und kosmische Strahlung. Die Haut fungiert als physische Barriere, die den Körper vor Schadstoffen, Bakterien und anderen Umwelteinflüssen schützt. 

Selbstheilung und Regeneration

Die Atmosphäre hat Mechanismen zur Regeneration, wie die Bildung und Erneuerung der Ozonschicht, die kontinuierlich schädliche UV-Strahlen filtert. Ebenso besitzt die Haut erstaunliche Fähigkeiten zur Selbstheilung und Regeneration, indem sie Wunden schließt und neue Hautzellen bildet, um Schäden zu reparieren. Erstaunlich, denn nach nur einem Monat haben wir eine völlig neue Haut. In 80 Lebensjahren wechseln wir unsere Körperhülle – die Grenzschicht zur Umwelt – etwa 1.000-mal. 

Sensorische Funktion

Die Atmosphäre übermittelt durch Veränderungen in Temperatur, Luftdruck und Feuchtigkeit wichtige Informationen über Wetterbedingungen, die für das Überleben und die Anpassung der Lebewesen entscheidend sind. Ebenso ist die Haut ein wichtiges sensorisches Organ, das durch Berührung, Temperatur und Schmerzempfindungen Informationen über die Umgebung liefert und dem Körper hilft, entsprechend zu reagieren.

Diese Analogien zeigen, wie beide Systeme – die Haut und die Atmosphäre – essentielle Schutzfunktionen für das Leben auf der Erde erfüllen. Ihre Kooperation ist ein beeindruckendes Beispiel für die natürliche Anpassung und Widerstandsfähigkeit. 

Alterungsprozess der Haut und der Atmosphäre

Beide Systeme erfahren über die Zeit hinweg Veränderungen, die ihre Schutzfunktionen beeinträchtigen. Mit zunehmendem Alter wird die Haut dünner und weniger elastisch. Die Kollagen-Produktion nimmt ab, wodurch Falten entstehen und die Haut anfälliger für UV-Schäden wird.

Ähnlich kann die Ozonschicht in der Atmosphäre durch chemische Schadstoffe wie Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) abgebaut werden, was zu einem geringeren Schutz vor UV-Strahlung führt. Dadurch steigt die UV-Belastung auf der Erdoberfläche. Umweltverschmutzung und Schadstoffe führen auch zu einer geschädigten Haut: Das führt zu Entzündungen, Alterung und Schäden an der Hautbarriere.

Die Atmosphäre kann durch Schadstoffe wie Feinstaub, Stickoxide und Schwefeldioxide belastet sein. Diese Schadstoffe beeinträchtigen die Luftqualität und Schutzfunktion der Atmosphäre. Besonders bemerkenswert ist die Tragfähigkeit unserer Atmosphäre durch Mikroben, Wasser und Staubbelastung; sie verdeutlicht die Komplexität und Robustheit unseres planetaren Schutzschilds. In einem Milliliter Wolkenwasser, etwa 20 Tropfen, tummeln sich fast eine Milliarde Bakterien. Eine einzige Gewitterwolke kann leicht 1,5 Millionen Tonnen wiegen. Insgesamt schweben im weltweiten Wolkenmeer mehr als 15 Billionen Tonnen Wasser über unseren Denkstuben. Übrigens werden jährlich etwa 40 Millionen Tonnen Sahara-Staub durch Windströmungen von Afrika per Luftpost in das Amazonasgebiet geblasen. Diese feinen Partikel sind eine wichtige Nährstoffquelle für den Regenwald. 

Mit dem Alter nimmt die Fähigkeit der Haut zur Regeneration ab. Verletzungen heilen langsamer, und die Haut verliert an Feuchtigkeit und Elastizität. Die Atmosphäre hat auch eine begrenzte Fähigkeit zur Regeneration. Wenn die Belastung durch Schadstoffe zu hoch wird, kann es länger dauern, bis sich die Ozonschicht oder die Luftqualität wieder erholen. 

Eine neu entdeckte Plasma-Schicht der Atmosphäre

Zwischen 15.000 und 25.000 Kilometer über der Erde liegt der bekannte Van-Allen-Strahlungsgürtel. Erst kürzlich entdeckten die Forscher einen weiteren kosmischen Schutzwall neben dem Magnetfeld der Erde, der uns gegen Killer-Elektronen bei Sonneneruptionen aus dem All schützt. Diese Barriere liegt 11.500 km über der Erdoberfläche und lässt sich als eine Art zweite unsichtbare Schutzschicht beschreiben. Man könnte diesen Schutzwall mit der unsichtbaren Nickhaut vergleichen, die zusätzlichen Schutz bietet, wie bei manchen Haien, Amphibien und Vögeln. Übrigens, bei Menschen ist dieser rudimentäre Überbleibsel nur noch als kleiner Bindegeweberest im nasenseitigen Augenwinkel zu erkennen. 

Schlussbetrachtung 

Die Schutzsysteme der Natur sind unverzichtbar für das Leben und die Gesundheit. Pflege, Sonnenschutz und eine gesunde Lebensweise können den Alterungsprozess unserer Haut verzögern, wenn auch nicht aufhalten. Ebenso sollten wir unsere  planetare Ozonschicht aus eigenem Interesse und zum Wohl unserer Erde bewahren. Erinnern wir uns an die weltweite  Ozonloch-Panik der 1980er Jahre, ausgelöst durch die künstlichen Treibhausgase der Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW). Diese Substanzen waren echte Bedrohungen im Vergleich zum heutigen, giftgrün angeschwärzten, natürlichen CO2.

Beide mehrschichtigen Grenzschichten – unsere Haut und die Erd-Atmosphäre –  haben auf erstaunlich ähnliche Weise Mechanismen entwickelt, um sich gegen die Unbilden und Störeinflüsse von außen zu wehren: zum Wohlergehen ihrer Schützlinge, der Erde und des Menschen.

Zum Abschluss etwas Humoriges aus der eigenen Themenküche. Kürzlich hörte ich, wie ein Dermatologe zu einem Atmosphärenforscher sagte: „Wir beide beschäftigen uns mit Schutzschichten. Meine Patienten brauchen nur etwas Sonnencreme, um sich zu schützen, deine Patienten aber eine dicke Schicht Ozon.“ Triumphierend entgegnet der Atmosphärenforscher: „Stimmt, aber wenn meine Patienten ein Ozonloch bekommen, habt ihr A-Löcher da unten ein riesiges Problem!“

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