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Bei Erregung bläht der Kugelfisch seinen Körper kugelförmig auf. Seine kräftige Muskulatur presst ruckweise Wasser aus der Mundhöhle in eine bauchseitige, sackartige Magenerweiterung. 

 

Warum bevorzugt die Natur die Kugelform?

Von Hans-Jörg Müllenmeister 

Sowohl im Makro- wie auch im Mikrokosmos entscheidet sich die Natur vielfach für runde Formen, sowohl in der Fläche (Kreis) oder im Raum (Kugel). Dabei spielt die transzendente Kreiszahl, die  Archimedische Konstante Pi (π), eine wesentliche Rolle. Doch warum diese Bevorzugung? Die Natur könnte doch ebenso gut andere Formen bevorzugen. Lassen Sie uns den Gründen für dieses Phänomen nachspüren – sowohl im Großen als auch im Kleinen. 

Die Natur hält viele Muster und Strukturen bereit, die auf der Kreiszahl Pi basieren. Pi ist nicht nur in der Beschreibung von Kreisbewegungen wichtig, wie sie bei den Umlaufbahnen der Planetenbahnen vorkommen. Vom Pflanzenwachstum bis zu vielen anderen Strukturen und Fraktale der Natur, „kreist“ die Zahl Pi, die viele Muster und Strukturen beschreibt. Aber warum können Piraten Kreise und Kugeln nicht berechnen – Na, weil sie das Pi raten. 

Pi ist das Verhältnis des Umfangs eines Kreises zu seinem Durchmesser 

Diese Beziehung ist in allen kreisförmigen Objekten zu finden: Von Planeten und Sternen bis hin zu kleinen Blasen und Tropfen.

Phi und Pi sind beide tief in der Mathematik verwurzelt und tatsächlich gibt es einen interessanten Zusammenhang zwischen der Kreiszahl Pi (π) und dem Goldenen Schnitt Phi (Φ). Die Zahl Phi wird gerne mal mit der Zahl Pi verwechselt. Phi bezieht sich aber auf den Goldenen Schnitt und nicht auf den Kreis. 

Der Goldene Schnitt, auch bekannt als das Verhältnis von 1:1,618, ist ein faszinierendes mathematisches Konzept, das in der Natur häufig vorkommt. Hier sind einige Beispiele: Viele Pflanzen zeigen den Goldenen Schnitt in der Anordnung ihrer Blätter und Blütenblätter wie etwa die spiralige Anordnung der Blütenblätter einer Rose. Auch die Spiralen von Schneckenhäusern und Muscheln folgen oft dem Goldenen Schnitt, ebenso die spiralige Anordnung der Samen in Tannenzapfen und Sonnenblumen. Diese Beispiele zeigen, wie der Goldene Schnitt in der Natur eine ästhetische und harmonische Ordnung schafft. 

Die Magie der Kreiszahl Pi (π) zeigt sich in vielen faszinierenden Aspekten der Natur und Mathematik. Hier einige Beispiele, wo und wie sie sich offenbaren. 

Irrtum – ein Kieselstein ist weder eine Kugel noch ein Ellipsoid 

Dem ursprünglichen Gesteinsbruchstück mag zwar die „Idee einer späteren Kugelform“ vorschweben; es kommt aber nur in den seltensten Fällen dazu. Das liegt daran, dass ein Kieselstein während des Transports durch die Flüsse und Meer ständig mit anderen Steinen und dem Untergrund kollidiert. Dieser Abrollprozess kann Jahrtausende dauern. Das führt dazu, dass die Kanten und Ecken abgeschliffen werden, dabei wird der Stein aber eher flach oval als kugelförmig

Die falsche Vorstellung von der Kugelform der Kiesel durch einen gleichmäßigen Abrieb nahm schon der griechische Philosoph Aristoteles an. Übrigens irrte er auch bei der Anzahl der Spinnenbeine, denn er behauptete in seinen Schriften, die Spinne hätte sechs statt acht Beine. 

Tatsächlich kommen jedoch beim Abrieb nicht alle Punkte der Steinoberfläche mit gleicher Wahrscheinlichkeit mit dem Boden oder anderen Kollisionspartnern in Kontakt. Selbst heute ist es eine Herausforderung, den komplexen „isotrophen“ Abriebmechanismus des Gesteins vollständig zu verstehen oder diesen gar mathematisch mit Integraldifferenzialgleichungen zu erfassen. Diese Gleichungen helfen, annähernd die Veränderung der Form und Größe von Kieselsteinen über die Zeit zu beschreiben, während sie durch Wasser transportiert werden. 

Selbst in der modernen Weltraumforschung spielen diese Abrieb-Phänomene bei der Form von Weltraumtrümmern, im Zusammenhang mit der Kollisionsgefahr bei Satelliten und Raketen eine bedeutende Rolle (s. Beitrag „Abschied vom Sternenhimmel: Der Preis für Starlink-Internet?“). 

Diamanten in Kugelform – eine fast unmögliche Vorstellung 

Selbst wenn ein Rohdiamant, beispielsweise in Oktaederform, über Jahrmillionen hinweg den Erosionskräften der Natur ausgesetzt war, werden Sie selbst in den tiefsten Ozeanen keine rundgeschliffenen Diamanten finden. Der Grund dafür liegt in der ausgeprägten richtungsabhängigen Härte (Anisotropie) des Diamanten, die sich jedem Versuch eines Rundschliffs widersetzt. Andere Edelsteine hingegen lassen sich in einer rotierenden Steintrommel, unter Zugabe von Diamantenstaub als Schleifmittel, durchaus in Kugelform bringen. 

Prägend für die Kugelform ist die Schwerkraft 

Unsere Natur liefert viele faszinierende Beispiele für die natürlichen Kugelformen etwa bei Planeten und Sternen, die aufgrund der Schwerkraft nahezu kugelförmige Gestalt annehmen. Warum? Weil die Schwerkraft die Materie gleichmäßig in alle Richtungen zum Zentrum hinzieht. 

Im Kleinen formen sich Wassertropfen zu Kugeln in der Schwerelosigkeit oder bei sehr kleinen Tropfen, wie sie in der Luft schweben. Das liegt an der Oberflächenspannung; sie zieht die Moleküle an der Oberfläche zusammen und bevorzugt die Kugelform mit dem geringsten Oberflächenbereich. Auch Seifenblasen sind kugelförmig, da die Oberflächenspannung der Seifenlösung die Luft im Inneren gleichmäßig umschließt und eine Form mit minimaler Oberfläche bildet. 

Auch im Pflanzenreich hat sich die Natur bei einigen Früchten und Samen für eine kugelförmige Gestalt entschieden. Diese Form hilft, die Samen zu schützen und ihre Verbreitung zu erleichtern. Auch der mexikanische Goldkugelkaktus, besser bekannt als Schwiegermuttersitz, hat eine markante kugelförmige Gestalt von bis zu 80 Zentimeter – sogar mit „Dehnungsrippen“ zur Wasserspeicherung. Diese Rippen ermöglichen es dem Kaktus, sich auszudehnen und zusammenzuziehen, je nachdem wieviel Wasser er gespeichert hat. 

Pflanzliche und mikrobiologische Kugelgestalten 

Zellen, insbesondere Einzeller wie Bakterien und einige Algen, haben eine kugelförmige Gestalt. Beispiele für Bakterien und Viren: Staphylokken, Streptpkokken, Influenzaviren, Rotavioren. Diese Form kann das Volumen maximieren und die Oberfläche minimieren, was für bestimmte biologische Funktionen vorteilhaft ist.

Es gibt einige interessante Beispiele für kugelförmige Strukturen im Pflanzenreich: 

Blütenstände. Manche Pflanzen haben kugelförmige Blütenstände, wie der Zierlauch oder die Kugeldistel. Diese kugeligen Blütenstände können Bestäuber anziehen und die Fortpflanzung der Pflanze unterstützen. 

Früchte und Samen. Einige Pflanzen produzieren kugelförmige Früchte oder Samen. Beispiele sind Kirschen, Erbsen und Beeren. Diese Form kann helfen, die Samen zu schützen und ihre Verbreitung zu erleichtern. Die kugelige oder runde Form hat evolutionäre und biologische Gründe. Es ist das Ergebnis eines gleichmäßigen Wachstums in alle Richtungen. Offensichtlich ist das energetisch effizienter und ermöglicht es der Pflanze, die Frucht schneller mit weniger Ressourcen zu entwickeln.

Eine kugelige, besser greifbare Form, bietet eine gleichmäßige Verteilung von Druck und Belastung. Das macht die Frucht widerstandsfähiger gegen Beschädigungen, schützt die Samen im Inneren und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie keimen können. 

Eine runde Form der Frucht ist leichter zu rollen; das erleichtert das Verbreiten der Samen über eine größere Fläche: Zudem fressen Tiere diese handsamen Früchte und Samen, um sie an einem anderen Ort zu hinterlassen. 

Eine Kugel minimiert die Oberfläche 

Eine Kugel hat im Verhältnis zu ihrem Volumen die kleinste Oberfläche. Das ist besonders vorteilhaft für biologische Organismen. Sie müssen ihre Oberfläche minimieren, um Wasserverluste zu reduzieren oder um sich vor äußeren Einflüssen zu schützen. Igel oder Gürteltiere rollen sich zu einer Kugel zusammen, um sich vor Feinden zu schützen. Damit bieten sie die geringste Angriffsfläche. 

Und kugelförmige Objekte haben oft weniger Widerstand in Flüssigkeiten und Gasen. Genau das ist der Grund, warum viele Mikroorganismen und Zellen kugelförmig sind, um sich effizient durch die Umgebung zu bewegen.

Diese Gründe zusammen machen die Kugelform zu einer häufigen und vorteilhaften Struktur in der Natur. 

Seltene Naturereignisse, die kugelförmiges hervorbringen 

Kugelblitze sind  eine seltene, kugelförmige Leuchterscheinung, die oft als sphärisch (kugelförmig) beschrieben werden.

Wie dieses Phänomen entsteht, ist noch nicht vollständig geklärt. Eine gängige Erklärung ist, dass Kugelblitze durch den Einschlag eines Blitzes in den Boden entstehen. Dabei werden kleinste Teilchen, wie Eisen, Silizium und Kalzium freigesetzt; das bestätigte eine zufällige Spektrometermessung. 

Höhlenperlen. Stalagmiten und Stalagtiten sind uns aus Höhlen bekannt, aber wer kennt ihre seltenen Vetter, die kugelförmigen Höhlensteine – oft bezeichnet als Höhlenperlen? Sie entstehen in Höhlen durch einen speziellen Prozess. Wenn Wasser Kalziumkarbonat CaCO3 enthält und in einer Höhle in eine Pfütze tropft, kann es kleine Partikel wie Sandkörner oder kleine Steine umhüllen. Durch die ständige Bewegung des Wassers werden diese Partikel immer wieder gedreht und umhüllt, wodurch sie allmählich eine kugelförmige Gestalt annehmen.

Dieser Prozess ist ähnlich wie bei der Entstehung von Perlen in Muscheln, nur dass er in einer Höhlenumgebung stattfindet. Die ständige Bewegung und das Umhüllen durch Kalziumkarbonat sind entscheidend für die runde Form dieser Steine. 

Naturperlen. Ähnlich kann es in Seemuscheln zu einer Perlenbildung kommen – ausgelöst durch winzige Fremdkörper wie organische Partikel oder durch Verletzungen und auch  Tumorbildung im Mantelgewebe der Muschel. Die Perlenbildung ist im Grunde eine Abwehrreaktion des Gewebes. 

Der Ummantelungsprozess beginnt, wenn die Muschel eine Reizung im Mantelgewebe verspürt und daraufhin Isolierschichten von Calziumcarbonat CaCO3 und Keratin, eine hornähnliche Substanz absondert, um den Reizort zu isolieren.

 „Riesenfußbälle“ mit Quarzadern, die Moeraki Boulders an der Küste von Otago /Neuseeland bei Sonnenaufgang.

Moeraki Boulders sind ungewöhnlich große kugelförmige metergroße Mineralgebilde an der Küste von Otago auf der Südinsel Neuseelands. Diese beeindruckenden Gebilde sind nicht nur eine beliebte Touristenattraktion, sondern auch wertvolle Zeitzeugen der Erdgeschichte vor drei Millionen Jahren. Anfangs dachte ich als Tourist, es seinen Stromatolithen. Eines bessern wurde ich belehrt.

Bei diesen Gebilden handelt es sich nämlich um sogenannte Konkretionen, die durch Zementierung (Calcit) aus einer wässrigen, zirkulierender Lösung ausgesintert sind. Die kugelförmige Form der Boulders resultiert aus der gleichmäßigen Diffusion von Calciumcarbonat, das sich um einen harten Kern herum ablagerte. Diese kugelförmigen Gesteinsbrocken bildeten sich auf dem Meeresboden. Über Millionen von Jahren wurden diese Konkretionen durch Erosion freigelegt. Diese einzigartigen Strukturen sind ein beeindruckendes Beispiel für die komplexen Prozesse, die das Leben auf der Erde formten.

Victoria amazonica. Diese bemerkenswerte Amazonas-Riesenseerose ist eine der beeindruckendsten Pflanzen der Welt.  Sie besitzt kreisrunde Schwimmblätter von bis zu drei Meter Durchmesser! Der untergetauchte Blattstiel besitzt eine Länge von etwa 8 m. Auf der Unterseite des Blattes bilden sich, zwischen den kräftigen Blattnerven und der Wasseroberfläche, große Luftkammern, auf denen das Blatt, wie auf einem Luftkissen, schwimmt. So ein Riesenblatt trägt ein Gewicht von bis zu 50 kg. 

Die schwimmenden kreisrunden Blätter haben einen etwa 6 cm hohen Rand mit zwei gegenüber liegenden Einschnitten. Diese sorgen dafür, dass der Blattrand bei heftigen Bewegungen nicht einreißt und überschüssiges Wasser nach starken Regenfällen leicht abfließen kann. 

Zur Abrundung. Nicht alles was eine rundliche Form annimmt, ist der Natur zuträglich – etwa die Leibesfülle. Während das Komma die Taille des Satzes bildet, deutet ein Doppelpunkt am Ende auf Korpulenz hin. 

 So wie Goethe in „Dichtung und Wahrheit“ schrieb: 

„Was wir in der Jugend wünschten, haben wir im Alter in Fülle.“
Oder, um es humorvoll zu verballhornen: 
„Was wir in der Jugend wünschten, haben wir im Alter: die Fülle.“

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